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Die Zukunft der EU
Nicht länger alles mit allen entscheiden

An diesem Montag treffen sich die Regierungschefs von Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich zu einem Mini-EU-Gipfel in Versailles. Es geht um die Zukunft der EU. Nicht länger alle an allen Entscheidungen zu beteiligen, wird heftig diskutiert. Wenn dadurch jedoch EU-Mitglieder zweiter Klasse entstehen, könnte das zu einer Schieflage führen.

Von Alois Berger | 04.03.2017
    Sie sehen die Flaggen der Mitgliedsstaaten der EU, zusammen mit der EU-Flagge auf einem Tisch.
    Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, Kerneuropa, Europa der variablen Geometrie, Europa mit unterschiedlichen Integrationsstufen - lauter Konzepte, die derzeit wieder diskutiert werden. (picture-alliance / dpa / Jens Kalaene)
    "Was wir sicherlich aus der Geschichte der letzten Jahre gelernt haben, dass es auch eine Europäische Union mit verschiedenen Geschwindigkeiten geben wird, dass nicht alle immer an den gleichen Integrationsstufen teilnehmen werden."
    Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem EU-Gipfel in Malta vor einem Monat. Beim Treffen mit den Regierungschefs von Spanien und Italien mit dem französischen Präsidenten am Montag wird dieses Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten ein zentrales Thema sein. Es geht darum, wie sich die Europäische Union nach dem Ausscheiden Großbritanniens und der zunehmend unsicheren Allianz mit den USA neu aufstellen will. Die Bundeskanzlerin geht davon aus, dass Europa zusammenrücken muss, dass es in einigen Bereichen eine engere Kooperation geben muss, auch wenn nicht alle Mitgliedsländer mitmachen wollen.
    Die europäischen Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Malta am 03.02.2017.
    Die europäischen Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Malta am 03.02.2017. (AFP / Matthew Mirabelli)
    Mehr Flexibilität für die Europäische Union
    Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, Kerneuropa, Europa der variablen Geometrie, Europa mit unterschiedlichen Integrationsstufen - lauter Konzepte, die derzeit wieder diskutiert werden und allesamt darauf hinauslaufen, dass einige EU-Länder in bestimmten Bereichen enger zusammenarbeiten. Die übrigen EU-Mitglieder beteiligen sich entweder gar nicht, oder kommen später dazu. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker glaubt, dass die Europäische Union ohne eine solche Flexibilität bald nicht mehr handlungsfähig sein wird.
    "Es ist im Moment nicht mehr vorstellbar, dass wir alle alles zusammen machen können. Es ist an der Zeit, dass wir die historische Frage beantworten: Wollen wir wirklich alles mit 28 Ländern gemeinsam machen, wo wir schon das 28. Land verloren haben, oder geht es nicht vielmehr darum, dass Länder, die schneller vorangehen wollen, das auch tun können. Immer unter der Voraussetzung, dass sie nichts machen, was die anderen Länder stört und dass die Strukturen offenbleiben für alle, die später dazukommen wollen."
    Militärischer Beistand Amerikas nicht länger gegeben
    Aktuell ist das drängendste Problem der Aufbau einer gemeinsamen Europäischen Verteidigung. Zwar spricht die allgemeine Stimmung in Europa nicht unbedingt dafür, der EU neue Aufgaben zu geben. Doch seit der neue US-Präsident Donald Trump die NATO grundsätzlich infrage gestellt hat, seitdem weiß man in Europas Hauptstädten, dass man sich nicht mehr auf den militärischen Beistand Amerikas verlassen sollte.
    In kleinem Rahmen und in kleinen Schritten ist tatsächlich bereits so etwas wie ein militärischer Arm der europäischen Außenpolitik entstanden. In der Avenue de Cortenbergh in Brüssel, nicht weit von der Europäischen Kommission, wurde eine militärische Kommandozentrale eingerichtet und mit den notwendigen Kommunikationsmitteln ausgestattet. Von dort lassen sich beispielsweise humanitäre Einsätze in aller Welt militärisch absichern. In Somalia, in Mali, im Kongo waren bereits Soldaten unter EU-Kommando unterwegs.
    Doch alle Versuche, eine schlagkräftigere Verteidigungsstruktur aufzubauen, sind an der Zögerlichkeit der Mitgliedsländer gescheitert. Vor allem die britische Regierung stellte sich immer wieder quer – zum einen aus Prinzip, weil sich britische Regierungen seit den Zeiten von Margaret Thatcher bei allem quer stellen, was zu einer engeren europäischen Zusammenarbeit führen könnte. Zum anderen befürchtete man in London einen möglichen Bedeutungsverlust der NATO.
    Mit dem Brexit verlässt der hartnäckigste Bremser die Union
    Zufall oder nicht: Einen Monat nach dem Brexit-Votum in Großbritannien legte die Bundesregierung ein Weißbuch zur Sicherheitspolitik vor.
    "Hier haben wir zum ersten Mal konkrete Schritte reingeschrieben, wie wir uns den Weg zum Fernziel einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion vorstellen."
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen machte bei der Vorstellung des Weißbuchs kein Geheimnis daraus, dass mit dem Brexit die Chancen gewachsen sind, dieses Ziel umzusetzen:
    "Wir haben lange Rücksicht nehmen müssen auf Großbritannien, auch, weil Großbritannien diese Themen nicht wollte."
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht am 17.02.2017 bei der Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof in München (Bayern). 
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) macht kein Geheimnis daraus, dass mit dem Brexit die Chancen gewachsen sind, eine europäische Verteidigung auf die Beine zu stellen. (picture alliance / dpa - Matthias Balk/dpa )
    Mit dem Brexit verläßt zwar der hartnäckigste Bremser die Union. Doch es gibt auch andere Regierungen, die Probleme damit haben, dass sich die EU für militärische Einsätze rüsten will. Österreich, Finnland, Schweden, Dänemark und Irland sind nicht in der NATO und betrachten sich selbst als neutrale Länder. Alle Fünf sind in militärischen Fragen mehr als zurückhaltend. Hinzu kommen EU-Staaten wie Ungarn, dessen Regierung gern weniger europäische Verpflichtungen hätte. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die ungarische Regierung sich an einer gemeinsamen europäischen Verteidigung beteiligen wird.
    Doch die Welt hat sich in den letzten Monaten dramatisch verändert. Die Kriege in Syrien und in der Ukraine strahlen nach Europa aus. Die Bedrohungen durch Cyberwar und islamistischen Terrorismus werden immer spürbarer. Und auch aus den USA kommen keine guten Nachrichten. Der irrlichternde Präsident Donald Trump weckt nicht nur Zweifel an der Zuverlässigkeit des amerikanischen Schutzschirms. Er verlangt von den Europäern auch eine Verdoppelung der Militärausgaben.
    Aufbau einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft
    Angela Merkels Vorstoß für ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten zielt deshalb vor allem auf den Aufbau einer echten europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Wenn die Europäer ohnehin mehr Geld fürs Militär ausgeben sollen, so das Kalkül, dann können sie das auch im EU-Rahmen tun und dann nutzen. Denn das schafft zugleich mehr Unabhängigkeit von der derzeit ziemlich unberechenbaren US-Regierung.
    Auch der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold sieht die Notwendigkeit für eine europäische Verteidigungsunion:
    "Ja, das ist ja offensichtlich. Diese vielen Kleinarmeen sind keine Verteidigung, das ist das Füttern von ineffizienten militärischen Strukturen in - global gesehen - kleinen und mittleren Staaten. Eine gemeinsame Armee wäre heute nicht erreichbar. Aber eine viel stärkere Kooperation bei Beschaffung und bei vielen konkreten Einsätzen wäre problemlos machbar. Deshalb ist es richtig, dass dort mehr integriert wird."
    Keine europäische Armee, sondern bessere Zusammenarbeit
    Ähnlich argumentiert der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Michael Gahler. Er drängt seit Langem auf eine gemeinsame Rüstungspolitik der EU-Staaten. Bislang stattet jedes Land seine Streitkräfte vor allem mit Material der heimischen Rüstungsindustrie aus. Das ist nicht nur teuer, sondern auch ineffizient, weil die unterschiedlichen Fahrzeug-, Waffen- und Kommunikationssysteme nur schlecht oder gar nicht zusammen passen. Den Regierungen war die Pflege der eigenen Rüstungsindustrie bislang aber wichtiger als die Einsetzbarkeit und Kompatibilität ihrer Streitkräfte, klagt Gahler. Doch die veränderte Sicherheitslage fördere das Umdenken:
    "Ich sehe da durchaus auch eine breite Bereitschaft, Dinge anzugehen, im Bereich gemeinsamer Planung, gemeinsamer Beschaffung, gemeinsam üben, Wegschaffen von Marktbarrieren, die also den Binnenmarkt für Verteidigungsgüter bisher behindern, mit Zertifizierungen, oder dass wir uns nicht die Versorgungssicherheit zusichern, alles solche Dinge kann man wegräumen, um auf diese Art effektiver zu werden bei der Geldausgabe. Denn wir werden es nicht nur mit Steigerungen schaffen."
    Schützenpanzer des Typs Marder werden am 21.02.2017 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr (Bayern) auf einen Zug verladen. 
    Bislang stattet jedes Land seine Streitkräfte mit Material der heimischen Rüstungsindustrie aus. Das ist nicht nur teuer, sondern auch ineffizient. (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Ziel einer gemeinsamen europäischen Verteidigungsgemeinschaft ist nicht eine europäische Armee, sondern bessere Zusammenarbeit. Auch die NATO hat keine eigenen Truppen, sondern nur Kommandostrukturen. Die Truppen werden von den Mitgliedsstaaten gestellt und unterhalten. Bei jedem NATO-Einsatz unterstellen die Mitgliedsstaaten die benötigten Truppen für einen begrenzten Zeitraum dem NATO-Kommando. Genauso würde es auch im Rahmen der Europäischen Union funktionieren. Dafür braucht die EU nur die Kommandostrukturen, die für militärische Einsätze nötig sind – und den politischen Willen.
    Viele Fragen sind noch offen. Welche Rolle sollen zum Beispiel die bereits bestehende deutsch-französische Brigade und die seit langem geplanten europäischen Eingreiftruppen spielen? Wie wird die Zusammenarbeit mit der NATO aussehen? Wie gemeinsam wird die militärische Ausrüstung tatsächlich beschafft? Diese Fragen müssen geklärt werden. Sicher ist derzeit nur, dass nicht alle EU-Länder dabei mitmachen werden.
    Kleinere Mitglieder zwiespältig gegenüber den Großen
    Wenn an diesem Montag die Regierungschefs von Deutschland, Italien und Spanien auf Einladung des französischen Präsidenten Francois Hollande nach Versailles kommen, dann werden vor allem die Regierungen der anderen EU-Staaten anschließend genau nachfragen, was die vier Großen dort besprochen haben. Solche Mini-Gipfel werden meist sehr argwöhnisch verfolgt. Denn einerseits erwarten die meisten Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten durchaus, dass vor allem Frankreich und Deutschland die Entwicklung in der Europäischen Union voranbringen, vor allem in schwierigen Zeiten wie jetzt. Zugleich fürchten vor allem kleinere Mitgliedsländer, dass Berlin und Paris wichtige Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg treffen.
    Eine zentrale Frage ist zum Beispiel, wie Merkel, Hollande und Co die stärkere europäische Verteidigungsgemeinschaft auf den Weg bringen wollen. Möglich ist vieles: ein Kerneuropa ebenso wie ein Europa der variablen Geometrie oder sogar eine Zusammenarbeit der Regierungen außerhalb der europäischen Institutionen.
    Ob die Bundeskanzlerin die Verteidigungsgemeinschaft an den europäischen Einrichtungen vorbei plant? Schwer zu sagen. Aber wenn sich einzelne EU-Mitgliedsstaaten untereinander einigen, dann brauchen sie dazu weder das Plazet der Europäischen Kommission noch des Europäischen Parlaments. Sie müssen auch keine Rücksichten auf Länder nehmen, die ohnehin nicht dabei sind. Alles geht schneller, einfacher und ohne komplizierte Änderung der EU-Verträge. Einen Nachteil gibt es allerdings: Die beteiligten EU-Regierungen müssen auch künftig in diesem Bereich alles einstimmig beschließen, und das macht das ganze Vorhaben dann doch wieder kompliziert.
    Intergouvernementales Vorgehen
    Vor allem in der europäischen Außenpolitik und Sicherheitspolitik wird bereits heute vieles intergouvernemental entschieden, also zwischen den Regierungen, ohne Mitsprache von EU-Kommission und Europäischem Parlament. Aber es gibt auch weitergehende Überlegungen, etwa zum Aufbau eines europäischen Währungsfonds als Ergänzung zum Internationalen Währungsfonds. Hier strebt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble offenbar ein intergouvernementales Vorgehen an. Der grüne Europaabgeordnete hält das für einen Fehler:
    "Das intergouvernementale Europa bedeutet immer eine stärkere Dominanz der großen Mitgliedsländer, das kann nicht im Interesse europäischen Zusammenhalts sein. Es ist auch nicht im deutschen Interesse, weil nämlich durch diese faktische Gestaltungsmacht Deutschlands bei schwachen europäischen Institutionen wird immer der Ärger auf uns abgeladen. Das wird dazu führen, dass wieder wir die Rolle des Zuchtmeisters in Europa zugewiesen bekommen, und der ist Sprengstoff für die europäische Einigung."
    Sven Giegold (Bündnis 90/Die Grünen), finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament.
    Der Grünen-Europa-Abgeordnete Sven Giegold hält ein intergouvernementales Vorgehen in der EU für einen Fehler. (imago stock&people)
    Unterschiedliche Geschwindigkeiten sind auch möglich, wenn die EU-Institutionen einbezogen werden- dafür brauche man keine intergouvernementalen Lösungen, betont der grüne Europaabgeordnete. Tatsächlich arbeitet die Europäische Union schon lange mit verschiedenen Integrationsstufen.
    Verschiedene Integrationsstufen gibt es bereits
    So machen beim Schengen-Abkommen von 28 EU-Staaten sechs Länder nicht mit, beim Euro sind es neun, die außen vor geblieben sind. Das Europäische Scheidungsrecht gilt nur in 14 Staaten. Dänemark nimmt nicht an der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik teil, und nur teilweise an der europäischen Justizzusammenarbeit. Polen hat die europäische Grundrechte-Charta nie unterzeichnet und Großbritannien hat sich gar in sieben Politikbereichen der Europäischen Union von der Mitarbeit befreien lassen.
    Die Europäische Union sei eben ein freiwilliger Zusammenschluss sehr unterschiedlicher Länder, sagt Guntram Wolff, Direktor der Brüsseler Denkfabrik Bruegel:
    "Insofern widerspiegeln diese verschiedenen Integrationsniveaus letztendlich die Diversität Europas und den Willen verschiedener Länder und Bevölkerungen zusammenzuarbeiten zu bestimmten Projekten oder nicht. Das Ganze ist natürlich komplex und nicht leicht zu managen, ist aber letztendlich gelebte Realität eines doch sehr großen und sehr diversen Kontinents."
    Eurozone - das sollte einst für die gesamte EU gelten
    Geplant war es anders. Bei der Währungsunion beispielsweise war man ursprünglich davon ausgegangen, dass einige EU-Länder anfangen und vorausgehen und die übrigen den Euro eben später einführen - sobald sie wirtschaftlich und innenpolitisch dazu bereit und in der Lage sind. Das Ziel war klar: Der Euro sollte eines Tages in der gesamten Europäischen Union gelten. Finanz- und Bankenregeln sollten deshalb nicht nur in der Eurozone gelten, sondern in der gesamten Europäischen Union.
    Großbritannien wollte auch schon vor dem Brexit nicht Teil der Eurozone sein.
    Großbritannien wollte auch schon vor dem Brexit nicht Teil der Eurozone sein. (dpa / picture alliance / Andy Rain)
    Doch es kam anders. Großbritannien und Dänemark ließen sich noch vor der Einführung des Euro von der Beitrittspflicht zur gemeinsamen Währung befreien. Auch Schweden hat sich längst verabschiedet, und seit einiger Zeit signalisieren auch die polnische und die ungarische Regierung, dass sie nicht mehr daran denken, den Euro einzuführen.
    Umstritten: Mitbestimmung der Nicht-Euro-Länder an Eurozone-Themen
    Trotzdem entscheiden die neun EU-Länder, die nicht im Euro sind, alle Spielregeln für die Eurozone mit: Rettungsschirme, Bankengesetze und Finanzmarktregeln. Die britische Regierung etwa hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie dabei vor allem das Wohl des Finanzplatzes London im Auge hat und hatte. Der französischen Europaabgeordneten , einer Liberalen mit viel Verständnis für Großbritannien, geht das deutlich zu weit:

    
Sylvie Goulard ist eine französische Politologin, für die Partei Mouvement démocrate im Europaparlament. 
    EU-Politikerin Sylvie Goulard hält die Mitbestimmung der Nicht-Euro-Länder an Eurozone-Themen für unfair. (picture alliance / dpa / Mathieu Cugnot)
    "Es stört mich auch, dass die Ernennung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank auch von britischen oder anderen Abgeordneten mit abgestimmt wird. Wir müssen irgendwann ein souveränes Entscheidungsverfahren für die Eurozone entwickeln."
    Für noch problematischer hält die französische Europaabgeordnete eine europäische Verteidigungsgemeinschaft, bei der EU-Länder mitbestimmen, die selbst nicht mitmachen:
    "Zum Beispiel, wenn unsere Soldaten nach draußen geschickt werden - und vielleicht dort getötet werden – mit den Stimmen von Leuten, die sich nicht engagieren, das wäre vollkommen inakzeptabel. "
    Das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, wie wir es heute kennen, könnte damit an seine Grenzen kommen. Und auch eine EU-Kommission und ein Europaparlament, die mal für 14, mal für 18, mal für 27 Länder zuständig sind und abstimmen sollen, sind zwar theoretisch möglich, aber in der Praxis nicht vorstellbar. Zumal unübersichtliche Organisationen von den Bürgern als undemokratisch empfunden werden.
    Jean-Claude Juncker: "Ein Europa mit mehreren konzentrischen Kreisen"
    Am vergangenen Mittwoch hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein sogenanntes Weißbuch mit fünf möglichen Szenarien für die künftige Europäische Union vorgelegt: Sie reichen von einer Reduzierung auf den bloßen Binnenmarkt bis zu einem ambitionierten europäischen Bundesstaat. Seine persönliche Vorstellung der Europäischen Union hat Juncker vor kurzem vor Studenten der Universität Louvain la Neuve ausgebreitet.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker plädiert für ein Europa mit mehreren konzentrischen Kreisen. (imago/Xinhua)
    "Eine Konstruktion mit einem Kern: Ich bin nicht für ein Europa mit einem harten Kern, aber für ein Europa der verschiedenen Kreise. Wir müssen uns ein Europa mit mehreren konzentrischen Kreisen vorstellen. Es gibt immer welche, denen es in der Küche zu heiß ist und die deshalb mehr frische Luft brauchen. Deshalb brauchen wir einen Kreis um Europa herum, wo alle diejenigen
    Doch die Eurozone braucht für alle wichtigen Entscheidungen auch in Zukunft die Zustimmung der Nicht-Euro-Länder in der EU. Deshalb muss die Eurozone Rücksicht nehmen auf deren Empfindlichkeiten. Denn vor allem in Osteuropa ist die Angst groß, innerhalb der EU in der Zweiten Liga zu landen. Der ungarische Europaabgeordnete Peter Niedermüller, ein Sozialdemokrat:
    "Wo sozusagen die Kernzone der Eurozone vorschreibt, was die Länder außerhalb der Eurozone machen müssen. Und das ist das, was Polen, Ungarn, aber ich denke teilweise auch Rumänien und Slowakien auch ablehnen."
    Immer die gleichen Verdächtigen?
    Es geht also nicht nur darum, welche Länder bei einer engeren Zusammenarbeit dabei sind und wie diese Zusammenarbeit aussieht. Es geht ganz wesentlich darum, wie sich die Regierungen der EU-Staaten verhalten werden, die nicht mitmachen wollen. Nur zuzuschauen, beim Euro, bei Schengen, bei der künftigen Verteidigungsgemeinschaft, und das aus eigenem Willen, das ist eine Sache. Zu akzeptieren, dass man deshalb zum EU-Mitglied zweiter Klasse wird, dass man nur noch teilweise dazugehört, dass man nicht mehr überall mitreden darf, ist etwas ganz Anderes. Gerade Länder wie Polen oder Ungarn haben damit erhebliche Schwierigkeiten.
    epa05520417 German Chancellor Angela Merkel (L) and French President Francois Hollande (R) arrive at the 25th Evian Franco-German meeting in Evian-les-Bains, France, 02 September 2016. EPA/SEBASTIEN NOGIER |
    Wenn sich in der Verteidigungsunion dieselben Länder zusammenfinden wie in der Eurozone, könnte es zu einer Schieflage in der EU kommen. (DPA / Sebastien Nogier)
    Aber wenn sich in der Verteidigungsunion dieselben Länder zusammenfinden wie in der Eurozone, und so könnte es kommen, dann wird sich zwangsläufig eine Dynamik entfalten: Dann entsteht ein Kerneuropa - ganz gleich, wie man es am Ende nennen wird.