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"Die Wettbewerbsfähigkeit Südeuropas ist zu gering"

Bert van Roosebeke vom Freiburger Centrum für Europäische Politik, sagt, dass es kein Tabubruch sei, wenn Spanien ohne Auflagen Mittel aus dem Rettungsschirm bekomme. Aus seiner Sicht sei entscheidend, welche Maßnahmen die EU-Kommission treffe, um die Hilfen "schmerzhaft werden zu lassen".

Bert van Roosebeke im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Am Wochenende geschah, wozu viele Spanien gedrängt haben: Spanien stellte den Antrag auf Hilfen aus dem Europäischen Rettungsfonds. Das lange Zögern der Madrider Regierung erklärt sich aus dem Umstand, dass Spanien das Geld für seine maroden Banken braucht und deswegen nicht als Regierung unter den strengen Auflagen des Rettungsfonds geraten wollte. Nun, es scheint den Spaniern gelungen zu sein: Sie erhalten bis zu 100 Milliarden Euro für die Rettung ihrer Banken aus dem Rettungsfonds. Den Bedarf hatte der Internationale Währungsfonds errechnet, doch bei diesen 100 Milliarden Euro ist der Währungsfonds nicht dabei. Hilfe aus dem Rettungsfonds ohne Auflagen für die staatliche Reformpolitik Spaniens.

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Bert van Roosebeke vom Freiburger Centrum für Europäische Politik. Guten Tag, Herr van Roosebeke.

    Bert van Roosebeke: Ja schönen guten Tag, Herr Breker!

    Breker: 100 Milliarden Euro für Spaniens marode Banken aus dem Rettungsfonds - ist das eigentlich der Sinn des Rettungsfonds gewesen?

    van Roosebeke: Eigentlich schon, muss man sagen. Der Rettungsfonds, also der EFSF, hatte ja damals fünf Instrumente bekommen. Das klassische Instrument, das wir alle kennen, das bei den anderen Ländern angewandt wurde, war das normale Darlehen. Aber es wurde schon im Juli 2011 das Instrument festgeschrieben, der EFSF kann Kredite vergeben zur Rekapitalisierung von Banken.

    Breker: Zeigt das, was wir eigentlich retten, nämlich unsere Banken und unser Bankensystem?

    van Roosebeke: Das, was wir retten ist, in dem Fall ganz sicher das Bankensystem. Es ist natürlich so, dass zwischen Spanien und, sagen wir mal, Deutschland und Frankreich sehr umfangreiche Verknüpfungen bestehen in der Finanzwelt und dass man Angst hat, sage ich mal, die spanischen Banken hier in eine ungeordnete Insolvenz gleiten zu lassen.

    Breker: Weil das würde dann auch zum Beispiel deutsche Banken treffen?

    van Roosebeke: Ganz sicher, so ist es.

    Breker: Mehr Geld für Spaniens Banken, Herr van Roosebeke, davon werden aber die faulen Immobilienkredite, die die Banken ja zuhauf gehäuft haben, nicht besser.

    van Roosebeke: Ganz genau. Es ist in der Tat so: Spanien hat in den Eurozeiten von sehr niedrigen Zinsen profitiert, die hat man natürlich vorher in Spanien so gar nicht gekannt, und hat einen mächtigen Bauboom hinter sich. Da wurden zu viele Kredite vergeben zu günstigen Konditionen und die Banken sitzen in der Tat heutzutage in Spanien auf drei, 400 Milliarden faule Kredite, wie man sagt. Die Kredite werden in der Tat nicht besser, weil wir Spanien jetzt 100 Milliarden geben zur Stärkung des Eigenkapitals. Die Hoffnung ist letztlich aber natürlich schon, dass die Konjunktur in Spanien sich verbessern wird und die Kredite nun doch nicht so faul sein werden, wie wir heute denken.

    Breker: Die Hoffnung ist, Herr van Roosebeke, dass nun die spanischen Banken anfangen, das zu tun, wofür wir die Banken überhaupt haben, nämlich Kredite zu geben, damit mit diesen Geschäften gegründet werden, Geschäfte getätigt werden können und die Konjunktur anzieht. Dafür gibt es aber keine Sicherheit?

    van Roosebeke: Dafür gibt es sicher keine Sicherheit, das ist richtig. Man will zum einen natürlich einen Bank-Run sozusagen vermeiden, dass Leute massiv ihre Einlagen bei spanischen Banken abziehen, weil sie zweifeln, ob die Banken sozusagen morgen noch bestehen. Das will man zum einen verhindern. Zum Zweiten will man in der Tat, was Sie gerade sagen, die Kreditvergabe der spanischen Banken ermöglichen, weil sie ja ausreichend Eigenkapital zur Verfügung haben.

    Breker: Bei dieser Summe von bis zu 100 Milliarden Euro ist der Internationale Währungsfonds nicht dabei. Was sagt uns das? Muss uns das zu denken geben?

    van Roosebeke: Das war eigentlich schon immer so vorgesehen. Die Aufregung der letzten Tage darüber, dass Spanien jetzt ohne Auflagen diese Mittel kriegt, die ist ein bisschen falsch. Also es war immer schon vorgesehen, dass auch Nicht-Programm-Länder, sprich Länder, wo auch der IWF nicht beteiligt ist, dass solche Nicht-Programm-Länder Mittel vom EFSF bekommen können, um Banken zu rekapitalisieren. Daraus jetzt ein bestimmtes Signal abzuleiten, das finde ich ein bisschen übertrieben. Der EFSF-Vertrag hat das immer schon vorgesehen. Was man natürlich im Falle Spaniens sagen muss: Spanien hat ja eigentlich zwei Probleme. Es hat natürlich ein sehr großes Bankenproblem. Jetzt werden wir sehen, mit welchen konkreten Auflagen die Kommission in Brüssel die Finanzhilfen für Spanien verbindet. Das wird sehr wichtig sein. Andererseits hat Spanien natürlich auch ein realwirtschaftliches Problem. Die Lohnstückkosten in Spanien sind zu hoch, die sind zu stark angestiegen in der letzten Zeit. Auch das müsste Spanien in den Griff bekommen.

    Breker: Also aus Ihrer Sicht, Herr van Roosebeke, ist es kein Tabubruch, dass hier, ohne dass der Staat Auflagen erhält, der Staat Geld erhält, in dem Fall die Regierung Geld erhält, um die Banken zu refinanzieren?

    van Roosebeke: Es ist laut EFSF-Rahmenvertrag kein Tabubruch. Im Rahmenvertrag ist explizit vorgesehen, auch Nicht-Programm-Länder, also auch Länder ohne Auflagen, können solche Mittel bekommen.

    Breker: Wäre es aber nicht klug gewesen, wenn Sie sagen, die Lohnstückkosten sind noch sehr hoch in Spanien, man hätte diese Kredite, die Spanien für die Banken in Anspruch nehmen will, damit verbunden, dass staatliche Reformen stattfinden?

    van Roosebeke: Es wäre sicher nicht schlecht gewesen. Aber letztlich hätte man dann wahrscheinlich Spanien komplett vom Kapitalmarkt abnehmen sollen, und dann sprechen wir natürlich über Summen, die viel höher als 100 Milliarden sein werden, und jetzt sind die Mittel im EFSF-Fonds auch nicht so reichlich da, dass man wahrscheinlich kein Risiko eingehen wollte.

    Breker: Mit Spanien nimmt ein Big Player, ein großer Spieler nun den Rettungsschirm in Anspruch. Was geht überhaupt noch mit dem Rettungsschirm? Was ist, wenn Probleme in Italien, Probleme in Frankreich entstehen?

    van Roosebeke: Ja also es ist natürlich klar, dass die Fonds nicht ganz Europa retten können. Das können wir ganz sicher nicht. Was man jetzt mit der Hilfe für Spanien, also für die spanischen Banken machen will, ist, eine Ansteckung zu vermeiden. Und was ich vorher schon sagte: Diese Mittel laufen jetzt über den spanischen Rettungsfonds und fließen dann von dem spanischen nationalen Rettungsfonds an diese Banken. Das ist eine nationale Beihilfe. Dafür wird die Kommission Bedingungen entwickeln, wie wir sie bei der WestLB et cetera. in Deutschland auch gesehen haben. Jetzt werden diese Bedingungen schmerzhaft sein müssen, um zu verhindern, dass auch Banken in anderen Ländern, sagen wir mal Italien, auf die Idee kommen, diese Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Also es wird entscheidend sein, welche Maßnahmen die Kommission jetzt entwirft, um die Hilfe letztlich schmerzhaft werden zu lassen.

    Breker: ... , damit eben halt spanische Banken nicht zum Vorbild werden für andere Banken, die sagen, okay, wir haben zwar ein wenig missgewirtschaftet, aber es gibt ja den Europäischen Rettungsfonds, da kann man sich jederzeit refinanzieren, man muss nur den Staat davon überzeugen?

    van Roosebeke: Genau. Erst muss man natürlich den Staat davon überzeugen und zweitens richtig, so kann es nicht laufen, weil wir haben dafür einfach die Gelder nicht da.

    Breker: Nun sind wir dabei, die spanischen Banken zu retten, und retten dabei irgendwie auch zum Beispiel deutsche Banken und andere Banken in europäischen Ländern. Aber, Herr van Roosebeke, ist das eigentlich der große Wurf schon? Ist die Finanz- und Schuldenkrise durch solche Aktionen gelöst, ist das überzeugend für die Finanzmärkte?

    van Roosebeke: Das kann kurzfristig überzeugen, aber mittel- oder langfristig liegt die wahre Ursache der Euro-Krise in den realwirtschaftlichen Problemen. Die Wettbewerbsfähigkeit Südeuropas ist zu gering. Jetzt können wir einige Monate oder meinetwegen einige Jahre lang für etwas Ruhe im spanischen Bankensektor sorgen und den spanischen Bankensektor etwas restrukturieren, aber die wahre Ursache liegt eher in den 20 Prozent Arbeitslosigkeit in Spanien, und die kriegen wir mit einem Hilfsprogramm für spanische Banken auch nicht gelöst.

    Breker: Also hat Frankreichs Präsident Hollande Rechte, wir müssen den Fiskalpakt anreichern durch konjunkturfördernde Maßnahmen?

    van Roosebeke: Ja natürlich hat er recht. Die Frage ist natürlich, was versteht man unter konjunkturfördernden Maßnahmen. Will man jetzt Investitionsprogramme auf Pump auflegen? Da fragt man sich, wo soll das Geld herkommen. Oder will man, wofür die Bundesregierung natürlich auch plädiert, Reformmaßnahmen, strukturelle Maßnahmen, Senkung der Lohnstückkosten, mehr Innovation letztlich, will man über solche Maßnahmen ein Wachstum herbeiführen? Letzteres erscheint mir doch sehr nachhaltig, nachhaltiger zumindest als Ausgabenprogramme auf Pump.

    Breker: Und dafür sehen Sie auch Chancen?

    van Roosebeke: Nein. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit dafür ist relativ gering. Man wird sich natürlich letztlich auf einen Kompromiss einigen können oder einigen müssen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesregierung ihre Position komplett durchsetzen wird. Man sieht ja heute schon, man geht aufeinander zu, man wird die Europäische Investitionsbank stärken, da mehr Darlehen ermöglichen. Das wird letztlich ein klassischer politischer Kompromiss werden.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Position von Bert van Roosebeke vom Freiburger Centrum für Europäische Politik. Herr van Roosebeke, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.

    van Roosebeke: Gerne geschehen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder.