Jasper Barenberg: Sauberer Strom, sichere Versorgung, bezahlbare Preise – inzwischen wirkt dieses Versprechen der Bundesregierung schon wie aus einer anderen Zeit. Immer hitziger wird die Debatte über die Energiewende derzeit und immer mehr kreist sie vor allem um einen Punkt: Strom wird schlicht zu teuer. Verbraucherschützer sehen die Grenze der Belastbarkeit erreicht, der Energiekonzern Vattenfall kalkuliert einen Anstieg der Stromkosten um ein Drittel in den nächsten Jahren. Und auch der Schuldige scheint schon ausgemacht; der Vorwurf lautet, die Kosten für die erneuerbaren Energien laufen aus dem Ruder – ein Angriff vor allem auf die Umlage für den Ökostrom, die wir alle mit unserer Stromrechnung bezahlen. Ist dieser Alarm gerechtfertigt, oder nutzen die Gegner der Energiewende das Preisargument nur, um zum Gegenschlag auszuholen? Die Kosten werden heute gewiss ein zentrales Thema auch sein beim Treffen von Umweltminister Peter Altmaier mit Arbeitgebern und Gewerkschaften im Kanzleramt. Wir wollen in den nächsten Minuten darüber mit Robert Habeck von Bündnis 90/Die Grünen sprechen, Minister unter anderem für Energiewende und Umwelt in Schleswig-Holstein. Einen schönen guten Morgen.
Robert Habeck: Guten Morgen, Herr Barenberg!
Barenberg: Herr Habeck, eines ist ja immerhin absehbar: Die Umlage für den Ökostrom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz wird im Herbst steigen, und zwar deutlich: bis zu 50 Prozent, sagen einige Fachleute voraus. Liegt da nicht das Argument auf der Hand, dass es die Erneuerbaren sind, die inzwischen die Preise in die Höhe treiben?
Habeck: Also richtig ist – Sie sagten das ja in der Eingangsmoderation oder Sie fragten es in der Eingangsmoderation -, hat die Energiewende ihren Preis. Ja, das hat sie. Die Umlage, die EEG-Umlage wird vermutlich steigen. Prognosen kenne ich nicht, solide Prognosen, aber Altmaier hat in meiner Gegenwart auch von fünf Cent gesprochen, und er ist immerhin der Bundesumweltminister. Also ja, die Energiewende kostet etwas, und ja, die Preisdebatte muss geführt werden, und ja, Sie haben recht, die Preisdebatte wird instrumentalisiert, um die Energiewende auszubremsen.
Barenberg: Inwiefern?
Habeck: Erstens muss man sagen, dass der Stromanteil am Haushaltseinkommen 2,2 Prozent ausmacht nach einer Berechnung der Bundesregierung, und davon macht die EEG-Umlage 0,3 Prozent aus. Das heißt, für die allermeisten Haushalte liegt der viel höhere Preis für Energie im Wärmebereich - deutlich höher. Allerdings ist das richtig, dass in dem unteren Einkommenssegment 0,3 Prozent EEG-Umlage, also etwa 140 Euro für einen Durchschnittshaushalt, schon spürbar sind und was ausmachen, und da muss man auch Lösungen finden, wie man die Leute entlasten kann, wie man kostenlose Energieberatung vielleicht zur Verfügung stellt, oder wie der Stromversorger auch Beratung oder Geräte schafft, Tarife zur Verfügung stellt, die dann gleich gekoppelt sind mit kleinen Subventionen von energiesparenden Geräten. Also da gibt es Lösungen, und das muss nicht dazu führen, dass man die EEG-Umlage insgesamt in Frage stellt. Die Diskussion selbst ist einfach viel zu unspezifisch, weil alle Energieträger über einen Kamm geschert werden.
Barenberg: Wir sollen also mehr sparen, um steigende Preise für Strom dann noch bezahlen zu können?
Habeck: Richtig. Aber das führt eben auch dazu, dass die verbleibende Zahl der Kilowattstunden noch mal teurer wird. Das ist sozusagen der Sinn des EEG, dass der Druck auf den Preis dazu führt, dass man immer mehr Strom einspart. Im letzten Jahrzehnt haben die Privathaushalte, muss man ehrlicherweise sagen – die Industrie hält sich ja noch ganz schön vornehm zurück beim Energiesparen und auch bei der EEG-Umlage - etwa 20 Prozent Strom eingespart, und das führt eben auch dazu, dass die Kilowattstunde selbst verteuert wird. Aber das ist politisch ja so gewollt. Es ist ja der Sinn der Übung, dass wir nicht blind weiter Strom produzieren und mit Strom aasen können, sondern dass wir unser Verbrauchsverhalten ändern.
Barenberg: Vor dem Spitzentreffen heute im Kanzleramt fordern die Gewerkschaften, fordert ver.di zumindest einen Sozialausgleich für die steigenden Strompreise. Das sei notwendig, um die höheren Belastungen für Menschen mit sehr geringen Einkommen zu vermeiden. Würden Sie so etwas zustimmen?
Habeck: Also ich kann mir vorstellen, dass der Strom mit berechnet wird, stärker mit berechnet wird meinetwegen bei der Hartz-IV-Umlage. Aber was nicht richtig ist, dass man ein Kontingent zur Verfügung stellt, das quasi nichts kostet, weil die Energiewende eigentlich nur so funktionieren kann, dass wir unser Verbrauchsverhalten überdenken, dass wir den Strom dann nehmen, wenn er vor allem da ist, dass die Technologie dafür marktreif wird und eingeführt wird, und nicht immer nur Strich gefahren wird und Strich verbraucht wird, und das würde dem Prinzip widersprechen, wenn man sagt, hier in einem bestimmten Bereich kostet Strom gar nichts. Das würde nicht sinnvoll sein. Richtiger ist es, das, was ich angesprochen habe, zu machen und eine Beratung einzuführen beziehungsweise dass meinetwegen die Stadtwerke dafür sorgen, dass mit einem gewissen Stromtarif oder in einem gewissen Stromtarifsegment gleich Strom sparende Geräte subventioniert werden.
Barenberg: Der Präsident des Bundeskartellamts hat sich zu Wort gemeldet und hat gemahnt, dass die Förderung der erneuerbaren Energie in eine Schieflage geraten ist und jedes vernünftige Maß gesprengt hat. Müssen wir über grundsätzliche Änderungen an dieser Umlage und damit auch an dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sprechen?
Habeck: Wissen Sie, was mich am meisten ärgert, ist, dass wir so unspezifisch diskutieren, und das ärgert mich auch an Peter Altmaier, den ich persönlich zwar sehr schätze, von dem ich auch annehme, dass er die Energiewende will und der die Probleme konkret benennt, aber er antwortet nicht und er redet immer nur abstrus oder abstrakt von zu viel Wind im System oder den Erneuerbaren, und man muss sich schon genauer anschauen, welche Erneuerbaren man adressiert und wie man damit umgeht. Richtig ist, dass das EEG immer überprüft werden muss. Das wird es auch. Das EEG hat schon jetzt starke Instrumente, die Preise anzupassen, eine Degression einzuführen, also auch die Vergütung zu senken, wenn sich die Bedingungen der Produktion ändern, und es spricht überhaupt nichts dagegen, die immer wieder und auch vielleicht schärfer zu nutzen – allerdings innerhalb des EEG-Systems, denn das ist letztlich das Herz der Energiewende.
Barenberg: Apropos zu viel Wind. Der Umweltminister, Peter Altmaier, hat inzwischen ja offenkundig selbst Angst und Bange, zum Beispiel, wenn es um mehr Energie aus Windkraft geht, und damit sind wir in Schleswig-Holstein. Lassen Sie uns mal hören, was er gestern hier im Deutschlandfunk gesagt hat.
O-Ton Peter Altmaier: "… im Grunde erfreulich, dass die Bundesländer sich die Energiewende zu eigen machen und dass sie sich ehrgeizige Ziele stecken. Aber wir müssen diese Ziele aufeinander abstimmen, und beispielsweise ist es so, dass wir beim Ausbau der Windenergie im Augenblick so einen kleinen Wettlauf erleben zwischen den nördlichen Bundesländern und den südlichen Bundesländern. Das kann aber im Ergebnis dazu führen, dass wir 50 Prozent, 60 Prozent mehr Windenergie haben, als wir mittelfristig verkraften können, und deshalb brauchen wir ein abgestimmtes Konzept von Bund und Ländern, wie viel Windenergie in den nächsten Jahren wo ausgebaut wird."
Barenberg: So weit Peter Altmaier, der Bundesumweltminister. – Herr Habeck, sind Sie denn bereit – Schleswig-Holstein hat ja ehrgeizige Ziele, was den Ausbau der Windkraft angeht, besonders in großen Windparks vor den Küsten -, sind Sie bereit, Abstand zu nehmen von diesen ehrgeizigen Plänen?
Habeck: Also erst mal muss man sagen, dass Altmaier natürlich recht hat. Wer hätte schon etwas gegen ein abgestimmtes Konzept. Aber das ist genau das, was ich meinte: Was verbirgt sich denn dahinter? Wovon redet er eigentlich? Und wenn wir von Wind reden, dann müssen wir uns erst mal klar werden: Reden wir von Offshore, oder reden wir von Onshore, reden wir von den Mühlen auf dem Meer, oder reden wir von den Mühlen an Land? Wenn wir von Offshore reden – auch da hat Altmaier einen Punkt: Die Bürgschaften, die jetzt in Milliardenhöhe gestellt werden, von den Verbrauchern gestellt werden, dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass die Betreiber von Offshore-Windparks jetzt einfach wie bekloppt drauf losbauen und der Verbraucher das alles zahlen muss. Also da einen abgestimmten Fahrplan vorzunehmen bei Offshore, der teureren Windform, dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.
Bei Onshore ist es so, dass Onshore jetzt der Preisdrücker im EEG ist. Die Onshore-Windstunde, also die auf Land produzierte Windstunde, ist so preisgünstig wie jetzt schon fossile Kraftwerke. Wir haben das einmal in Schleswig-Holstein durchgerechnet, weil wir ja mit dieser Debatte permanent leben müssen. Würde der Energiemix in Deutschland so sein wie in Schleswig-Holstein, wäre die EEG-Umlage drei Cent günstiger, drei Cent billiger, und das ist einschließlich der Netzausbaukosten gerechnet, die wir noch dazu drauflegen müssen, also den Cent ungefähr, den der Verbraucher zahlen muss, weil wir Netze brauchen, um in die Versorgungszentren in den Süden zu kommen. Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn wir von Wind reden, sollten wir aufhören, unspezifisch da herzureden. Bei Offshore muss man genau hingucken. Onshore auszubremsen, würde das EEG nur teurer machen.
Barenberg: Aber ich habe den Bundesumweltminister ja richtig verstanden, dass wir Gefahr laufen, zu viel Wind zu produzieren, auch in Schleswig-Holstein?
Habeck: Ja, das weiß ich eben nicht. Ich verstehe den Bundesumweltminister auch nicht immer richtig, was er genau meint. Er redet ja immer nur von Wind und dann sagt er nicht, an Land oder auf dem Wasser oder vor welchen Küsten, sondern er redet einfach nur. Für Schleswig-Holstein gilt, dass wir uns nach Fukushima entschieden haben, die zuvor nuklear und fossil produzierte Energie erneuerbar zu ersetzen. Das entspricht ungefähr 300 Prozent dem, was Schleswig-Holstein selbst verbraucht, weil es ein kleines Land ist. Das ist aber genau das oder entspricht etwa dem, was davor fossil und nuklear geplant war. Wir hatten drei AKWs und wir hatten Pläne für drei oder vier Kohlekraftblöcke im Land, große Kohlekraftblöcke im Land. Kein Mensch hat gesagt, oh, Schleswig-Holstein produziert aber mit drei AKWs und den vielen Kohlekraftwerken viel mehr Strom, als es selber braucht. Also diese Rechnung, die wir jetzt fürs EEG führen, die ist tatsächlich eine politisch motivierte. Hätten wir die geführt, als wir die AKWs errichtet hatten, dann hätten wir niemals Atomkraftwerke bekommen.
Barenberg: Wie groß ist denn der Konflikt – das zum Schluss, Herr Habeck – mit beispielsweise Bayern und anderen Bundesländern im Süden?
Habeck: Den sehe ich eigentlich weniger. Es ist weniger ein Konflikt zwischen den Ländern. Klar gibt es da Länderinteressen, die sind auch berechtigt. Jeder Politiker, der für sein Land gewählt wurde, muss da auch ein Stück weit draufschauen. Aber die lassen sich alle auf einen rationalen Kern zurückführen. Jedenfalls mit den Kollegen, mit denen ich eng zusammenarbeite, halte ich da alle Gespräche für so fundiert, dass die Konflikte lösbar sind. Der Konflikt ist ein politischer, es geht um Verteilungskampf zwischen der großen Industrie und auch der noch immer nuklear produzierenden Industrie und den erneuerbaren Energien. Jede Kilowattstunde, die durch Wind oder Solar oder Biomasse produziert wird, wird nicht durch Atomkraftwerke oder Kohlekraftwerke produziert, das ist ein Verteilungskampf, und wenn ich den Vattenfall-Chef reden höre, der sagt, jetzt wird der Strompreis teurer, und gleichzeitig in Krümmel war vor ein paar Wochen und weiß, dass die das Ding nicht abschalten wollen, das Atomkraftwerk, dann muss ich nur eins und eins zusammenzählen.
Barenberg: … sagt Robert Habeck von Bündnis 90/Die Grünen, Minister für Energiewende und Umwelt in Schleswig-Holstein. Vielen Dank!
Habeck: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Robert Habeck: Guten Morgen, Herr Barenberg!
Barenberg: Herr Habeck, eines ist ja immerhin absehbar: Die Umlage für den Ökostrom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz wird im Herbst steigen, und zwar deutlich: bis zu 50 Prozent, sagen einige Fachleute voraus. Liegt da nicht das Argument auf der Hand, dass es die Erneuerbaren sind, die inzwischen die Preise in die Höhe treiben?
Habeck: Also richtig ist – Sie sagten das ja in der Eingangsmoderation oder Sie fragten es in der Eingangsmoderation -, hat die Energiewende ihren Preis. Ja, das hat sie. Die Umlage, die EEG-Umlage wird vermutlich steigen. Prognosen kenne ich nicht, solide Prognosen, aber Altmaier hat in meiner Gegenwart auch von fünf Cent gesprochen, und er ist immerhin der Bundesumweltminister. Also ja, die Energiewende kostet etwas, und ja, die Preisdebatte muss geführt werden, und ja, Sie haben recht, die Preisdebatte wird instrumentalisiert, um die Energiewende auszubremsen.
Barenberg: Inwiefern?
Habeck: Erstens muss man sagen, dass der Stromanteil am Haushaltseinkommen 2,2 Prozent ausmacht nach einer Berechnung der Bundesregierung, und davon macht die EEG-Umlage 0,3 Prozent aus. Das heißt, für die allermeisten Haushalte liegt der viel höhere Preis für Energie im Wärmebereich - deutlich höher. Allerdings ist das richtig, dass in dem unteren Einkommenssegment 0,3 Prozent EEG-Umlage, also etwa 140 Euro für einen Durchschnittshaushalt, schon spürbar sind und was ausmachen, und da muss man auch Lösungen finden, wie man die Leute entlasten kann, wie man kostenlose Energieberatung vielleicht zur Verfügung stellt, oder wie der Stromversorger auch Beratung oder Geräte schafft, Tarife zur Verfügung stellt, die dann gleich gekoppelt sind mit kleinen Subventionen von energiesparenden Geräten. Also da gibt es Lösungen, und das muss nicht dazu führen, dass man die EEG-Umlage insgesamt in Frage stellt. Die Diskussion selbst ist einfach viel zu unspezifisch, weil alle Energieträger über einen Kamm geschert werden.
Barenberg: Wir sollen also mehr sparen, um steigende Preise für Strom dann noch bezahlen zu können?
Habeck: Richtig. Aber das führt eben auch dazu, dass die verbleibende Zahl der Kilowattstunden noch mal teurer wird. Das ist sozusagen der Sinn des EEG, dass der Druck auf den Preis dazu führt, dass man immer mehr Strom einspart. Im letzten Jahrzehnt haben die Privathaushalte, muss man ehrlicherweise sagen – die Industrie hält sich ja noch ganz schön vornehm zurück beim Energiesparen und auch bei der EEG-Umlage - etwa 20 Prozent Strom eingespart, und das führt eben auch dazu, dass die Kilowattstunde selbst verteuert wird. Aber das ist politisch ja so gewollt. Es ist ja der Sinn der Übung, dass wir nicht blind weiter Strom produzieren und mit Strom aasen können, sondern dass wir unser Verbrauchsverhalten ändern.
Barenberg: Vor dem Spitzentreffen heute im Kanzleramt fordern die Gewerkschaften, fordert ver.di zumindest einen Sozialausgleich für die steigenden Strompreise. Das sei notwendig, um die höheren Belastungen für Menschen mit sehr geringen Einkommen zu vermeiden. Würden Sie so etwas zustimmen?
Habeck: Also ich kann mir vorstellen, dass der Strom mit berechnet wird, stärker mit berechnet wird meinetwegen bei der Hartz-IV-Umlage. Aber was nicht richtig ist, dass man ein Kontingent zur Verfügung stellt, das quasi nichts kostet, weil die Energiewende eigentlich nur so funktionieren kann, dass wir unser Verbrauchsverhalten überdenken, dass wir den Strom dann nehmen, wenn er vor allem da ist, dass die Technologie dafür marktreif wird und eingeführt wird, und nicht immer nur Strich gefahren wird und Strich verbraucht wird, und das würde dem Prinzip widersprechen, wenn man sagt, hier in einem bestimmten Bereich kostet Strom gar nichts. Das würde nicht sinnvoll sein. Richtiger ist es, das, was ich angesprochen habe, zu machen und eine Beratung einzuführen beziehungsweise dass meinetwegen die Stadtwerke dafür sorgen, dass mit einem gewissen Stromtarif oder in einem gewissen Stromtarifsegment gleich Strom sparende Geräte subventioniert werden.
Barenberg: Der Präsident des Bundeskartellamts hat sich zu Wort gemeldet und hat gemahnt, dass die Förderung der erneuerbaren Energie in eine Schieflage geraten ist und jedes vernünftige Maß gesprengt hat. Müssen wir über grundsätzliche Änderungen an dieser Umlage und damit auch an dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sprechen?
Habeck: Wissen Sie, was mich am meisten ärgert, ist, dass wir so unspezifisch diskutieren, und das ärgert mich auch an Peter Altmaier, den ich persönlich zwar sehr schätze, von dem ich auch annehme, dass er die Energiewende will und der die Probleme konkret benennt, aber er antwortet nicht und er redet immer nur abstrus oder abstrakt von zu viel Wind im System oder den Erneuerbaren, und man muss sich schon genauer anschauen, welche Erneuerbaren man adressiert und wie man damit umgeht. Richtig ist, dass das EEG immer überprüft werden muss. Das wird es auch. Das EEG hat schon jetzt starke Instrumente, die Preise anzupassen, eine Degression einzuführen, also auch die Vergütung zu senken, wenn sich die Bedingungen der Produktion ändern, und es spricht überhaupt nichts dagegen, die immer wieder und auch vielleicht schärfer zu nutzen – allerdings innerhalb des EEG-Systems, denn das ist letztlich das Herz der Energiewende.
Barenberg: Apropos zu viel Wind. Der Umweltminister, Peter Altmaier, hat inzwischen ja offenkundig selbst Angst und Bange, zum Beispiel, wenn es um mehr Energie aus Windkraft geht, und damit sind wir in Schleswig-Holstein. Lassen Sie uns mal hören, was er gestern hier im Deutschlandfunk gesagt hat.
O-Ton Peter Altmaier: "… im Grunde erfreulich, dass die Bundesländer sich die Energiewende zu eigen machen und dass sie sich ehrgeizige Ziele stecken. Aber wir müssen diese Ziele aufeinander abstimmen, und beispielsweise ist es so, dass wir beim Ausbau der Windenergie im Augenblick so einen kleinen Wettlauf erleben zwischen den nördlichen Bundesländern und den südlichen Bundesländern. Das kann aber im Ergebnis dazu führen, dass wir 50 Prozent, 60 Prozent mehr Windenergie haben, als wir mittelfristig verkraften können, und deshalb brauchen wir ein abgestimmtes Konzept von Bund und Ländern, wie viel Windenergie in den nächsten Jahren wo ausgebaut wird."
Barenberg: So weit Peter Altmaier, der Bundesumweltminister. – Herr Habeck, sind Sie denn bereit – Schleswig-Holstein hat ja ehrgeizige Ziele, was den Ausbau der Windkraft angeht, besonders in großen Windparks vor den Küsten -, sind Sie bereit, Abstand zu nehmen von diesen ehrgeizigen Plänen?
Habeck: Also erst mal muss man sagen, dass Altmaier natürlich recht hat. Wer hätte schon etwas gegen ein abgestimmtes Konzept. Aber das ist genau das, was ich meinte: Was verbirgt sich denn dahinter? Wovon redet er eigentlich? Und wenn wir von Wind reden, dann müssen wir uns erst mal klar werden: Reden wir von Offshore, oder reden wir von Onshore, reden wir von den Mühlen auf dem Meer, oder reden wir von den Mühlen an Land? Wenn wir von Offshore reden – auch da hat Altmaier einen Punkt: Die Bürgschaften, die jetzt in Milliardenhöhe gestellt werden, von den Verbrauchern gestellt werden, dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass die Betreiber von Offshore-Windparks jetzt einfach wie bekloppt drauf losbauen und der Verbraucher das alles zahlen muss. Also da einen abgestimmten Fahrplan vorzunehmen bei Offshore, der teureren Windform, dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.
Bei Onshore ist es so, dass Onshore jetzt der Preisdrücker im EEG ist. Die Onshore-Windstunde, also die auf Land produzierte Windstunde, ist so preisgünstig wie jetzt schon fossile Kraftwerke. Wir haben das einmal in Schleswig-Holstein durchgerechnet, weil wir ja mit dieser Debatte permanent leben müssen. Würde der Energiemix in Deutschland so sein wie in Schleswig-Holstein, wäre die EEG-Umlage drei Cent günstiger, drei Cent billiger, und das ist einschließlich der Netzausbaukosten gerechnet, die wir noch dazu drauflegen müssen, also den Cent ungefähr, den der Verbraucher zahlen muss, weil wir Netze brauchen, um in die Versorgungszentren in den Süden zu kommen. Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn wir von Wind reden, sollten wir aufhören, unspezifisch da herzureden. Bei Offshore muss man genau hingucken. Onshore auszubremsen, würde das EEG nur teurer machen.
Barenberg: Aber ich habe den Bundesumweltminister ja richtig verstanden, dass wir Gefahr laufen, zu viel Wind zu produzieren, auch in Schleswig-Holstein?
Habeck: Ja, das weiß ich eben nicht. Ich verstehe den Bundesumweltminister auch nicht immer richtig, was er genau meint. Er redet ja immer nur von Wind und dann sagt er nicht, an Land oder auf dem Wasser oder vor welchen Küsten, sondern er redet einfach nur. Für Schleswig-Holstein gilt, dass wir uns nach Fukushima entschieden haben, die zuvor nuklear und fossil produzierte Energie erneuerbar zu ersetzen. Das entspricht ungefähr 300 Prozent dem, was Schleswig-Holstein selbst verbraucht, weil es ein kleines Land ist. Das ist aber genau das oder entspricht etwa dem, was davor fossil und nuklear geplant war. Wir hatten drei AKWs und wir hatten Pläne für drei oder vier Kohlekraftblöcke im Land, große Kohlekraftblöcke im Land. Kein Mensch hat gesagt, oh, Schleswig-Holstein produziert aber mit drei AKWs und den vielen Kohlekraftwerken viel mehr Strom, als es selber braucht. Also diese Rechnung, die wir jetzt fürs EEG führen, die ist tatsächlich eine politisch motivierte. Hätten wir die geführt, als wir die AKWs errichtet hatten, dann hätten wir niemals Atomkraftwerke bekommen.
Barenberg: Wie groß ist denn der Konflikt – das zum Schluss, Herr Habeck – mit beispielsweise Bayern und anderen Bundesländern im Süden?
Habeck: Den sehe ich eigentlich weniger. Es ist weniger ein Konflikt zwischen den Ländern. Klar gibt es da Länderinteressen, die sind auch berechtigt. Jeder Politiker, der für sein Land gewählt wurde, muss da auch ein Stück weit draufschauen. Aber die lassen sich alle auf einen rationalen Kern zurückführen. Jedenfalls mit den Kollegen, mit denen ich eng zusammenarbeite, halte ich da alle Gespräche für so fundiert, dass die Konflikte lösbar sind. Der Konflikt ist ein politischer, es geht um Verteilungskampf zwischen der großen Industrie und auch der noch immer nuklear produzierenden Industrie und den erneuerbaren Energien. Jede Kilowattstunde, die durch Wind oder Solar oder Biomasse produziert wird, wird nicht durch Atomkraftwerke oder Kohlekraftwerke produziert, das ist ein Verteilungskampf, und wenn ich den Vattenfall-Chef reden höre, der sagt, jetzt wird der Strompreis teurer, und gleichzeitig in Krümmel war vor ein paar Wochen und weiß, dass die das Ding nicht abschalten wollen, das Atomkraftwerk, dann muss ich nur eins und eins zusammenzählen.
Barenberg: … sagt Robert Habeck von Bündnis 90/Die Grünen, Minister für Energiewende und Umwelt in Schleswig-Holstein. Vielen Dank!
Habeck: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.