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"Die Wahrheit muss komplett heraus"

Der frühere Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer ist davon überzeugt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) Kenntnis von den polizeilichen Schulungsmaßnahmen in Libyen hatte. Eine Mitwirkung des BND schloss der CDU-Politiker hingegen aus. Aufklärung erwartet Schmidbauer am Mittwoch im Parlamentarischen Kontrollgremium, dem er selbst angehört.

Moderation: Christian Schütte |
    Schütte: Mehr als 20 deutsche Polizisten und Soldaten - vor allem ehemalige - sollen Berichten zufolge in Libyen eine Aufbauhilfe der sagen wir besonderen Art geleistet haben. Sie sollen Sicherheitskräfte geschult haben. Dabei haben sie eventuell Dienstgeheimnisse weitergegeben und wo möglich Kräfte gestärkt, denen Hilfsorganisationen vorwerfen, sie würden es mit der Einhaltung von Menschenrechten nicht immer ganz genau nehmen. Die politische Debatte in Berlin, in Deutschland dreht sich momentan aber mehr um die Frage, ob und was der Bundesnachrichtendienst von den Schulungen gewusst hat.
    Am Telefon ist Bernd Schmidbauer von der CDU. Während der Regierung Helmut Kohls war er Geheimdienstkoordinator. Guten Tag Herr Schmidbauer!

    Schmidbauer: Grüß Gott Herr Schütte!

    Schütte: Der Bundesnachrichtendienst hat erklärt, er sei nicht beteiligt gewesen an den umstrittenen Schulungen, habe auch von dem Einsatz deutscher Polizisten in Tripolis nichts gewusst. Stellt sich der BND dumm?

    Schmidbauer: Sie wissen ja aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, dass alles herauskommt. Nur ob es die Wahrheit ist, das ist immer wieder die Frage. Ob er sich dumm stellt weiß ich nicht, aber wir hätten einen schlechten BND, wenn er nichts davon gewusst hätte, dass dies stattfindet. Er wird sicher nicht - und das entnehme ich den Dementis - Initiator gewesen sein. Er wird keinen Vorschub geleistet haben. Er wird nicht beteiligt gewesen sein. Aber eigentlich kann dem BND im Ausland nicht entgehen, zumal es dort ja bestimmte Kooperationsmechanismen gibt, dass so etwas stattfindet.

    Bei uns wird leider auch noch nicht diskutiert, was hat eigentlich stattgefunden. Das wird alles spekuliert. Da sehen sie martialische Bilder aus der Bundesrepublik Deutschland. Das wird interpretiert nach Tripolis.

    Ich will auch noch eine Bemerkung dazu machen. Wenn wir Probleme hatten im Mahgreb-Bereich oder anderswo und haben gesehen, dass Libyen und andere Länder guten Zugang hatten, dann haben wir sie aufgefordert oder um Hilfe gebeten. Ich selber habe das auch gemacht und diese Hilfe ist nie abschlägig beschieden worden. Jetzt ist plötzlich etwas da, dass Kompensation stattfindet, dass man diese Leute ausbildet im Anti-Terror-Kampf. Das ist alles nicht diskutiert. Wir wissen das alles nicht. Trotzdem wird schon der Stab gebrochen über den BND, über die Bundesregierung.

    Es ist sehr einfach: Wir werden am Mittwoch im Kontrollgremium darüber reden. Wer wusste etwas davon und aus welchen Gründen war dort ein Wissen da? Wer hat dieses positiv begleitet? Gab es eine Kompensation? Dann wird die Aufgeregtheit wenigstens verschwinden, damit laufend Verdächtigungen stattfinden. Schröder denke ich hat sich mit solchen Dingen nicht abgegeben, aber er hat natürlich während seiner Regierungszeit auch darüber Verantwortung getragen, ob es Ausbildungshilfe gibt Ja oder Nein. Er sagt Nein; also ist Nein. Ich muss das so annehmen und nehme das auch so an. Trotzdem sind viele Dinge nicht geklärt.

    Schütte: Herr Schmidbauer, bleiben wir aber trotzdem noch mal bei der Situation im Moment. Sie sind also bei Max Stadler von der FDP, der heute Morgen sinngemäß im Deutschlandfunkgesagt hat, das Dementi vom Wochenende, das reicht ihnen nicht.

    Schmidbauer: Das muss konkretisiert werden, ob es reicht. Ich gebe mich erst nachher mit den Dingen ab, die uns am Mittwoch erläutert werden. Und es wäre Dummheit - das sage ich auch im Vorhinein -, sich da dumm zu stellen. Das wäre die größte Dummheit. Wir haben ja so etwas erlebt vor kurzem auch im Hinblick auf die Liechtensteiner Geschichte, dass immer nur ein Stückchen mehr heraus kam, ein Stückchen weitere Tatsachen, und selbst das ist noch nicht voll aufgeklärt und selbst darüber wissen wir nur Bescheid über den einen oder anderen Fall. Deshalb am Mittwoch wirklich ganz offen mal darüber reden: Wer wusste was? Das ist ja noch nicht schlimm. Es wird da ein bisschen überzogen. Da ist noch vieles aufzuklären, auch wie ich sagte über die Qualität. Das kann man nicht per se jetzt verdammen. Aber die Wahrheit muss komplett raus und solche laschen Dementis, wie wir sie teilweise haben, sind nicht dazu angetan, hier die Glaubwürdigkeit zu verbessern. Es werden von uns Fragen gestellt, das selbstverständlich, und darauf müssen dann passende Antworten gegeben werden.

    Schütte: Sie sind offenbar sehr zuversichtlich, dass dann auch tatsächlich alle Fakten auf den Tisch kommen und dann auch wirklich offen geredet wird. Wie kommt es denn, dass beispielsweise Ihr Parteikollege Wolfgang Bosbach sich zumindest besorgt äußert, dass im Parlamentarischen Kontrollgremium ausreichende Informationen überhaupt ankommen?

    Schmidbauer: Ja gut, er hat gehört. Er selber war noch nicht in der PKG. Er selber hat aber wahrscheinlich gehört, dass es da einige Dinge gibt, mit denen wir nicht zufrieden sind. Deshalb reden wir auch über eine Veränderung der Kontrollmöglichkeiten, weil es immer noch auf irgendeiner Seite Menschen gibt die meinen, es sei etwas fürchterlich, wenn man einem Parlamentarischen Kontrollgremium die ganze Wahrheit erzählt. Dann kommen Forderungen nach Untersuchungsausschüssen.

    Wissen Sie diese Untersuchungsausschüsse, die sind auch nur dazu da, dass am Ende noch weniger dabei herauskommt und dass Leute mit ihrer Kraft gebunden werden für nichts. Am Ende - das wissen die ganzen Journalisten - ist es ja so, dass Handfestes dabei noch nie dabei herausgekommen ist. Große Ankündigungen und am Ende war nichts. Hier wird zum Teil diffamiert.

    Ich kann doch nicht sagen das war der Kanzler, nur weil er jetzt der SPD angehört hat, oder es war ein Kanzleramtsminister, nur weil er der SPD angehört hat. Es ist ja nun mal leider so, dass die letzte Regierung dort tangiert wird. Es wird auch die neue Regierung in Teilen tangiert, aber da muss ich von Vornherein auch die Unschuldsvermutung gelten lassen und dieses von Angesicht zu Angesicht hören. Wenn man der Meinung ist, es ist nicht vollständig, dann bitte ja, dann gehen wir natürlich in eine andere Sphäre und müssen andere Dinge machen. Davon sind wir aber noch weit entfernt. Ich habe gehört, dass der Herr Brüderle schon wieder einen Untersuchungsausschuss an die Wand malt. Was denn noch alles? Nur weil man hier bestimmte Gerüchte hochpuscht, meistens übers Wochenende, in diesem Fall - -

    Schütte: Herr Schmidbauer, bleiben wir noch einmal beim Stichwort rot-rüne Regierung. Vor einigen Jahren hat der libysche Machthaber Gadaffi und sein Sohn beim Geiseldrama auf der Philippinen-Insel Jolo vermittelt. Damals war die deutsche Familie Wallert aus der Hand von Rebellen frei gekommen. Halten Sie es für möglich, dass Gadaffi als Gegenleistung, als Dankeschön die jetzt bekannt gewordene Unterstützung deutscher Polizisten bekommen hat?

    Schmidbauer: Nein, nein! Das halte ich für nicht möglich. Mit diesen Dingen und so berechnend sagen wir mal, das findet da nicht statt. Aber im Übrigen weiß ich sehr genau, weil ich ja die Libyer selber gebeten habe und manche dann auf den Zug aufgesprungen sind, selber mit in die Verhandlungen eingeschaltet war, was die Freilassung der Familie Wallert anlangt, auch wenn da sich manche auch noch mit fremden Federn geschmückt haben und Dinge in die Welt gesetzt haben damals, die nicht stimmen. Da kann ich nichts dafür, aber ich glaube eben, dass aus diesem Grund aus meiner Kenntnis dieser Freilassung der Familie Wallert es nicht dazu gekommen ist, dass dann einer sagt in Libyen so, jetzt haben wir dort geholfen, jetzt müssen wir da auch irgendetwas haben bei der Ausbildung. Das kann am Rande mal besprochen worden sein zwischen irgendwelchen Konferenzen. Ich weiß es nicht, kann man ja auch laut sagen. Aber wir haben nicht nur Wallert, sondern Libyen hat im Tschad geholfen. Libyen hat in Libyen selber geholfen und Libyen hat in Algerien geholfen bei der Freilassung bestimmter Geiseln. Die kann man natürlich auch ein bisschen schulen, damit sie uns besser helfen können in der Zukunft, wenn solche Dinge passieren. Und es wird ja wieder passieren! Also da sehe ich noch kein Problem. Die Frage ist: Wie ist das passiert und wer hat das zu verantworten und warum machen sie so ein Gedöns um diese Dinge?

    Schütte: Bernd Schmidbauer von der CDU, früherer Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

    Schmidbauer: Bitte Herr Schütte.