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Max Stadler fordert stärkere Kontrolle der Geheimdienste

Der FDP-Politiker Max Stadler fordert eine stärkere parlamentarische Kontrolle der deutschen Geheimdienste. Hierfür müsse die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums reformiert werden, sagte Stadler, stellvertretender Vorsitzender des Gremiums. Im aktuellen Libyen-Fall verlangte er umfassende Informationen von der Bundesregierung.

Moderation: Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Weder will der Bundesnachrichtendienst wie behauptet in die Ausbildungshilfe libyscher Sicherheitskräfte durch deutsche Polizisten und Soldaten eingebunden gewesen sein, noch die deutsche Botschaft in Tripolis. Und auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder will nichts damit zu tun haben. Nach Medieninformationen hatte er dem libyschen Revolutionsführer Gaddafi das äußerst zweifelhafte Angebot für die Ausbildung seiner Sicherheitskräfte gemacht, im angeblichen Austausch für Libyens Engagement bei der Befreiung deutscher Geiseln auf den Philippinen im Jahr 2000.

    Der Bundestag will jetzt Klarheit schaffen. Das Parlament will sich in einer Aktuellen Stunde mit dem Fall beschäftigen. Mehrere Abgeordnete verlangen, das Parlamentarische Kontrollgremium solle eingeschaltet werden, das sich mit der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes befasst. Am Telefon begrüße ich dessen stellvertretenden Vorsitzenden Max Stadler von der FDP. Guten Morgen!

    Max Stadler: Guten Morgen!

    Kaess: Herr Stadler, können Sie sich vorstellen, dass der BND von den Aktivitäten in Libyen nichts wusste?

    Stadler: Wenn der BND davon nichts gewusst haben sollte, wäre das ja nicht gerade der Ausweis von besonderer Effektivität eines Nachrichtendienstes. Im Übrigen: Wenn man die bisherigen Erklärungen des Bundesnachrichtendienstes genau betrachtet, ist dort davon die Rede, man habe diese Ausbildungsaktivitäten nicht unterstützt und nicht begleitet. Das lässt immerhin noch die Interpretation offen, dass man davon doch Kenntnis gehabt habe. Das Dementi muss daher erst einmal überprüft werden, und es ist aus meiner Sicht völlig selbstverständlich, dass die Bundesregierung dazu im Parlamentarischen Kontrollgremium alle Fakten auf den Tisch legen muss. Da brauchen wir jetzt sofort und vollständig Klarheit.

    Kaess: 1995 ist ja schon einmal bekannt geworden, dass sich der BND gegen Ende der 70er Jahre illegal an der Ausbildung von Offizieren und Soldaten in Libyen beteiligt hatte. Sehen Sie Parallelen?

    Stadler: Das kann man im Moment noch nicht beurteilen. Ich möchte allerdings einen Schritt noch weiter gehen. Ich finde, die ganze Angelegenheit ist nicht etwa nur eine Sache der Beteiligung des BND, sondern der Bundestag will darüber Klarheit haben, ob möglicherweise diese Aktivitäten für die Ausbildung von Sicherheitskräften in Libyen nur Verfehlungen einzelner Personen gewesen sind oder aber doch Teil einer politischen Strategie. Immerhin wäre es ja nicht völlig abwegig, dass eine Bundesregierung, ich will mal formulieren, gewisse Lockerungsübungen gegenüber Libyen für richtig gehalten hätte. Dann muss das aber auch offen so gesagt werden, und dann würde sich vor allem die Frage stellen, wieso ist dann das Parlament hierüber offenkundig nicht informiert worden?

    Kaess: Herr Stadler, wer wäre denn in diesem Fall politisch zur Rechenschaft zu ziehen?

    Stadler: Konsequenzen aus der ganzen Affäre kann man selbstverständlich erst formulieren, wenn die Sache von den Fakten her klar ist. Als erstes muss meiner Meinung nach jetzt deutlich gemacht werden, ob es, ich will mal so formulieren, eine Privatangelegenheit einer Sicherheitsfirma gewesen ist und einzelner Personen, die daran beteiligt waren, die dann möglicherweise disziplinarrechtlich belangt werden können, weil sie eine Nebentätigkeit nicht angemeldet haben und nicht haben genehmigen lassen, oder ob es sich um den Teil einer außenpolitischen Strategie gehandelt hat. Dann wäre die Frage, ist eine solche Strategie akzeptabel und opportun bei einem Staat wie Libyen, von dem alle ja wissen, was ihm anzulasten ist in der Vergangenheit, ob man mit einem solchen Staat wirklich eine Kooperation macht, ob dies von der Bundesregierung nur gewusst wurde und nichts dagegen unternommen wurde oder sogar aktiv betrieben wurde? Das sind die Fragen. Und noch einmal: Die Bewertung eines solchen Vorgangs kann erst am Ende vorgenommen werden. Dabei ist aber für mich eben auch wichtig, wie wird denn eigentlich das Parlament in solche außenpolitischen Strategien eingebunden? Wenn eine Bundesregierung dies völlig am Parlament vorbei gemacht hätte, wäre das der Punkt, über den zu reden ist.

    Kaess: Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder streitet ja eine Verwicklung ab. Wie üblich sind denn Absprachen für eine solche Zusammenarbeit als Gegenleistung wie angeblich in diesem Fall für das Engagement Libyens bei der Befreiung der entführten Deutschen auf den Philippinen?

    Stadler: Die Erklärung des früheren Bundeskanzlers Schröder muss man zunächst einmal zur Kenntnis nehmen und respektieren. Aber ich möchte doch darauf aufmerksam machen, dass im laufenden BND-Untersuchungsausschuss sowohl die jetzige Bundesregierung als auch Vertreter der früheren Bundesregierung immer wieder betonen, es sei aus den eigenen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland notwendig, auch mit Staaten, mit denen man nicht befreundet sei, zu kooperieren.

    Wir untersuchen ja gerade den Fall Zammar. Das ist der Vorgang, dass ein Deutsch-Syrer unter mysteriösen Umständen in Damaskus inhaftiert worden ist und dann dort von deutschen Sicherheitsbeamten, obwohl er dort gefoltert worden war und unter menschenrechtsunwürdigen Umständen inhaftiert war, vernommen worden ist. Da sagen diejenigen, die das entschieden haben - sowohl Mitglieder der früheren als auch der jetzigen Bundesregierung -, man müsse eben auch mit einem Staat wie Syrien kooperieren, habe das damals versucht, es sei erklärte Strategie gewesen, mit Syrien eine bessere Kooperation im Geheimdienstbereich herzustellen, um an Informationen heranzukommen, obwohl Syrien eben sich nicht an rechtstaatliche Gepflogenheiten hält. Man sieht also: Solche Absprachen, die dann mit Syrien nach einiger Zeit wieder aufgegeben worden sind, weil sie erfolglos waren, sind durchaus nicht unüblich, sondern werden von der jetzigen und früheren rot-grünen Bundesregierung als bewusstes Mittel der Sicherheitspolitik ausdrücklich befürwortet im BND-Untersuchungsausschuss.

    Kaess: Herr Stadler, der CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach spricht von einem sicherheitspolitischen Albtraum. Wie schätzen Sie ein, dass eventuell auch streng geheimes Wissen nach Libyen in dem aktuellen Fall gelangt ist?

    Stadler: Das ist eine der Fragen, die jetzt dringend geklärt werden müssen, denn die ganze Angelegenheit hat ja zwei Dimensionen. Die eine Dimension ist die außenpolitische, nämlich die Fragestellung, ist es überhaupt opportun, mit einem Staat wie Libyen eine Zusammenarbeit zu pflegen, falls denn die Bundesregierung davon gewusst haben sollte oder dies aktiv gefördert haben sollte? Und die zweite Frage ist eben, sind dabei unsere Sicherheitsinteressen hinten angestellt worden? Noch kann man das nicht bewerten, aber die Sorge, die Herr Bosbach formuliert hat, treibt ja jeden um, der mit diesem Fall zu tun hat. Deswegen ist im Moment das Gebot der Stunde schnellstmögliche Aufklärung. Und ich möchte noch einmal hinzufügen: Das muss selbstverständlich im Parlamentarischen Kontrollgremium gehen, soweit es um die Rolle des BND geht. Dies reicht aber nicht aus. Es muss das gesamte Parlament in Kenntnis gesetzt werden, wie der Sachverhalt sich ausgewirkt hat, denn es ist eben ein Vorgang, der möglicherweise über den BND weit hinausreicht.

    Kaess: Herr Stadler, welche Möglichkeiten hat denn das Parlamentarische Kontrollgremium überhaupt? Können zum Beispiel Informationen mit der Begründung der Sicherheit zurückgehalten werden, die für die Aufklärung des Falles wichtig wären?

    Stadler: Nein. In diesem Fall ist es völlig klar, dass das Parlamentarische Kontrollgremium vollständig unterrichtet werden muss.

    Kaess: Und das werden sie auch? Davon gehen Sie aus?

    Stadler: Das ist die Pflicht der Bundesregierung. Ich kann die Ausrede, die immer wieder gebraucht wird, nicht akzeptieren, dass Absprachen beispielsweise mit ausländischen Nachrichtendiensten den Parlamentariern vorzuenthalten seien - so wird von Seiten der Bundesregierung leider immer wieder argumentiert -, denn dann würde ein kontrollfreier Raum geschaffen. Wegen dieser Argumentation hat die Opposition ja im laufenden BND-Untersuchungsausschuss sogar das Bundesverfassungsgericht angerufen, um diese strittige Frage zu klären. Ich würde nicht akzeptieren, wenn hier irgendetwas verschwiegen wird. Zurecht haben daher einige Politiker ja darauf aufmerksam gemacht, dass man auch einen Untersuchungsausschuss einsetzen könnte oder den laufenden Untersuchungsausschuss damit betrauen könnte, diesen Vorgang zu überprüfen, wenn im Kontrollgremium nicht alle Fakten auf den Tisch gelegt würden.

    Kaess: Würden Sie sagen, es gibt im Allgemeinen zu wenig Kontrolle über die deutschen Sicherheitsorgane und eventuell auch über den BND?

    Stadler: Die Bundesregierung hat leider und insbesondere auch in den Jahren der rot-grünen Regierungszeit, wie wir nachträglich erfahren haben, immer wieder wichtige Vorgänge nicht von sich aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgetragen, obwohl es dafür eine gesetzliche Verpflichtung gibt.

    Kaess: Was kann man dagegen tun?

    Stadler: Es ist daher eine Reform der Arbeit des Kontrollgremiums dringend erforderlich. Die FDP hat dafür einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, und auch bei der CDU/CSU wird dieser Reformbedarf gesehen, den die Opposition jetzt schon seit zwei Jahren anmahnt. Dazu wird es in dieser Woche auch informelle Gespräche geben mit der Überlegung, über den Gesetzentwurf der FDP sich zu einigen und vielleicht dann mit einem Allparteiengesetzentwurf die Reform voranzutreiben, damit die Kontrollbefugnisse erweitert werden.

    Kaess: Max Stadler, stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums und Mitglied der FDP. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stadler.

    Stadler: Ich danke.