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Die nächste EU-Kommission
Umstrittene Kandidaten auf von der Leyens Vorschlagsliste

Auf der Vorschlagsliste von Ursula von der Leyen für die kommende EU-Kommission sind viele in Brüssel schon bekannte Gesichter. Dass das Europaparlament alle Bewerber einfach so absegnet, ist aber unwahrscheinlich - denn bei einigen Kandidaten gibt es wohl auch Bedenken.

Von Paul Vorreiter | 10.09.2019
Ursula von der Leyen auf einer Pressekonferenz nach ihrer Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission
Ursula von der Leyen auf einer Pressekonferenz nach ihrer Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission (picture alliance / Photoshot / Zhang Cheng)
Eines ihrer ersten Ziele hat die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fast erreicht:
"I will ensure full gender equality in my college of commissioners."
In ihrer Bewerbungsrede vor dem Straßburger Europaparlament hat die CDU-Politikerin eine paritätisch besetzte Kommission versprochen. 13 Frauen – sie mit eingerechnet – stehen auf der Liste. Dazu 14 Männer, die Kommissare werden wollen, Großbritanniens Platz bleibt wegen des anvisierten Brexits leer:
"So viel Weiblichkeit war noch nie in der Kommission. Dafür gebührt Frau von der Leyen erst mal Lob", sagte Jens Geier, der Chef der deutschen Sozialdemokraten im Europaparlament dem Deutschlandfunk-Studio Brüssel. Viele Namen kursierten ohnehin schon, interessant ist vor allem die Frage, wer bis 2024 welche Aufgaben übernehmen darf: Fest steht nur, dass der Spanier Josep Borrell EU-Chefdiplomat werden soll, Federica Mogherini als EU-Außenbeauftragter ablösen wird.
Spekulationen über Ressortverteilung
Über andere Zuschnitte gibt es Spekulationen: Frans Timmermans und Margarete Vestager – schon jetzt Mitglieder der aktuellen EU-Kommission - werden die Bereiche Klima und Digitales zugesprochen. Der Sozialdemokrat aus den Niederlanden hatte im Europawahlkampf Klimapolitik zur Chefsache erklärt, die Liberale aus Dänemark ist als bisherige Wettbewerbskommissarin für ihre unnachgiebige Art gegenüber Tech-Firmen wie Facebook und Google bekannt.
Und sie sind nicht die einzigen, in Brüssel schon bekannten Gesichter, die auf der Liste stehen: Der neuen EU-Kommission soll aus der aktuellen unter anderem die bisherige Digital-Kommissarin, die Bulgarin Mariya Gabriel, angehören. Der bisherige Kommissar für Nachbarschaftspolitik, der Österreicher Johannes Hahn, könnte für den EU-Haushalt zuständig werden. Ebenso auf der Liste ist die bisherige Justiz- und Verbraucherkommissarin, die Tschechin Vera Jourova, die unter von der Leyen mit Rechtstaatsthemen betraut werden könnte - eines der sensibelsten Portfolios für die neue Kommission.
Von der Leyen war dafür kritisiert worden, mit Hilfe derjenigen Vertreter ins Amt gekommen zu sein, die es mit der Rechtstaatlichkeit nicht so genau nehmen. Grüne, Liberale und Sozialdemokraten im Europaparlament hatten angekündigt, in Fragen der Rechtstaatlichkeit aufmerksam von der Leyens Politik zu verfolgen. An die Kritiker gerichtet versprach die CDU-Politikerin:
"There can’t be no compromise on the rule of law and there never will be."
Mit ihrer Kommission soll es also keine Kompromisse bei der Rechtsstaatlichkeit geben. Mit Vera Jourova im entsprechenden Amt müssten sich Länder wie Polen und Ungarn auf eine Widersacherin aus dem eigenen Kreis der sogenannten "Visegrad4"-Staaten einstellen.
Europaparlament muss Kommission bestätigen
Nach der Vorstellung der Portfolios liegt der Fokus in den nächsten Wochen auf dem Europaparlament. Die Kommission als Ganzes muss von den Abgeordneten erst noch bestätigt werden. Zuvor haben die Kandidatinnen und Kandidaten in den zuständigen Ausschüssen die Gelegenheit, um Zustimmung zu werben. Das soll Ende des Monats beziehungsweise Anfang Oktober passieren. Einzelne Kandidatinnen und Kandidaten könnten vor der Abstimmung über das Personalpaket noch ausgetauscht werden. Jens Geier, SPD, zeigt sich über einen möglichen Zuschnitt skeptisch:
"Frau Goulard, der französische Vorschlag, eine Liberale, die sehr neoliberal war, als sie hier Kollegin im Europaparlament war, da könnten wir inhaltliche Probleme beim Wettbewerbsdossier bekommen."
Ein Wackelkandidat könnte der Pole Janusz Wojciechowski sein. Gegen ihn ermittelt die EU-Anti-Betrugsbehörde "Olaf" wegen möglicherweise falscher Reiseabrechnungen. Ebenso umstritten der Ungare Laszlo Trocsanyi, der sich am umstrittenen Umbau des Justizsystems in seinem Land beteiligt hat. Mit Fragezeichen versehen auch die rumänische Kandidatin. Dazu sagte Ska Keller, Fraktionschefin der Grünen, dem Deutschlandfunk Studio Brüssel:
"Zum Beispiel wurde der ehemalige Justizminister aus Ungarn vorgeschlagen und das ist natürlich schon eine harte Nummer, also jemand, der ganz klar daran beteiligt war, Rechtstaatlichkeit in Ungarn abzuschleifen. Aus Rumänien kommt jemand aus der Regierungsfraktion und die Regierung in Rumänien hat sich auch nicht auch nicht mit Ruhm bekleckert, wenn es um Rechtstaatlichkeit geht, da wurde versucht Korruption zu legalisieren."
Falls das EU-Parlament tatsächlich eine Kandidatin oder einen Kandidaten durchfallen lässt, kann von der Leyen und ihre Kommission wohl nicht planmäßig am 1. November mit der Arbeit beginnen. Juncker und dessen Kommissare müssten dann zunächst weitermachen.