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Die neuen Wagners

Katharina und Eva statt Wolfgang - was viele erhofft hatten, entschied der Stiftungsrat der Bayreuther Festspiele dann doch mit unerwarteter Einigkeit. Nun sollen also die Halbschwestern die Geschicke der Festspiele leiten - schon jetzt werden Rufe nach einer Anhebung des Gesamtniveaus laut.

Christoph Schmitz im Gespräch mit Doris-Schäfer-Noske | 02.09.2008
    Doris Schäfer-Noske: Die beiden Töchter von Wolfgang Wagner Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier übernehmen die Bayreuther Festspiele. Der Stiftungsrat hat sich damit heute Nachmittag für die Favoriten entschieden. Eva Wagner-Pasquier hatte gestern noch mal gewarnt, wir müssen das jetzt mit Anstand über die Bühne bringen, anderenfalls ist die Familie draußen. Sie zielte damit auf die ständigen Zankereien unter den Nachfahren des Komponisten Richard Wagner. Nike Wagner hatte das Wochenende prompt noch mal genutzt, um ein Giftpfeile auf ihre Cousine Katharina abzuschießen. Sie scheiterte aber letztendlich mit ihrer Bewerbung, obwohl sie vor einer Woche noch den belgischen Opernmanager Gerard Mortier als Trumpf aus dem Ärmel gezogen hatte. Christoph Schmitz in Bayreuth, war es denn jetzt eine knappe Entscheidung?

    Christoph Schmitz: Nein, es war keine knappe Entscheidung. Es war eine sehr eindeutige Entscheidung. Der Stiftungsrat, der entscheidet, hat ja 24 Stimmen zur Verfügung. 22 Stimmen waren für Eva und Katharina und zwei Stimmen haben sich enthalten. Das war wie zu erwarten der Wieland-Stamm. Sie wissen, dass die Wagner-Stimme gleich vierer sind, Wolfgang Wagner, Wieland Wagner, Friedelind und Verena Lafferentz. Und Nike natürlich, die zum Wagner-Stamm gehört, hat sich enthalten mit der Begründung, dass die Entscheidung ja schon vorab getroffen sei, dass die Konzepte gar nicht ernsthaft diskutiert worden seien, man nicht inhaltlich argumentiert, sondern in anderer Hinsicht. Und Verena Lafferentz, nun ihr ist das Ganze alles suspekt, auch das, was Katharina Wagner gemacht hat, das Publick Viewing, die Lifestream-Übertragung der Meistersänger jetzt bei diesen Sommerspielen vor Kurzem. Deswegen hat sie auch sich enthalten, 22 zu null sozusagen.

    Schäfer-Noske: Was hat denn letztendlich den Ausschlag gegeben? Wollte man jetzt Ruhe haben in Bayreuth?

    Schmitz: Ausschlaggebend war, das sollten wir vielleicht dem, der es verkündet hat, zu sagen selbst überlassen, das ist nämlich Toni Schmid.

    O-Ton Toni Schmid: Und wenn wir dann nachrechnen, das wäre in sieben Jahren, dann sind alle noch mal sieben Jahre älter. Ich bin wirklich kein Vertreter des Jugendwahns, aber es ist natürlich schon reizvoll, eine Paarung zu haben, die praktisch zwei Generationen bildet. Und das fanden wir, gerade den Altersunterschied fanden wir reizvoll.

    Schmitz: Der Altersunterschied, Katharina 30 Jahre, alle anderen Mitbewerber über 60. Die Besetzung, die Pläne, die wichtigen Pläne sind bis 2015 weitestgehend abgeschlossen. Das heißt, die anderen Bewerber, Nike und Mortier, was auch allerdings für Eva Wagner-Pasquier gilt, wären erst 2015 zum Zuge gekommen. Und da sind die beiden schon, von der Gegenpartei, über 70. Und das wollte man dann doch nicht nach den schlechten Erfahrungen, die man mit dem letzten Jahrzehnt von Wolfgang Wagner gemacht hat.

    Schäfer-Noske: Welche Rolle hat denn die Ankündigung Mortiers gespielt, auf jeden Fall in einem Jahr der Leitung der New York City Opera übernehmen zu wollen?

    Schmitz: Das war ein Grund dafür, so sagte es ein Mitglied des Stiftungsrates, der Bayreuther Oberbürgermeister Michael Hohl, dass man nicht verantworten könne, dass jemand nebenbei nur Bayreuth macht, das wirft natürlich ein schlechtes Licht auf die Dinge hier, dass man Bayreuth links macht und vor allem auf der anderen Seite des Atlantiks dann die Oper dort, die städtische Oper dort leitet.

    Schäfer-Noske: Was ist denn jetzt inhaltlich von neuen Leitungsduo zu erwarten, Herr Schmitz?

    Schmitz: Vielleicht sollten wir hier auch zuerst einmal die neue Leiterin hören, Katharina Wagner.

    O-Ton Katharina Wagner: Wir stehen vor allem dafür, dass wir die Einmaligkeit von Bayreuth erhalten wollen. Natürlich, die Kritik, die laut wurde, was die Besetzungspolitik angeht, die haben wir uns sehr zu Herzen genommen. Gut, Sie wissen auch selber, vieles ist schon vorbestimmt bis 2015. Wir haben natürlich noch einiges zu tun. Und dann gibt es natürlich ein Rahmenprogramm, das wir vorgestellt haben, u.a. die Weiterführung des Public Viewing zum Beispiel, aber auch Kinderopern, was neu geplant ist, und auch in Anbetracht des Wagner-Jahres 2013, dass die Frühwerke Richard Wagners aufgeführt werden.

    Schmitz: Ja, soweit Katharina Wagner. Die Einmaligkeit Bayreuths bewahren, das heißt, sechs Wochen nur spielen im Sommer, den strengen Werkkanon halten, die Frühwerke eigentlich nicht. Nur jetzt zum Wagner-Jubiläum 2013, "Rienzi" etwa oder "Liebesverbot". Was sie natürlich noch will, wofür sie steht eigentlich, was sie auch stark macht, dass sie neue Zuschauerschichten gewinnen möchte, junges Publikum, darauf zielte ja das Ganze IT-Programm, Public Viewing jetzt im Sommer und der Live-Stream der "Meistersänger" über das Internet.

    Schäfer-Noske: Auch organisatorisch gibt es ja was Neues. Denn das neue Leitungsduo soll ja keinen Vertrag auf Lebenszeit mehr erhalten. Wie lange werden denn die beiden nun im Amt sein?

    Schmitz: Das ist noch nicht so ganz klar. Da muss der Vertrag noch ausgehandelt werden. Es hieß, wie das üblich ist bei Intendantenverträgen, fünf, sieben oder zehn Jahre.

    Schäfer-Noske: Ist das denn in Ihren Augen eine gute Entscheidung, Herr Schmitz?

    Schmitz: Ich finde die Entscheidung gut. Es ist ein dynamisches Paar nach vorne, mit der Gewähr, dass die große Erfahrung, Bayreuth-Gediegenheit bewahrt bleibt. Eva steht dafür, Katharina eben für das Junge. Man hätte doch mit Nike und Mortier ein recyceltes 68er-Programm gehabt und der frische Wind bei Beibehaltung des dynastischen Prinzips finde ich sehr schön.

    Schäfer-Noske: Das neue Leitungsduo der Bayreuther Festspiele heißt Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier. So hat es der Stiftungsrat am Nachmittag entschieden. Christoph Schmitz berichtete.