
Wie begründet Trump sein Vorgehen juristisch?
In den USA haben im Normalfall die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde. Sie ist eine militärische Reserveeinheit und Teil der US-Streitkräfte. Jeder Bundesstaat hat seine eigene Nationalgarde, die bei Naturkatastrophen, Unruhen oder Notfällen im Inneren eingesetzt werden kann. Trump stützt die Übernahme des Kommandos über die Nationalgarde in Kalifornien unter anderem auf eine Bestimmung des "Title 10" des Kodex der Vereinigten Staaten. Dieser erlaubt dem Präsidenten im Falle einer "Rebellion oder der Gefahr einer Rebellion gegen die Autorität der Regierung der Vereinigten Staaten", die Kontrolle an sich zu ziehen. Trump argumentiert, die Proteste gegen die Beamten der Einwanderungsbehörde ICE seien eine Rebellion gegen die Bundesregierung.
Es ist das erste Mal seit 1965, dass der Präsident sich ohne Einwilligung eines Gouverneurs der Nationalgarde eines Bundesstaates bemächtigt. Damals setzte Präsident Johnson zusätzlich zur Nationalgarde auch reguläre Soldaten ein, um während der Bürgerrechtsbewegung im Südstaat Alabama die fast ausschließlich schwarzen Demonstranten zu schützen.
Welche Befugnisse haben die Nationalgardisten und die entsandten Marinesoldaten?
Das reguläre Militär - und damit die von Trump entsandten Marineinfanteristen - untersteht immer der US-Regierung. Es ist eher für Kriegsführung und die nationale Sicherheit zuständig und nicht für den Einsatz mit Zivilisten ausgebildet. Bislang ist unklar, auf welche rechtliche Grundlage sich die Regierung beruft. Allerdings erklärte das zuständige Regionalkommando, dass die Soldaten die bereits mobilisierten Kräfte der Nationalgarde dabei unterstützen sollen, Mitarbeiter und Eigentum der Regierung zu schützen.
Nach Einschätzung von Juristen darf die Nationalgarde die Beamten oder Gebäude der Einwanderungsbehörde schützen. Sie dürften aber keine normalen Strafverfolgungsmaßnahmen wie Festnahmen oder Razzien übernehmen.
Der Bundesstaat Kalifornien hält das Vorgehen Trumps für unrechtmäßig. Die dortige Regierung hat bereits Klage eingereicht gegen Trumps Entscheidung, die Kontrolle über die Nationalgarde zu übernehmen. Sie kündigte zudem an, auch gegen die Entsendung regulärer Soldaten nach Kalifornien vor Gericht zu ziehen.
Warum geht Trump so massiv gegen die Demonstranten vor?
Bürgerrechtler befürchten, dass Trump sich mit dem Vorgehen einen Blankocheck ausstellen will, um das Militär später nicht nur in Los Angeles, sondern überall im Land einzusetzen. Gegner von Trump werfen ihm zudem vor, in Los Angeles gezielt eine Krise zu schaffen, um von eigenen Misserfolgen in anderen Bereichen abzulenken. Sie betonen, dass es sich um kleinere Proteste gegen das Vorgehen der Einwanderungsbehörde ICE handelt, die solch ein rigoroses Handeln nicht rechtfertigen.
Wie könnte es weitergehen?
In den USA wird befürchtet, dass Trump noch einen Schritt weiter gehen und eine Art Kriegsrecht verhängen könnte, indem er ein als "Insurrection Act" bekanntes Gesetz anwendet. Das Gesetz von 1807 erlaubt es dem Präsidenten in Ausnahmesituationen, das Militär im Inland einzusetzen und sich an Strafverfolgungsmaßnahmen zu beteiligen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Unter normalen Umständen ist dies in den USA nicht erlaubt. Diesen Schritt ging zum Beispiel auch Präsident Johnson im Jahr 1965.
Zuletzt wurde "Insurrection Act" 1992 angewendet. Damals kam es zu massiven Unruhen in Los Angeles, als Polizisten den Schwarzen Rodney King brutal zusammengeschlagen hatten und anschließend freigesprochen worden. Damals geschah dies allerdings auf Wunsch des Bundesstaates Kalifornien.
Trump sprach im Wahlkampf immer wieder davon, "das Gesetz anzuwenden". Die Demonstranten in Kalifornien bezeichnete er zudem als "Insurrectionists" - auf Deutsch etwa Aufständische oder Aufrührer. Die Aktivierung des "Insurrection Acts" würde wohl zu einer weiteren politischen und gesellschaftlichen Spaltung im Land führen, die Lage dürfte weiter eskalieren - landesweite Proteste wären zu erwarten.
(Mit Material der Deutschen Presse-Agentur)
Diese Nachricht wurde am 10.06.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.