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"Diese Angstpolitik in der Steuer muss dringend beendet werden"

"Platz für Steuersenkungen nein, Platz für Steuerreform und -verlagerung eindeutig ja", fasst Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, seine Haltung zusammen. Er fordert, die halben Mehrwertsteuersätze zu bereinigen und den Mittelstandsbauch und die kalte Progression zu mildern.

Kurt Lauk im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Auf der anderen Leitung mitgehört hat Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrates. Guten Morgen.

    Kurt J. Lauk: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Lauk, wir sammeln heute Morgen Stimmen aus der Union, die für Steuersenkungen sind. Sind Sie auch dafür?

    Lauk: Zunächst mal: Die Ausgangslage ist relativ eindeutig. Wir haben 2010 mit 50 Milliarden neuer Kredite das höchste Defizit aller Zeiten in der Bundesrepublik Deutschland. Das strukturelle Defizit bleibt auch 2011 noch bei 60 Milliarden. Das heißt, es gibt eigentlich für Steuersenkungen überhaupt keinen Spielraum, wenn wir das Grundgesetz, das wir gerade ja mit dem Artikel des Budgetausgleichs neu verabschiedet haben, ernst nehmen wollen.

    Müller: Sie meinen die Schuldenbremse?

    Lauk: Die Schuldenbremse. – Was allerdings zwingend notwendig ist – und insofern bin ich mit dem bayerischen Finanzminister sehr einig -, wir brauchen eine Entrümpelung unseres Steuerrechts, wir brauchen Steuervereinfachung. Wir brauchen gleichzeitig eine Entlastung des Mittelstandsbauchs und der Kalten Progression. Wir müssen das aber finanzieren, gegenfinanzieren. Und unser Vorschlag als Wirtschaftsrat war und ist eine Bereinigung der halben Mehrwertsteuersätze. Es kann kein Mensch erklären, das wurde ja gerade auch noch mal gesagt, dass Babynahrung mit dem vollen Steuersatz und Hundefutter mit dem halben Steuersatz belegt ist. Diese Bereinigung ist zwingend notwendig. Durch diese Bereinigung können wir dann Mittelstandsbauch und Kalte Progression entlasten, aber mit Gegenfinanzierung. Wir haben nach wie vor ein strukturelles Defizit in Deutschland, das sensationell hoch ist. Wir haben die höchste Zusatz-Staatsverschuldung in der Republik, in der Geschichte der Republik in diesem Jahr.

    Müller: Dann sehen Sie das so wie die Kanzlerin und wie der Bundesfinanzminister?

    Lauk: Eindeutig ja, Platz für Steuersenkungen nein, Platz für Steuerreform und -verlagerung eindeutig ja.

    Müller: Jetzt gibt es bei uns im Haus, Herr Lauk, Kollegen, Journalisten, die auch immer in der Hauptstadt gearbeitet haben. Die kennen das Thema Steuervereinfachung seit 30 Jahren. Sie kennen es auch schon sehr, sehr lange. Warum ist da bisher nichts passiert?

    Lauk: Weil man Angst hatte, über die Kameralistik zu Mindereinnahmen zu kommen. Bei ständiger Neuverschuldung hat man davor zurückgeschreckt. Diese Angstpolitik in der Steuer muss dringend beendet werden. Wir brauchen hier auch mal mutige Schritte. Man kann mit Sicherheit nicht alles auf Heller und Pfennig berechnen, was da rauskommt, aber in der Größenordnung eines vernünftigen Ausgleichs, den Mut sollte man jetzt wirklich haben.

    Müller: Es geht also da nicht nur um bürokratische Hemmnisse und Vereinfachungen, sondern tatsächlich wird es auch alles ein bisschen billiger?

    Lauk: Es wird eine Verlagerung geben. Es wird, wenn Sie den halben Mehrwertsteuersatz beenden, einiges etwas teuerer. Auf der anderen Seite verlagern wir dann Kaufkraft, wenn Sie den Mittelstandsbauch nehmen und die Kalte Progression, dorthin, wo die Menschen arbeiten und mehr Netto vom Brutto in der Lohntüte haben sollen, damit das auch einen Binnenkonjunkturanreiz gibt, die Kaufkraft gestärkt wird und die Binnenkonjunktur nach oben geht, was dringend notwendig ist, auch wieder, um zu mehr Arbeitsplätzen zu kommen.

    Müller: Sie wollen also jetzt nicht nur einfach tauschen. Sie wollen jetzt nicht sagen, Hundefutter 15 Prozent, 18 Prozent und dann dafür die Babynahrung billiger?

    Lauk: Nein, nein! Nicht einfach tauschen, sondern die Verlagerung dorthin, wo die Menschen arbeiten.

    Müller: Verlagerung heißt dann Erhöhung?

    Lauk: Nein. Die Verlagerung - - Moment! Wenn der Mehrwertsteuersatz, der halbe, abgeschafft würde ...

    Müller: Zum ganzen!

    Lauk: Ja. ... , dann gibt es Mehreinnahmen, und diese Mehreinnahmen würde ich den Menschen geben, die in Arbeit sind, damit sie mehr Netto vom Brutto haben. Das ist eine Verlagerung, die für den Bund ausgeglichen ist, wenigstens gedanklich, theoretisch, aber gleichzeitig eine konjunkturell positive Wirkung hat.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrates. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Lauk: Auf Wiederschauen!