Im mittleren Rheintal ist wahrhaftig kein Mangel an Burgen. Wer zwischen Koblenz und Bingen unterwegs ist, sieht überall Türme und Zinnen aus Wäldern und Weinbergen auftauchen. Doch eine Burg sticht heraus: Wie ein Schiff liegt sie auf einer kleinen Insel mitten im Strom. Bei hohem Wasserstand klatschen die Wellen gegen die hellen Steinquader der Ringmauer, die sich eng um den mächtigen, fünfeckigen Wehrturm zieht. Das ist der Pfalzgrafenstein bei Kaub, einst eine Zollstelle im Rhein - und gut 500 Jahre lang ein kostbarer Besitz des Hauses Wittelsbach.
Über eine schmale Holztreppe geht Angela Kaiser-Lahme zum Tor des Pfalzgrafensteins hinauf. Der Aufstieg der Wittelsbacher zu einem der bedeutendsten deutschen Adelsgeschlechter war eng mit der Burg auf der Rheininsel verknüpft, erzählt die Leiterin der Burgen- und Schlösserverwaltung Rheinland-Pfalz. Und sie haben diesen wichtigen Besitz immer entsprechend gesichert:
"Alles, was damals an technischer Neuerung aus Frankreich rüberkam, hat man hier umgesetzt, was wiederum zeigt, welche Bedeutung es hatte. Ich nehme jetzt mal die Fallgatter am Eingang, den Hocheingang – man konnte ja nur über eine Treppe hineinkommen, nicht ebenerdig – dann hier diese auskragenden Erker und auch die langen Schießscharten, die man unten sieht, mit denen Bogenschützen die Schiffe rechts und links bearbeiten konnten."
Die Wittelsbacher waren ursprünglich Herzöge in Bayern. Doch 1214 ernannte König Friedrich II. sie außerdem auch zu "Pfalzgrafen bei Rhein", mit Ländereien um Heidelberg, Bacharach und Alzey. Bald darauf übernahmen sie den "Pfalzgrafenstein", die Zollstelle bei Kaub.
"Der Zoll, der hier entnommen worden ist, war die wichtigste Einnahmequelle der Pfalzgrafen. Absolut die wichtigste. Deshalb war ja auch das Interesse aller so groß, eine Zollstelle am Rhein zu haben. Das war die wichtigste Verkehrsader des Mittelalters, man muss sich vorstellen, zwischen Bingen und Remagen gab es allein 14 Zollstellen. Wer diese Stellen hatte, der konnte auch richtig reich werden."
Als erster Wittelsbacher wurde Ludwig der Bayer 1314 zum deutschen König gewählt, einige Jahre später auch zum Kaiser gekrönt. Gemeinsam mit seinen Neffen Rudolf und Ruprecht aus Heidelberg traf er 1329 eine Entscheidung, die die Geschichte der Dynastie entscheidend prägte: Der Landbesitz der Wittelsbacher wurde geteilt. Eine Linie regierte fortan das bayerische Territorium, die andere die Pfalzgrafschaft an Rhein und Neckar. Außerdem legte der "Hausvertrag" fest: Starb eine Linie aus, musste die andere ihr Erbe antreten.
Obwohl die rheinischen Wittelsbacher nur über kleine, verstreute Ländereien zwischen Bacharach und Heidelberg herrschten, wurden sie zum dominierenden Zweig des Hauses: Weil die Zölle und die fruchtbaren Böden größere Einnahmen brachten. Und weil Ruprecht I. 1356 ein grandioser Coup gelang: In der berühmten "Goldenen Bulle" sicherte der Kaiser den Pfalzgrafen bei Rhein die Kurwürde zu, das Recht, den deutschen König zu wählen. Die "Kur-Pfalz" wurde zu einem der einflussreichsten Fürstentümer in Deutschland. Und die ehrgeizigen Kurpfälzer Wittelsbacher bauten sich eine repräsentative Residenz – heute die wohl berühmteste Ruine Deutschlands: das Heidelberger Schloss.
Jahr für Jahr zieht die malerische Anlage am Hang über der Stadt Hunderttausende Besucher aus aller Welt an. Das warme Rot der Mauern aus Odenwälder Sandstein sticht wirkungsvoll aus dem Grün der Bäume heraus, die Prunkfassaden der Paläste kontrastieren mit dem zerstörten Mauerwerk der mächtigen Rundtürme. Im Schlosshof zwischen Touristen mit Sonnenbrillen, Kinderwagen, Hunden und Limonadenkästen steht Bernd Schneidmüller, Professor für Mittelalterliche Geschichte in Heidelberg, und deutet auf einen schlichten, halb zerfallenen Palast gleich neben dem Tor.
"Die Schlossanlage in Heidelberg, die wir heute noch so schön sehen können, ist vor allen Dingen seit dem 15. Jahrhundert errichtet, der älteste Bau ist der so genannte Ruprechtsbau, in diesem Namen steckt auch der ursprüngliche Bauherr drin, das ist Ruprecht, der erste wittelsbachische König in Heidelberg, der von 1400 bis 1410 als römisch-deutscher König regierte und auch hier in Heidelberg begraben ist."
Als König spielte dieser Wittelsbacher keine herausragende Rolle. Bedeutsamer war sein Beschluss, in Heidelberg die erste Universität auf deutschem Boden zu gründen, zum Ruhm seiner Dynastie.
"Sie haben alles dafür getan, eine Repräsentationskultur zu entwickeln, die zeigt, wir sind die ersten Fürsten im Reich, wir sind königsgleich. Deshalb bauen sie dieses Schloss, deshalb bauen sie die Heiliggeistkirche in Heidelberg, deshalb gründen sie die Universität 1386, weil auch die Luxemburger und die Habsburger als die anderen königsfähigen Dynastien der deutschen Geschichte sich Universitäten in Prag und Wien leisten."
Sie wollten den konkurrierenden Adelshäusern damit ihren außergewöhnlichen Rang beweisen, erläutert Schneidmüller. Und weil man seinen Rang in der vor-neuzeitlichen Gesellschaft immer wieder neu erwerben musste, bauten sie auch ihr Schloss ständig um und aus, immer nach der aktuellen Mode.
Der "Ottheinrichsbau" war der erste Palast Deutschlands im italienischen Stil: Heute steht nur noch die Renaissancefassade aus rotem Sandstein, vier Stockwerke hoch. Durch die leeren oberen Fensterreihen leuchtet der blaue Himmel – Zeugnis des Niedergangs in späterer Zeit. Vom Portal herab grüßt aber noch immer das repräsentative Bildnis des selbstbewussten Bauherrn.
"Man sieht hier nur sein Gesicht mit dem rauschenden Vollbart, das ist das Zeichen des idealen Renaissanceherrschers, der sich seinen Untertanen präsentiert. Direkt über das Portal setzt Ottheinrich eine ganz berühmte Wappentrilogie, die ganz deutlich das kurpfälzische Selbstbewusstsein ausmacht: Wieder der kurpfälzische Löwe, die bayerischen Rauten und dazwischen, ganz wichtig, der Reichsapfel. Der Reichsapfel als Zeichen, dass wir hier einen Kurfürsten vor uns haben, einen der sieben Männer, der den römisch-deutschen König wählt und das Zeichen dieser Kurwürde ist der Kurschild mit dem Reichsapfel."
Als kurz nach 1600 schließlich der dritte große Palast des Schlosses erbaut wurde, der Friedrichsbau, waren die Kurpfälzer Wittelsbacher auf dem Gipfel ihrer Macht.
Auf den Höhepunkt folgte jedoch unmittelbar der jähe Absturz: Gleich zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges ließ sich der Heidelberger Pfalzgraf in den Konflikt zwischen protestantischen und katholischen Fürsten hineinziehen. Im Kampf um die Krone Böhmens erlitt er 1620 in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag eine furchtbare Niederlage. In der Folge verheerten Truppen der Katholischen Liga die Kurpfalz und zerstörten das Heidelberger Schloss. Als die eben wiederaufgebaute Residenz im Pfälzischen Erbfolgekrieg Ende des Jahrhunderts von französischen Soldaten erneut gesprengt wurde, gaben die Wittelsbacher ihren alten Stammsitz auf.
"In diesen Wirren gehen die Kurfürsten dann im 18. Jahrhundert nach Mannheim, und das bringt Heidelberg ein wenig in eine museale Phase, von der es eigentlich noch heute profitiert."
Welch ein Gegensatz! Die barocke Residenz in Mannheim steht am Rand der Innenstadt zwischen der Hauptbahnstrecke und einer verkehrsreichen Durchgangsstraße. Mit 440 Metern Länge vielleicht das größte Schloss Deutschlands, beeindruckt es vor allem durch seine Ausdehnung: An der schlichten, ockerfarbenen Fassade wechseln die Fenster in einer endlosen Reihe mit roten Standsteinpfeilern. Tatsächlich soll die Mannheimer Anlage genau ein Fenster mehr bekommen haben als das Schloss in Versailles.
Die Wittelsbacher begannen den Bau ihrer neuen Residenz 1720, erzählt Andreas Schenk, Architektur-Experte des Stadtarchivs Mannheim, 1760 wurde sie fertiggestellt.
"Es war hier die Idee, an diesem Ort, der tatsächlich nicht diese große Bedeutung bisher hatte, etwas ganz Neues zu schaffen, ein großes, repräsentatives Schloss nach dem Vorbild von Versailles, das hat man hier in Mannheim versucht. Der Kurfürst Carl Philipp, der das Schloss gegründet hat, ist ziemlich verärgert aus Heidelberg gegangen und er hatte wahrscheinlich schon lange die Idee gehabt, Heidelberg zu verlassen, weil das Heidelberger Schloss einfach nicht repräsentativ genug war. Es hat einfach auch nicht mehr dem zeitgenössischen Geschmack entsprochen, ein Schloss auf einem Berg. Was man eben damals wollte, das waren Schlossbauten, die sich in der Ebene ausdehnen und die dann auch einen repräsentativen Schlossgarten besitzen."
Wie das Schloss, das heute vor allem als Sitz der Mannheimer Universität dient, ist auch Mannheims Epoche als Residenzstadt weitgehend in Vergessenheit geraten – obwohl die kurpfälzischen Wittelsbacher auch hier Geschichte geschrieben haben: Weniger durch ihren politischen Einfluss als durch eine kurze, spektakuläre Kulturblüte. Die reich mit Stuck verzierten, von berühmten Künstlern ausgemalten Innenräume im Hauptgebäude zeigen das deutlicher als die Schlossfassade.
"Diese Verbindung von Politik, Militärwesen, Kunst und Kultur, das war das Ideal des Absolutismus. Das verkörpert sich auch in so einem Schlossgebäude, das ja einerseits Herrschaft ausdrücken möchte, andererseits aber auch den Künsten und der Kultur Gelegenheit gibt, sich zu entfalten."
Vor allem Carl Theodor, der zweite Kurfürst in Mannheim, tat sich als großzügiger Förderer der Künste hervor. Doch die Blüte war nur von kurzer Dauer. 1777 starb der letzte bayerische Wittelsbacher ohne einen Erben - und der alte Hausvertrag, vor rund 450 Jahren geschlossen, galt noch immer: Der Kurpfälzer musste nun auch die Herrschaft in Bayern übernehmen. Carl Theodor zog mit Ministern, Musikern und Kunstschätzen nach München um.
Die Region an Rhein und Neckar verlor danach ihre Bedeutung für die deutsche Politik. 1803 wurde das Fürstentum "Kurpfalz" aufgelöst und in die Pfalz, links des Rheins, und Baden, rechts der Rheins, geteilt. Dennoch hat die Epoche der Wittelsbacher dort tiefe Spuren hinterlassen: Zwischen Heidelberg und Mannheim bezeichnen viele Menschen ihre Heimat noch heute als "Kurpfalz". 600 Jahre Geschichte bleiben eben nicht folgenlos, konstatiert der Historiker Schneidmüller:
"Es gibt eine prägende Kraft von Geschichte, denn die Kurpfalz ist heute im Bewusstsein der Menschen an Rhein und Neckar außerordentlich präsent, das Bekenntnis der Menschen hier ist, dass sie Kurpfälzer sind, dass sie Kurpfälzisch sprechen, auch wenn diese Einheit vor mehr als 200 Jahren unterging."
Die Wittelsbacher am Rhein
Reiss-Engelhorn-Museen / Barockschloss Mannheim
8.9.2013 bis 2.3.2014
Über eine schmale Holztreppe geht Angela Kaiser-Lahme zum Tor des Pfalzgrafensteins hinauf. Der Aufstieg der Wittelsbacher zu einem der bedeutendsten deutschen Adelsgeschlechter war eng mit der Burg auf der Rheininsel verknüpft, erzählt die Leiterin der Burgen- und Schlösserverwaltung Rheinland-Pfalz. Und sie haben diesen wichtigen Besitz immer entsprechend gesichert:
"Alles, was damals an technischer Neuerung aus Frankreich rüberkam, hat man hier umgesetzt, was wiederum zeigt, welche Bedeutung es hatte. Ich nehme jetzt mal die Fallgatter am Eingang, den Hocheingang – man konnte ja nur über eine Treppe hineinkommen, nicht ebenerdig – dann hier diese auskragenden Erker und auch die langen Schießscharten, die man unten sieht, mit denen Bogenschützen die Schiffe rechts und links bearbeiten konnten."
Die Wittelsbacher waren ursprünglich Herzöge in Bayern. Doch 1214 ernannte König Friedrich II. sie außerdem auch zu "Pfalzgrafen bei Rhein", mit Ländereien um Heidelberg, Bacharach und Alzey. Bald darauf übernahmen sie den "Pfalzgrafenstein", die Zollstelle bei Kaub.
"Der Zoll, der hier entnommen worden ist, war die wichtigste Einnahmequelle der Pfalzgrafen. Absolut die wichtigste. Deshalb war ja auch das Interesse aller so groß, eine Zollstelle am Rhein zu haben. Das war die wichtigste Verkehrsader des Mittelalters, man muss sich vorstellen, zwischen Bingen und Remagen gab es allein 14 Zollstellen. Wer diese Stellen hatte, der konnte auch richtig reich werden."
Als erster Wittelsbacher wurde Ludwig der Bayer 1314 zum deutschen König gewählt, einige Jahre später auch zum Kaiser gekrönt. Gemeinsam mit seinen Neffen Rudolf und Ruprecht aus Heidelberg traf er 1329 eine Entscheidung, die die Geschichte der Dynastie entscheidend prägte: Der Landbesitz der Wittelsbacher wurde geteilt. Eine Linie regierte fortan das bayerische Territorium, die andere die Pfalzgrafschaft an Rhein und Neckar. Außerdem legte der "Hausvertrag" fest: Starb eine Linie aus, musste die andere ihr Erbe antreten.
Obwohl die rheinischen Wittelsbacher nur über kleine, verstreute Ländereien zwischen Bacharach und Heidelberg herrschten, wurden sie zum dominierenden Zweig des Hauses: Weil die Zölle und die fruchtbaren Böden größere Einnahmen brachten. Und weil Ruprecht I. 1356 ein grandioser Coup gelang: In der berühmten "Goldenen Bulle" sicherte der Kaiser den Pfalzgrafen bei Rhein die Kurwürde zu, das Recht, den deutschen König zu wählen. Die "Kur-Pfalz" wurde zu einem der einflussreichsten Fürstentümer in Deutschland. Und die ehrgeizigen Kurpfälzer Wittelsbacher bauten sich eine repräsentative Residenz – heute die wohl berühmteste Ruine Deutschlands: das Heidelberger Schloss.
Jahr für Jahr zieht die malerische Anlage am Hang über der Stadt Hunderttausende Besucher aus aller Welt an. Das warme Rot der Mauern aus Odenwälder Sandstein sticht wirkungsvoll aus dem Grün der Bäume heraus, die Prunkfassaden der Paläste kontrastieren mit dem zerstörten Mauerwerk der mächtigen Rundtürme. Im Schlosshof zwischen Touristen mit Sonnenbrillen, Kinderwagen, Hunden und Limonadenkästen steht Bernd Schneidmüller, Professor für Mittelalterliche Geschichte in Heidelberg, und deutet auf einen schlichten, halb zerfallenen Palast gleich neben dem Tor.
"Die Schlossanlage in Heidelberg, die wir heute noch so schön sehen können, ist vor allen Dingen seit dem 15. Jahrhundert errichtet, der älteste Bau ist der so genannte Ruprechtsbau, in diesem Namen steckt auch der ursprüngliche Bauherr drin, das ist Ruprecht, der erste wittelsbachische König in Heidelberg, der von 1400 bis 1410 als römisch-deutscher König regierte und auch hier in Heidelberg begraben ist."
Als König spielte dieser Wittelsbacher keine herausragende Rolle. Bedeutsamer war sein Beschluss, in Heidelberg die erste Universität auf deutschem Boden zu gründen, zum Ruhm seiner Dynastie.
"Sie haben alles dafür getan, eine Repräsentationskultur zu entwickeln, die zeigt, wir sind die ersten Fürsten im Reich, wir sind königsgleich. Deshalb bauen sie dieses Schloss, deshalb bauen sie die Heiliggeistkirche in Heidelberg, deshalb gründen sie die Universität 1386, weil auch die Luxemburger und die Habsburger als die anderen königsfähigen Dynastien der deutschen Geschichte sich Universitäten in Prag und Wien leisten."
Sie wollten den konkurrierenden Adelshäusern damit ihren außergewöhnlichen Rang beweisen, erläutert Schneidmüller. Und weil man seinen Rang in der vor-neuzeitlichen Gesellschaft immer wieder neu erwerben musste, bauten sie auch ihr Schloss ständig um und aus, immer nach der aktuellen Mode.
Der "Ottheinrichsbau" war der erste Palast Deutschlands im italienischen Stil: Heute steht nur noch die Renaissancefassade aus rotem Sandstein, vier Stockwerke hoch. Durch die leeren oberen Fensterreihen leuchtet der blaue Himmel – Zeugnis des Niedergangs in späterer Zeit. Vom Portal herab grüßt aber noch immer das repräsentative Bildnis des selbstbewussten Bauherrn.
"Man sieht hier nur sein Gesicht mit dem rauschenden Vollbart, das ist das Zeichen des idealen Renaissanceherrschers, der sich seinen Untertanen präsentiert. Direkt über das Portal setzt Ottheinrich eine ganz berühmte Wappentrilogie, die ganz deutlich das kurpfälzische Selbstbewusstsein ausmacht: Wieder der kurpfälzische Löwe, die bayerischen Rauten und dazwischen, ganz wichtig, der Reichsapfel. Der Reichsapfel als Zeichen, dass wir hier einen Kurfürsten vor uns haben, einen der sieben Männer, der den römisch-deutschen König wählt und das Zeichen dieser Kurwürde ist der Kurschild mit dem Reichsapfel."
Als kurz nach 1600 schließlich der dritte große Palast des Schlosses erbaut wurde, der Friedrichsbau, waren die Kurpfälzer Wittelsbacher auf dem Gipfel ihrer Macht.
Auf den Höhepunkt folgte jedoch unmittelbar der jähe Absturz: Gleich zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges ließ sich der Heidelberger Pfalzgraf in den Konflikt zwischen protestantischen und katholischen Fürsten hineinziehen. Im Kampf um die Krone Böhmens erlitt er 1620 in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag eine furchtbare Niederlage. In der Folge verheerten Truppen der Katholischen Liga die Kurpfalz und zerstörten das Heidelberger Schloss. Als die eben wiederaufgebaute Residenz im Pfälzischen Erbfolgekrieg Ende des Jahrhunderts von französischen Soldaten erneut gesprengt wurde, gaben die Wittelsbacher ihren alten Stammsitz auf.
"In diesen Wirren gehen die Kurfürsten dann im 18. Jahrhundert nach Mannheim, und das bringt Heidelberg ein wenig in eine museale Phase, von der es eigentlich noch heute profitiert."
Welch ein Gegensatz! Die barocke Residenz in Mannheim steht am Rand der Innenstadt zwischen der Hauptbahnstrecke und einer verkehrsreichen Durchgangsstraße. Mit 440 Metern Länge vielleicht das größte Schloss Deutschlands, beeindruckt es vor allem durch seine Ausdehnung: An der schlichten, ockerfarbenen Fassade wechseln die Fenster in einer endlosen Reihe mit roten Standsteinpfeilern. Tatsächlich soll die Mannheimer Anlage genau ein Fenster mehr bekommen haben als das Schloss in Versailles.
Die Wittelsbacher begannen den Bau ihrer neuen Residenz 1720, erzählt Andreas Schenk, Architektur-Experte des Stadtarchivs Mannheim, 1760 wurde sie fertiggestellt.
"Es war hier die Idee, an diesem Ort, der tatsächlich nicht diese große Bedeutung bisher hatte, etwas ganz Neues zu schaffen, ein großes, repräsentatives Schloss nach dem Vorbild von Versailles, das hat man hier in Mannheim versucht. Der Kurfürst Carl Philipp, der das Schloss gegründet hat, ist ziemlich verärgert aus Heidelberg gegangen und er hatte wahrscheinlich schon lange die Idee gehabt, Heidelberg zu verlassen, weil das Heidelberger Schloss einfach nicht repräsentativ genug war. Es hat einfach auch nicht mehr dem zeitgenössischen Geschmack entsprochen, ein Schloss auf einem Berg. Was man eben damals wollte, das waren Schlossbauten, die sich in der Ebene ausdehnen und die dann auch einen repräsentativen Schlossgarten besitzen."
Wie das Schloss, das heute vor allem als Sitz der Mannheimer Universität dient, ist auch Mannheims Epoche als Residenzstadt weitgehend in Vergessenheit geraten – obwohl die kurpfälzischen Wittelsbacher auch hier Geschichte geschrieben haben: Weniger durch ihren politischen Einfluss als durch eine kurze, spektakuläre Kulturblüte. Die reich mit Stuck verzierten, von berühmten Künstlern ausgemalten Innenräume im Hauptgebäude zeigen das deutlicher als die Schlossfassade.
"Diese Verbindung von Politik, Militärwesen, Kunst und Kultur, das war das Ideal des Absolutismus. Das verkörpert sich auch in so einem Schlossgebäude, das ja einerseits Herrschaft ausdrücken möchte, andererseits aber auch den Künsten und der Kultur Gelegenheit gibt, sich zu entfalten."
Vor allem Carl Theodor, der zweite Kurfürst in Mannheim, tat sich als großzügiger Förderer der Künste hervor. Doch die Blüte war nur von kurzer Dauer. 1777 starb der letzte bayerische Wittelsbacher ohne einen Erben - und der alte Hausvertrag, vor rund 450 Jahren geschlossen, galt noch immer: Der Kurpfälzer musste nun auch die Herrschaft in Bayern übernehmen. Carl Theodor zog mit Ministern, Musikern und Kunstschätzen nach München um.
Die Region an Rhein und Neckar verlor danach ihre Bedeutung für die deutsche Politik. 1803 wurde das Fürstentum "Kurpfalz" aufgelöst und in die Pfalz, links des Rheins, und Baden, rechts der Rheins, geteilt. Dennoch hat die Epoche der Wittelsbacher dort tiefe Spuren hinterlassen: Zwischen Heidelberg und Mannheim bezeichnen viele Menschen ihre Heimat noch heute als "Kurpfalz". 600 Jahre Geschichte bleiben eben nicht folgenlos, konstatiert der Historiker Schneidmüller:
"Es gibt eine prägende Kraft von Geschichte, denn die Kurpfalz ist heute im Bewusstsein der Menschen an Rhein und Neckar außerordentlich präsent, das Bekenntnis der Menschen hier ist, dass sie Kurpfälzer sind, dass sie Kurpfälzisch sprechen, auch wenn diese Einheit vor mehr als 200 Jahren unterging."
Die Wittelsbacher am Rhein
Reiss-Engelhorn-Museen / Barockschloss Mannheim
8.9.2013 bis 2.3.2014