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Diesel-Gipfel
"Es ist wichtig, über die Luftqualität zu diskutieren"

Eine Milliarde Euro stellt die Bundesregierung Städten und Kommunen zur Bekämpfung der Schadstoffbelastung zu Verfügung. Die Maßnahmen müssten je nach Standort abgewägt werden, sagte Annette Peters vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung im Dlf. Grundsätzlich sei natürlich eine Vermeidung des Schadstoffausstoßes sinnvoll.

Annette Peters im Gespräch mit Ralf Krauter | 28.11.2017
    Abgase strömen aus dem Auspuff eines Fahrzeuges mit Dieselmotor, aufgenommen bei Saarbrücken (Saarland) am 03.08.2017.
    "Stickoxide dringen tief in die Lunge ein und können da eine Reizung der Lungen auslösen", erklärte Annette Peters im Dlf. (dpa/Daniel Karmann)
    Ralf Krauter: In Berlin fand heute der zweite Dieselgipfel statt. Doch wer sich davon wegweisende Weichenstellungen erhofft hatte, für eine bessere Luft in unseren Städten, der wurde enttäuscht. Wirklich konkret wurde es nämlich nur an zwei Stellen. Erstens: Die 1 Milliarde Euro, die die Bundesregierung den Städten und Kommunen bereits nach dem ersten Dieselgipfel im Sommer zugesichert hatte, für Sofortmaßnahmen, um die Stickoxid-Belastung zu senken, die sollen nun auch tatsächlich bereit stehen. Außerdem verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Maßnahmen für den umweltfreundlichen Umbau des Verkehrssektors im nächsten Jahr fortgesetzt und verstetigt werden sollen. Viel Wirbel also um eine Veranstaltung mit überschaubarem Output. Dabei sind die Probleme mit ungesunden Stickoxid-Konzentrationen, die zu einem beträchtlichen Teil aufs Konto von Dieselfahrzeugen gehen, längst nicht vom Tisch. Wie gravierend die Situation in punkto NOx derzeit ist, das habe ich vorhin Professor Annette Peters gefragt. Sie ist Expertin für Luftschadstoffe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in München. Hier ihre Antwort.
    Annette Peters: Die zulässigen Grenzwerte für Stickoxide werden insbesondere an vielbefahrenen Straßen und auch in Städten, die aufgrund ihrer Geografie schlechte Bedingungen haben, wie zum Beispiel Stuttgart, häufig überschritten.
    Gesundheitliche Folgen
    Krauter: Was sind die Folgen für die Gesundheit der Menschen, die in diesen Städten leben, zum Beispiel in Stuttgart am Neckartor?
    Peters: Stickoxide dringen tief in die Lunge ein und können da eine Reizung der Lungen auslösen. Man findet in großen epidemiologischen Studien einen Zusammenhang zwischen der Stickoxidbelastung und vorzeitigen Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen. Außerdem haben Personen mit Asthma bei erhöhten Stickoxidkonzentrationen Atemnot und Atembeschwerden, und das ist insbesondere der Fall, wenn gleichzeitig auch noch sie mit Allergenen belastet sind. Das sind im Frühjahr die Pollen und jetzt, wenn wir Richtung Winter gehen, natürlich möglicherweise auch die Hausstaubmilben.
    Krauter: Jetzt hat die Europäische Umweltagentur mal vorgerechnet, dass in Deutschland pro Jahr ungefähr 85.000 Menschen vorzeitig sterben aufgrund der Luftverschmutzung. Ist das eine Zahl, die belastbar ist? Und welcher Anteil davon würde auf Stickoxide entfallen, Ihren Erkenntnissen zufolge?
    Peters: Die Hochrechnung zu den zusätzlich aufgetretenen Todesfällen beruhen auf der aktuellen Belastung durch Luftschadstoffe und den Erkenntnissen zu den Expositionswirkungsbeziehungen, und die sind aus meiner Sicht belastbar. Bei den Zahlen der Europäischen Umweltagentur ist es so, dass ungefähr ein Sechstel der Todesfälle auf die Stickoxide fallen, aber der größere Anteil immer noch auf den Feinstaub zurückzuführen ist.
    Zusätzliche Todesfälle durch Stickoxidbelastung
    Krauter: Das heißt aber doch, rund 15.000 Menschen pro Jahr würden in Deutschland demzufolge an erhöhten Stickoxidkonzentrationen sterben.
    Peters: Ja, es ist richtig, dass es zusätzliche Todesfälle aufgrund von Stickoxidbelastung gibt. Allerdings ist es so, dass natürlich bei der speziellen Modellannahme immer gewisse Voraussetzungen gemacht werden. Und dementsprechend ist es auf jeden Fall eine große Zahl. Ob es nun genau 15.000 sind, das hängt eben von der Art der Berechnung ab.
    Krauter: Welchen Anteil haben Diesel-Fahrzeuge daran, dass die Stickoxidkonzentration in bestimmten Städten regelmäßig gerissen werden?
    Peters: Die Dieselfahrzeuge sind eine der Hauptquellen für die Stickoxidbelastung insbesondere an vielbefahrenen Straßen. Und da wünscht man sich natürlich für die Zukunft in der Tat Maßnahmen, die diese Belastungen reduzieren.
    Krauter: Das sieht die Bundesregierung ja inzwischen auch so, hat aber trotzdem das oberste Ziel ausgegeben, Fahrverbote zu vermeiden. Ist das aus Ihrer Sicht, aus Sicht der Expertin für Luftschadstoffe, eine sinnvolle Zielvorgabe?
    Peters: Die Zielvorgabe, Fahrverbote zu vermeiden, ist natürlich dadurch getrieben, dass man vor allen Dingen auch den Verkehr in den Städten oder die Geschäfte in den Städten nicht so sehr beeinflussen möchte. Rein jetzt aus der Gesundheitssicht sind Fahrverbote das am schnellsten wirkende Mittel, um die Stickoxidbelastung zu reduzieren.
    Wunsch und Wirklichkeit
    Krauter: Schauen wir mal abseits von Fahrverboten, die politisch ja nicht so leicht durchzusetzen sind. Die Bundesregierung hat den Städten und Gemeinden ja finanzielle Unterstützung in Höhe von einer Milliarde Euro zugesagt, um Wunsch und Wirklichkeit bei der Luftreinhaltung zur Deckung zu bringen. Wofür sollte dieses Geld aus dem sogenannten Mobilitätsfonds sinnvollerweise ausgegeben werden, also welche Maßnahmen hätten denn den größten Effekt?
    Peters: Die Maßnahmen sind natürlich je nach Standort abzuwägen. Grundsätzlich ist eine Vermeidung des Schadstoffausstoßes natürlich am besten, und da gibt es kürzerfristige und längerfristige Maßnahmen, dass man die existierenden Autos sauberer zu machen versucht, dass man Autos austauscht oder auch den Nahverkehr deutlich stützt, weil wenn man einen Teil durch öffentlichen Nahverkehr ersetzen könnte, würde das natürlich der Gesundheit sehr zuträglich sein.
    Krauter: Als eine mögliche Sofortmaßnahme wird ja jetzt auch diskutiert zum Beispiel, die Busflotten in Kommunen möglichst schnell umzurüsten, beispielsweise auf Elektroantrieb. Würde das denn reichen, um die Kuh vom Eis zu bekommen, oder wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
    Peters: Ganz ehrlich bin ich jetzt keine Expertin bei diesen Minderungsmaßnahmen oder der Fahrzeugflotte. Aber zum Beispiel fahren ja in vielen Städten inzwischen Busse mit Partikelfiltern. Das hat aus meiner Sicht die Luft deutlich verbessert.
    Experten seien gefragt
    Krauter: Wie sieht es mit Nachrüstungen für Diesel-Pkws aus? Auch da hat sich die Politik ja bisher zurückgehalten, technische Hardwarenachrüstung nicht explizit gefordert. Wird es dabei bleiben können?
    Peters: Aus meiner Sicht sind da wirklich die Experten gefordert, für die Automobilflotte die beste Vorgehensweise herauszufinden. Und dann gibt es ja Modelle, die berücksichtigen, wie sich ein veränderter Abgasausstoß dann auch auf die Konzentration am Straßenrand und in der Stadt auswirken würden. Und ich denke, da sind die Experten gefragt, um wirklich die besten Maßnahmen auszuwählen.
    Krauter: Haben Sie das Gefühl, dass all diese Debatten beim Dieselgipfel heute in Berlin wieder zu einem guten Ziel führen, was die Einhaltung der Luftreinhaltungsnormen in Deutschland angeht?
    Peters: Aus meiner Sicht ist das gerade für die Städte insgesamt natürlich einfach ein schwieriges Thema, wie kriegt man die Luft sauber und gleichzeitig, wie stellt man das Leben in den Städten und auch die Aktivitäten der Bürger dar. Und dementsprechend denke ich, muss man an vielen Stellen ansetzen, und ich finde die Debatten um das Thema gut. Ob jetzt heute schon der Durchbruch kommt, kann ich nicht beurteilen, aber ich denke, dass es wichtig ist, über die Luftqualität zu diskutieren, dass wir sowohl bei den Stickoxiden als auch beim Feinstaub eine bessere Luft in den Städten auch brauchen, weil es einfach unserer Gesundheit förderlich ist.