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Die politische Blockade ist perfekt

Italien steckt mit beiden Füßen tief in der Krise. Eine neue Regierung ist nicht in Sicht und die Wirtschaft lahmt weiter. Ein Expertengremium soll nun Entscheidungen treffen, die eigentlich eine Regierung trifft. Neuwahlen sind derzeit so gut wie ausgeschlossen.

Von Felix Lincke | 02.04.2013
    Eigentlich sind die gigantischen Staatsschulden von Italien, die sich auf mehr als zweitausend Milliarden Euro belaufen, nur dann tragfähig, wenn das Land wenigstens ein minimales Wirtschaftswachstum aufweist. Doch das Gegenteil ist der Fall, Italien ist mit der schwersten Wirtschaftskrise seit zwei Jahrzehnten konfrontiert. Experten haben für 2013 vorausgesagt, das Bruttoinlandsprodukt werde um 1,3 Prozent schrumpfen. Die schwache Wirtschaftsleistung vom vierten Quartal war also nur ein weiterer Schritt auf dem Weg nach unten. Die hohe Arbeitslosigkeit, die bei den Jugendlichen nur noch in Portugal, Spanien und Griechenland schlimmer ist, - ging im Februar minimal zurück.

    Seit dem letzten Sommer ist das der erste Hoffnungsschimmer auf dem Arbeitsmarkt. Vielleicht ist es ja ein gutes Zeichen für die Regierungsbildung. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat zwei Expertengruppen damit beauftragt, Gesetzesvorschläge erarbeiten, über die anschließend das geteilte Parlament abstimmen könnte. David Kohl ist Experte für Staatsanleihen beim Bankhaus Julius Bär:

    "Jede Idee ist wahrscheinlich willkommen in dieser verfahrenen Situation. Neuwahlen sind ja so gut wie ausgeschlossen, das heißt hier versucht man erst mal tatsächlich diese politische Sackgasse aufzubrechen, hier wirklich Vorschläge zu machen, und zu einer Regierung zu kommen, wäre schon mal sehr viel wert."

    Doch die politische Blockade scheint perfekt zu sein. Die etablierten Alt-Parteien, die zuvor in verschiedenen Konstellationen bereits Regierungen gebildet haben, werden von der Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo in Schach gehalten. Vito Crimi ist Fraktionschef von Fünf-Sterne im römischen Senat:

    "Wir sagen, dass es keine Voraussetzungen gibt, dafür, dass wir einer Regierung das Vertrauen aussprechen, die von diesen Parteien gebildet wird, sei es nun für eine politische oder eine technische Regierung: Es gibt nicht die Voraussetzungen für eine solche Entscheidung."

    Schon vor dem politischen Stillstand hat die italienische Wirtschaft viel von ihrer früheren Wettbewerbsfähigkeit und Exportstärke verloren. Dem Einkaufsmanagerindex von Markit zufolge plant die Industrie den Abbau weiterer Stellen. Die Rezession belastet auch die italienischen Banken, die immer mehr Kredite abschreiben müssen:

    Kohl: "Allerdings muss man sagen, das Geschäftsmodell der Banken selbst ist relativ solide, insbesondere wenn man es vergleicht mit dem Geschäftsmodell, was spanische Banken uns vorgelegt haben, was irische Banken uns vorgelebt haben, oder was zyprische Banken uns vorgelebt haben. Das heißt hier: Das ganz normale Kreditgeschäft und das ganz normale Kundengeschäft leidet natürlich in einer wirtschaftlich schweren Zeit."

    Für die Refinanzierung der Staatsschulden ist David Kohl optimistisch: Auch wenn die Regierung in Rom inzwischen deutlich höhere Zinsen zahlen muss und der Schuldendienst sich dadurch erheblich verteuert. Solange es keine grundlegenden Liquiditätsprobleme im gesamten Euroraum gebe, sagt der Analyst, werde für Italien Geld in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Von Italien sagt man auch, dass es zumindest eine Zeit lang ganz gut ohne Regierung durchhält. Bevor es zu Neuwahlen kommt, müssten die Parteien sich zuerst auf einen neuen Präsidenten einigen, der diese Neuwahlen dann aufruft. Aber selbst dafür wäre im Moment wohl keine Mehrheit vorhanden.


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