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Diesel-Nachrüstungen
"Autofahrer nicht zur Kasse bitten"

Der Staat dürfe nicht die Suppe auslöffeln, die die Automobilindustrie sich im Abgasskandal selber eingebrockt habe, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium, Florian Pronold (SPD), im Dlf. Jetzt müsse der politische Druck auf Hersteller wie VW weiter erhöht werden.

Florian Pronold im Gespräch mit Philipp May | 29.09.2018
    Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Florian Pronold (SPD)
    SPD-Umweltstaatssekretär Pronold will Pendler schonen (picture alliance / Gregor Fischer/dpa)
    Philipp May: Wie geht es weiter für die Millionen Besitzer von Diesel-Pkw, die möglicherweise bald nicht mehr in die Innenstädte fahren dürfen wegen zu hoher Abgaswerte - die Politik drängt auf eine Lösung. Die Autoindustrie bewegt sich zwar, aber eben doch nur millimeterweise. Gestern, beim nächsten Diesel-Gipfel im Kanzleramt, hat es zwar eine Annäherung gegeben, aber immer noch keine Lösung. Am Telefon ist jetzt Florian Pronold, für die SPD parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Schönen guten Morgen!
    Florian Pronold: Guten Morgen!
    May: Herr Pronold, wo hakt es denn jetzt?
    Pronold: Na ja, es ist erst mal so, dass es Bewegung gibt. Sie wissen - und das ist im Beitrag ja dargestellt worden -, dass bisher das Verkehrsministerium skeptisch war bei der Frage der Nachrüstung, zumindest von Diesel-Euro-5, und wir haben als Bundesumweltministerium immer darauf gedrängt, dass diese Nachrüstung passiert, weil wir uns nicht vorstellen können, dass wir in den 15, 20 hauptbetroffenen Städten mit den anderen Maßnahmen es schaffen, Fahrverbote zu verhindern. Außerdem geht es ja auch darum, dass Menschen hier, im Glauben, eine saubere Technologie gekauft zu haben, von einigen Automobilherstellern hinters Licht geführt worden sind und Werteverluste ihrer Autos hinnehmen müssen, die auch nicht nachvollziehbar sind, und deswegen ist dort eine der entscheidenden Schlüssel.
    Wie Sie registriert haben, hat es Bewegung gegeben. Die Kanzlerin hat sich sehr klar auch auf die Seite der SPD und des BMU gestellt, und jetzt bewegt sich vorsichtig auch der Verkehrsminister, und ich habe den Eindruck, was ich aus den Gesprächen höre, dass es auch dazu kommen wird, dass wir hier für eine große Anzahl an Diesel-Pkws Nachrüstoptionen vorsehen, und die SPD wird dafür kämpfen, dass da nichts kostenmäßig hängenbleibt bei denen, die eh schon geprellt sind.
    May: Also ich fasse zusammen, die Kanzlerin bewegt sich, der Verkehrsminister, der bewegt sich und das Bundesumweltministerium, und die SPD, bewegt die sich auch?
    Pronold: Na ja, es gibt ja, wie ich auch in der Rede gestern deutlich gemacht habe und vorgestern, es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, die alle zusammen helfen können, damit es dazu kommt, dass wir keine Fahrverbote in den besonders belasteten Städten kriegen. Der Verkehrsminister möchte gerne dieses Austauschprogramm. Dagegen spricht erst mal nichts, außer dass es eine ganze Menge Menschen gibt, die sich nicht nach zwei oder drei Jahren ihren neuen Diesel - das ist ja noch kein altes Auto - austauschen können und dafür noch mal Geld in die Hand nehmen können.
    Verschrotten wäre "völliger Unsinn"
    May: Ist ja auch nicht umweltfreundlich eigentlich so ein zwei Jahre altes Auto …
    Pronold: Wenn die verschrottet werden, ist es überhaupt nicht umweltfreundlich. Es ist von der CO2-Bilanz ja auch völliger Unsinn, und deswegen haben wir immer sehr stark auf die Nachrüstung gedrängt, und es schaut jetzt so aus, als wird man den entscheidenden Punkt auch durchsetzen, und trotzdem kann es doch so ein Austauschprogramm geben. Trotzdem ist es richtig, dass wir Milliarden in die Hand nehmen, um zum Beispiel Elektrobusse oder kommunale Müllfahrzeuge und so weiter so auszustatten oder so auszutauschen, dass sie zukünftig weniger NOx [Stickoxide, Anmerkung der Redaktion] hier in den Städten verbreiten und dass wir es schaffen, unter die gesundheitsbedenkliche Marke auch in den schwierigen Regionen zu kommen. Dann geht es zum Beispiel auch um solche Fragen.
    Also was strittig ist, ist auf alle Fälle, wie schaut es mit der Haftung aus. Das haben Sie vorher geschildert. Übernimmt die Automobilindustrie auch die Haftung für diese Nachrüstung - das ist ein Punkt, der über dieses Wochenende noch geklärt werden wird -, und dann geht es aber auch um die Frage, wer bekommt denn die Nachrüstung, also sind es die Leute, die in diesen Städten wohnen, sind es die Leute, die als Pendler dort hinfahren. Ich komme aus Niederbayern, viele aus dem bayrischen Wald fahren bis München. Wenn man eine 70-Kilometer-Grenze zum Beispiel machen würde, würde man doch eine ganze Menge Menschen, die weite Wege zur Arbeit in Kauf nehmen, da ausnehmen aus einer solchen Nachrüstregelung, und wir werden uns dafür einsetzen, dass es auch die Pendlerinnen und Pendler sind, die weite Wege in Kauf nehmen, die dann nicht ausgeschlossen werden aus den Städten.
    May: Also Sie fordern, dass mehr Menschen einbezogen werden, nicht nur, die in den zehn Städten wohnen, die jetzt das Bundesverkehrsministerium ins Spiel gebracht hat, sondern deutlich mehr. Es geht da um eine Million mehr Fahrzeughalter, glaube ich, habe ich gelesen, und gleichzeitig fordern Sie, dass die Autoindustrie auch die Garantie für die Nachrüstung übernehmen muss, wenn irgendwas kaputtgeht an dem Auto, die Gewährleistung. Was macht Sie so sicher, dass sich die Autoindustrie da bewegt?
    Pronold: Also Sie haben gesehen, dass jetzt nach mehr als zwei Jahren Diskussion, dann als Politik sich einig geworden ist, sage ich mal, also ich nehme mal den Bundesverkehrsminister, mit Verzögerung nur wahr, aber die Kanzlerin hat sehr deutlich gemacht, dass wir uns es nicht leisten können, dass es so ein Hin und Her weiter gibt, und …
    May: Darf ich kurz eine Zwischenfrage stellen: Also die Große Koalition, die ist auf einer Linie. Es ist jetzt nur noch tatsächlich die Frontlinie, GroKo gegen Autoindustrie?
    Pronold: Sie sehen ja Bewegung, Sie sehen Bewegung, dass auch VW jetzt das Angebot macht, die anderen erklären, sie können sich ein Gutscheinsystem vorstellen, und ich finde, das ist jetzt schon mal ein riesiger Schritt im Vergleich zu vor zwei Wochen, und jetzt muss der politische Druck weiter erhöht werden über das Wochenende, und ich finde, wir müssen zum Schluss zu einem Ergebnis kommen, dass die Automobilindustrie auch die Verantwortung übernimmt, übrigens auch aus eigenem Interesse, weil sie hat ziemlich viel Vertrauen verspielt, und ich finde, das schadet. Ich komme aus einer Automobilregion, da werden tolle und gute Autos hergestellt, und wir brauchen den Diesel zum Beispiel auch, um die CO2-Belastung zu senken und den CO2-Ausstoß zu senken, und deswegen muss doch alles getan werden, um Vertrauen wieder zurückzuholen. Das geht nur, wenn man diejenigen, die sich jetzt betrogen fühlen und die einen Wertverlust in Kauf nehmen mussten bei ihrem Wagen, nicht im Regen stehen lässt.
    May: Sie kommen aus Niederbayern, Dingolfing ist BMW, glaube ich.
    Pronold: Das ist so, ja.
    May: Ja, die bewegen sich nicht, sondern bisher ist es nur VW, und von BMW und auch von Daimler hört man bisher überhaupt keine Kompromissbereitschaft?
    Pronold: Na ja, ich glaube, es gibt auch unterschiedliche Betroffenheiten. Ich will da jetzt nicht richten zwischen den unterschiedlichen Autoherstellern, aber ich nehme auch in der Debatte um CO2-Grenzwerte und anderen Bereichen durchaus Unterschiede wahr, wie stark sich auch Konzerne vernünftig einstellen auf die Zukunft, und ich hoffe, dass erkannt wird, dass es für den gesamten Automobilstandort Deutschland …, und wir wollen ja auch den Industriestandort, den Automobilstandort Deutschland erhalten, aber ich finde, dass es sehr, sehr viele gibt, die den Eindruck haben, in den Gebieten, in denen sie gekauft haben, dass sie hinters Licht geführt worden sind, und das muss schon ein Interesse der Automobilindustrie sein, dass sie da sich bewegen und deutliche Schritte auf die Käuferinnen und Käufer zu machen. Ich habe den Eindruck, dass das passiert, und ich hoffe, dass das Wochenende ausreicht, dass es dann zu einem Ergebnis kommt, mit dem dann die allermeisten zufrieden sind.
    "Moralisch und faktisch haben sie das Ganze weit überdehnt"
    May: Herr Pronold, was ich nicht verstanden habe, auch in dem Beitrag nicht, was da so gesagt wurde: Warum kann man die Autokonzerne eigentlich nicht juristisch zwingen, Hardware-Nachrüstung durchzuführen, Punkt?
    Pronold: Weil ein ganz großer … Also es gibt zwei Bereiche. Es gibt zum einen diejenigen, die tatsächlich falsche Messangaben gemacht haben. Das ist die mit dieser Abschaltautomatik bei VW. Da gibt es eine Möglichkeit, über die Frage der Zulassung zu gehen und eventuell auch hier Geldbußen zu verhängen. Das betrifft aber nur einen Teil. Bei dem anderen ist es so, dass sie zumindest formal die Kriterien erfüllt haben, weil sie bei den Tests nicht betrogen haben, aber durch die Art und Weise des Testes, dass es sich um Laborbedingungen handelt, hat das nichts mehr zu tun mit den realen Abgasemissionen, die tatsächlich auf der Straße stattfinden, und sie haben wohl zu, wenn man die Buchstaben des Gesetzes nimmt, zu den Bedingungen gehandelt, die damals, als die Wagen zugelassen worden sind, vorgeschrieben waren, aber moralisch und faktisch haben sie das Ganze weit überdehnt, und deswegen sind sie jetzt auch in einer Verpflichtung.
    May: Moral ist ja kein Kriterium, vor allem, wenn es um Geld geht. Also am Ende wird es doch auf Steuergelder hinauslaufen, die dafür aufgewendet werden müssen, die Luft sauberer zu machen.
    Pronold: Wir wenden jetzt schon Steuergelder auf, allerdings dadurch, dass wir ein Programm "Saubere Luft" aufgelegt haben, um auch andere Mobilität in den Städten zum Beispiel zu machen. Ich hoffe, dass es gelingt, und das ist die Position der SPD, dass nicht mit Steuergeldern hier das kompensiert wird, was in der Automobil…
    May: Ist das auch eine rote Linie, ganz kurz?
    Pronold: Wir sind jetzt auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir haben das Problem auch noch der ausländischen Hersteller, denen Sie gar nicht habhaft werden können, und deswegen hoffe ich, dass es dabei bleibt, aber ich bin zu lange in der Politik, um nicht zu wissen, dass bei Verhandlungen es auch immer wieder das eine oder andere Zugeständnis gibt, wenn man Erfolg erzielen will. Das Wichtigste für mich ist, dass wir hier die Diesel-Fahrerinnen und Diesel-Fahrer nicht zur Kasse bitten. Ich bin auch der Auffassung, dass der Staat und wir als Allgemeinheit hier nicht in der Verantwortung sind, die Suppe auszulöffeln, die die Automobilindustrie sich selber und vor allem vielen Autofahrerinnen und Autofahrern und betroffene Menschen, die gesundheitliche Probleme haben in den Städten, eingebrockt hat.
    May: Sagt Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium. Herr Pronold, vielen Dank und schönes Wochenende!
    Pronold: Ich bedanke mich, ebenfalls ein schönes Wochenende!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.