
US-Präsident Donald Trump will den Staat umbauen und seine Macht ausweiten – auch auf Kosten der Wissenschaft. Bereits zu Beginn seiner zweiten Amtszeit kürzte er per Dekret Mittel von Forschungsbehörden und Hochschulen. Ganze Forschungsfelder stehen womöglich vor dem Aus.
Auch bei ausländischen Studierenden sorgt Trumps Vorgehen für Verunsicherung. Wer in den USA studieren will, darf Stand 18. Juni 2025 wieder ein Visum bei US-Konsulaten und -Botschaften beantragen - muss dafür allerdings sein Social-Media-Profil auf öffentlich stellen und auch sonstige Online-Aktivitäten checken lassen: Vertritt die Person eine „USA-feindliche“ Haltung oder antisemitische Positionen? Unterstützt sie Terrorismus?
Damit hob das US-Außenministerium eine Anweisung vom Mai auf, wonach Konsulate vorerst keine Termine für Studierenden-Interviews mehr vergeben sollten. Diese Anordnung hatte allerdings ein Gericht bereits kassiert. Genauso wie die Anweisung an Harvard, dass dort keine Ausländer mehr studieren dürften. Die Uni hatte sich juristisch gewehrt.
Regierungsmitarbeiter hatten auch erklärt, dass Inhaber von Studentenvisa und Green Cards wegen Unterstützung der Palästinenser und Kritik an Israels Vorgehen in Gaza abgeschoben werden können. Kritiker sehen darin einen Angriff auf das in der Verfassung garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung.
Inhalt
- Wie führt Trump seinen Kampf gegen die Wissenschaft?
- Welche Folgen haben die Kürzungen für die Wissenschaft in den USA?
- Welche globalen Auswirkungen hat Trumps Politik auf die Wissenschaft?
- Wie wehren sich Wissenschaftler und Organisationen?
- Wie könnte die Unabhängigkeit der Wissenschaft dauerhaft geschützt werden?
Wie führt Trump seinen Kampf gegen die Wissenschaft?
Schon in seiner ersten Amtszeit zensierte Trump Forschung, kürzte Budgets und setzte politische Vorgaben durch. Jetzt verschärft er den Kurs, wie die Plattform Silencing Science-Tracker der Columbia University zeigt. Noch nie gab es mehr Dekrete und Drohungen gegen die Wissenschaft als in den ersten Wochen von Trumps zweiter Amtszeit, so Jennifer Jones von der Union of Concerned Scientists.
Am Tag seiner Amtseinführung verbot Trump per Verordnung alle DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion). Es blieb nicht dabei: Eine Liste verbotener Begriffe wie Diversity, Transgender oder Covid wird genutzt, um selbst bereits bewilligte Forschungsprojekte zu prüfen. Wer diese Wörter verwendet, riskiert den Entzug von Fördergeldern oder ein Arbeitsverbot.
Die Trump-Regierung hat mehreren Universitäten die Fördermittel gestrichen, denen sie eine zu liberale Ausrichtung vorwirft. Die Universität von Pennsylvania verlor 175 Millionen Dollar – unter anderem wegen ihrer Regeln zur Teilhabe von trans Menschen im Sport.
Die Columbia University in New York bekam 400 Millionen Dollar weniger, nachdem dort 2024 propalästinensisch demonstriert wurde. Laut Medienberichten will die Regierung die Uni künftig sogar unter mehrjährige richterliche Aufsicht stellen.
Die Attacken richten sich manchmal zunächst gegen einzelne Institute. So hat die Trump-Administration im Mai 2025 zwar nur der Harvard-Universität das Recht entzogen, ausländische Studierende zu unterrichten, Heimatschutzministerin Noem nannte diese Entscheidung aber explizit eine Warnung an alle Universitäten und akademischen Einrichtungen des Landes.
Die Anordnung der Regierung wurde zwei Tage später vom US-Bezirksgericht in Massachusetts gekippt. Die Harvard-Universität hatte dagegen geklagt.
Heimatschutzministerin Noem hatte die Entscheidung damit gerechtfertigt, dass Harvard aus Sicht der Regierung Gewalt fördere und für Antisemitismus auf dem Campus verantwortlich sei. Außerdem warf Noem der Universität vor, sich mit der Kommunistischen Partei Chinas zu koordinieren. Zudem kritisierte sie die Gleichstellungsrichtlinien der Hochschule.
Mit der Behauptung, Harvard gehe nicht entschieden genug gegen Antisemitismus vor, hatte die Trump-Regierung bereits im April Fördergelder der Harvard-Universität in Milliardenhöhe eingefroren.
Kürzungen und Stellenabbau
Angestellte von Bundesbehörden berichten von Loyalitätstests. Auf den Websites staatlicher Behörden wurden sämtliche Hinweise auf den Klimawandel entfernt. Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) löschten wichtige Gesundheitsdaten.
Neben Budgetkürzungen streicht die Regierung Stellen in zentralen Forschungseinrichtungen. Einige Beispiele: 65 Prozent der Angestellten der Umweltschutzbehörde sollen ihre Stellen verlieren. Bei der US-Wissenschaftsstiftung NSF sollen 50 Prozent der Stellen gestrichen werden und bei der Klimaschutzbehörde NOAA soll laut BBC mehr als 880 Mitarbeitenden gekündigt werden.
Bei den National Institutes of Health (NIH), einem der größten medizinischen Forschungsinstitute der USA, verlieren rund 1165 Forschende ihre Jobs. Kündigungen aufgrund angeblich unzureichender Performance erfolgen zum Teil fristlos und trotz als „exzellent“ bescheinigter Leistung.
Welche Folgen haben die Kürzungen in den USA?
In den USA fördert die Regierung Forschung mit Zuschüssen, die neben der Studie auch indirekte Kosten wie Labore und Verwaltung abdecken. Bisher machten diese 50 Prozent der Förderung aus.
Die neue Regelung der US-Regierung senkt den Anteil auf 15 Prozent. Das könnte bis zum Fiskaljahresende ein Loch von bis zu fünf Milliarden US-Dollar in die Universitätsbudgets reißen. Besonders öffentliche Hochschulen sind betroffen: Manche müssen Forschungsprogramme kürzen, andere die Studiengebühren erhöhen.
Trumps Strategie: Chaos, Verwirrung, Einschüchterung
Jennifer Jones von der Union of Concerned Scientists sieht in Trumps Vorgehen eine gezielte Strategie, „Chaos zu säen, Verwirrung zu stiften, Wissenschaftler einzuschüchtern.“ Die Einschränkungen bedrohen unter anderem das Gesundheitswesen – von der Bekämpfung von Pandemien wie der Vogelgrippe bis zur Überwachung der Luft- und Wasserqualität.
Jeffrey Flier, ehemaliger Dekan der Harvard Medical School, warnte auf X, die NIH-Kürzungen würden „Chaos verursachen und der biomedizinischen Forschung sowie Forschern in Krankenhäusern, Schulen und Instituten im ganzen Land schaden".
Laut US-Politikwissenschaftler Daniel Ziblatt gibt es belastbare Erhebungen, die zeigen, dass Institutionen und Behörden mit einem progressiven Ruf mit viel größerer Wahrscheinlichkeit von den Einschnitten betroffen sind.
Trump gehe es nicht primär um Einsparungen oder um Effizienz, er wolle politische Gegner mundtot machen, einschüchtern und ausschalten. Das seien klare Hinweise, dass Trump ein Autokrat ist, der an einer Gleichschaltung öffentlicher Institutionen arbeite, so Ziblatt.
Politische Einflussnahme
Dass die Unabhängigkeit der Wissenschaft durch politische Einflussnahme bedroht wird, zeigt sich auch in Trumps Personalentscheidungen.
Zum Gesundheitsminister ernannte Trump den Impfskeptiker Robert F. Kennedy Jr., Technologieberater des Präsidenten ist David Sacks, ein Anwalt und Risikokapitalgeber. Wissenschaftsberater ist Michael Kratsios, ein Unternehmer ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund, der ein Silicon-Valley-Unternehmen für künstliche Intelligenz leitet.
Zunächst sollte auch der Geschäftsmann und Milliardär Jared Isaacman neuer NASA-Chef werden. Er ist Investor bei SpaceX, dem Raumfahrtunternehmen von Elon Musk. Das erhält NASA-Gelder - ein Interessenkonflikt: Isaacman hätte über Mittel für ein Unternehmen entschieden, an dem er selbst beteiligt ist. Trump rückte von der Personalie ab – laut US-Medienberichten allerdings offenbar, weil Isaacman früher an demokratische Politiker gespendet haben soll.
Laut Physiker und Wissenschaftspolitik-Experte Michael Lubell setzt Trumps Regierung vor allem auf KI und Kryptowährungen: „Das zählt bisher als Wissenschaft für die Regierung.“
Einziger Wissenschaftler unter Trumps Spitzenpersonal ist Jay Bhattacharya, der die National Institutes of Health (NIH) leitet. Doch auch er steht in der Kritik: Während der Coronapandemie vertrat er Außenseitermeinungen, in der Fachwelt gilt er als wenig angesehen.
Welche globalen Auswirkungen gibt es?
Die globale Wissenschaftscommunity betrachtet die Entwicklung in den USA mit Entsetzen. Trumps Politik erschwert unter anderem den internationalen Austausch. Die USA sind einer der wichtigsten Kooperationspartner der Max-Planck-Gesellschaft. Das gelte für viele in Europa, sagt Max-Planck-Präsident Patrick Cramer.
Milliardenkürzungen in der Gesundheitsforschung und der US-Ausstieg aus der WHO gefährden den weltweiten Kampf gegen Aids, Malaria und Tuberkulose.
Auch in der Klimapolitik zieht sich die Regierung weiter zurück: Die USA sind aus dem Pariser Abkommen ausgetreten und stoppten die Teilnahme von US-Wissenschaftlern an UN-Klimabewertungen. So fehlten die US-Fachleute im Februar 2025 bei einer wichtigen Sitzung des Weltklimarats (IPCC) in China – ein Rückschlag für internationale Zusammenarbeit und Klimaforschung.
Mehrere US-Wissenschaftler kündigten an, das Land zu verlassen. Darunter der renommierte Historiker Timothy Snyder und der Faschismus-Forscher Jason Stanley. Laut einer Ende März 2025 in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Umfrage denken mehr als 75 Prozent der Wissenschaftler in den USA über einen Wegzug nach. Kanada, aber auch Europa könnten von einem Braindrain profitieren.
Wie wehren sich Wissenschaftler in den USA?
Die Universität Harvard hat sich juristisch gewehrt: sowohl gegen die Anweisung, keine ausländischen Studierenden mehr zu unterrichten, als auch gegen die Streichung von Fördergeldern.
Im April 2025 hatte die Elite-Uni Forderungen abgelehnt, Regelverstöße von ausländischen Studierenden zu melden, Diversitätskriterien bei Zulassung und Anstellung zu beenden und die Meinungsvielfalt auf dem Campus zu überwachen.
„Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen dürfen und welchen Studien- und Forschungsbereichen sie nachgehen dürfen“, schrieb Uni-Präsident Alan Garber.
Andere Elite-Hochschulen wie die New Yorker Columbia-Universität machten nach Drohungen aus Washington bereits Zugeständnisse – und handelten sich damit Kritik ein.
Auch andere private Wissenschaftsorganisationen fürchten um ihre Finanzierung. Die Gesellschaft für Mikrobiologie löschte vorsorglich Artikel etwa zum Thema Vielfalt; nach Kritik stellte sie sie wieder online. Auf der Website erschien dann ein Statement, in dem sich die Gesellschaft klar zu Vielfalt, Inklusion und Teilhabe bekennt.
Widerstand wächst
Auch die National Academies entfernten ihren Fünf-Jahres-Plan für Vielfalt, Teilhabe und Inklusion und strichen bestimmte Begriffe aus Studien. Dagegen protestierten 100 Mitglieder in einem offenen Brief.
Trotz Zurückhaltung großer Organisationen gibt es Protest. Auf der AAAS-Tagung gründeten Doktoranden die Bewegung "Stand Up for Science", die unter anderem die landesweiten Demonstrationen am 7. März 2025 geplant hat. Tausende Forscher gingen in Washington und mehr als 30 anderen US-Städten auf die Straße, um gegen die Einschnitte in der Wissenschaft sowie die Einflussnahme und Entlassungen durch die US-Regierung zu demonstrieren.
Wie kann die Unabhängigkeit der Wissenschaft geschützt werden?
„Die Wissenschaft muss unabhängig sein von Einflussnahme", sagt Jennifer Jones von der Union of Concerned Scientists: "Jene, die sie betreiben, müssen mit dem Rest der Welt kommunizieren können.“ Um diese Unabhängigkeit zu schützen, haben einige US-Regierungsbehörden in der Vergangenheit spezielle Science Integrity Policies eingeführt, Richtlinien zum Schutz wissenschaftlicher Integrität.
Doch bisher fehlt eine gesetzliche Verankerung. Daher setzt sich ihre Organisation für eine dauerhafte Lösung ein. „Wir hoffen, dass der US-Kongress in naher Zukunft eine neue Gesetzesvorlage zur wissenschaftlichen Unabhängigkeit einbringt: den Scientific Integrity Act“, sagt Jones.
Das Gesetz würde wissenschaftliche Behörden und ihre Mitarbeitenden vor staatlicher Einflussnahme schützen. „Ich hoffe, wir werden schon sehr bald eine neue Entwicklung sehen hinsichtlich des neuen Scientific Integrity Act.“
ema, bth