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Die Ukraine zwischen West und Ost

Der russische Präsident Wladimir Putin will als Pendant zur EU eine Eurasischen Union gründen. Mit an Bord soll nach seinen Vorstellungen die Ukraine. Die aber strebt eine Annäherung an Brüssel an. Putin verfügt allerdings über Druckmittel.

Von Gesine Dornblüth | 26.07.2013
    In der Moskauer Metro werben Plakate für Pilgerfahrten. "Billig zu den heiligen Stätten Russlands", steht darauf. Die Inseln Solovki und Walaam im russischen Norden sind aufgeführt, ebenso wie die Halbinsel Krim und Kiew. Die beiden Orte gehören bekanntlich zur Ukraine.

    Dass die russisch-orthodoxe Kirche sich am liebsten ganz mit den Bruderkirchen in der Ukraine und auch in Weißrussland vereinigen würde, ist nicht neu. In diesen Tagen begehen die orthodoxen Gläubigen der drei Staaten denn auch gemeinsam den 1025. Jahrestag der Taufe der Heiligen Rus, des mittelalterlichen slawischen Reiches. Der russische Patriarch Kirill erklärte im Vorfeld, nur mittels einer "Einheit der Überzeugungen" könne man die Verständigung zwischen den Brüdervölkern erhalten und jenen Kräften entgegentreten, die eine Spaltung wollten.

    Das dürfte ganz im Sinne von Präsident Putin sein. Er drängt auf einen politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluss der Staaten. Es geht um die Zollunion. Ihr gehören bisher Weißrussland, Russland und Kasachstan an. Demnächst soll daraus die Eurasische Union werden, eine Art Gegenentwurf zur EU in den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion – das Baltikum ausgenommen. Das Flächenland Ukraine ist dabei wichtig. Wladimir Putin bei einem Investitionsforum:

    "Wir haben bereits eine riesige Kooperation. Das ist ja auch klar. Denn wir hatten eine gemeinsame Volkswirtschaft in der Sowjetunion. Wir haben ein gemeinsames Energiesystem, gemeinsame Verkehrswege, unsere Mentalität ist gleich und auch die Sprache. Wenn sich die Europäer treffen, brauchen sie erst mal 27 Dolmetscher. Wir haben solche Probleme nicht. Die Ukrainer müssen begreifen, dass sie von der Integration im postsowjetischen Raum profitieren."

    Allein: Die Ukraine sperrt sich. Sie strebt stattdessen ein Assoziierungsabkommen mit der EU an. Aus Brüssel und aus Kiew heißt es, das Abkommen könnte eventuell bereits im November unterzeichnet werden. Bedingung ist allerdings, dass die Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko aus der Haft entlassen wird und dass die Regierung aufhört, politischen Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Der russische Abgeordnete Aleksej Puschkow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und immer für antieuropäische Ausfälle zu haben, fühlt sich bemüßigt, der Ukraine Ratschläge zu geben:

    "Besondere Beziehungen zur EU heißt Abhängigkeit von der EU.
    Dass die Ukraine mit der Assoziierung ihre Souveränität verliert, ist offenkundig. Denn schon jetzt sagt man ihr: Bevor wir das Abkommen unterschreiben, müsst ihr Timoschenko freilassen. Was bitte geht es die EU an, ob Timoschenko im Gefängnis sitzt oder nicht. Das ist Sache der Ukraine. Das ist ein Diktat. Trotzdem tun die ukrainischen Eliten so, als führten sie Verhandlungen auf Augenhöhe. Und sie geben dabei ein äußerst schwaches Bild ab."

    Die gewöhnlich gut informierte russische Zeitung Kommersant geht davon aus, dass Präsident Putin seinen Besuch bei der großen Kirchenfeier am Samstag in Kiew nutzen wird, um seinen ukrainischen Amtskollegen Janukowitsch vor den Folgen einer Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der EU zu warnen. Russland hat einige Druckmittel zur Verfügung. Es droht damit, die Importzölle für ukrainische Produkte zu erhöhen.

    Vor allem aber kann Russland über den Gaspreis empfindlichen Einfluss auf die ukrainische Wirtschaft ausüben. Noch immer gilt der noch von Julia Timoschenko ausgehandelte für die Ukraine äußerst ungünstige Gasliefervertrag. Fünf Mal war Janukowitsch deshalb bei Putin vorstellig, seit der wieder Präsident ist. Ohne nennenswerte Ergebnisse.

    Konfliktstoff gibt es also reichlich. Wenn am Samstag aus Anlass der 1025-Jahr-Feier in Weißrussland, der Ukraine und Russland gleichzeitig die Kirchenglocken läuten, wird das die Konflikte allenfalls übertönen.