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"Digitale Revolution bietet dem stationären Buchhandel Möglichkeiten"

Der Marketing-Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Ronald Schild, sieht in der Digitalisierung für den Buchhandel vor Ort "riesige Potenziale". Buchhändler könnten "Kompetenz-, Beratungs-, Community-Zentrum" werden, wenn sie Bücher künftig elektronisch anbieten würden.

Ronald Schild im Gespräch mit Karin Fischer |
    Karin Fischer: Die Buchmesse Frankfurt ist auch ein Handelsort. Es geht ums Business, es geht um die Zukunft. Gerade die Buchbranche ist mit Entwicklungen beschäftigt, die von späteren Jahrhunderten aus gesehen vielleicht genauso einschneidend sein werden wie die Entwicklung des Buchdrucks. Es geht grob gesagt und langfristig gedacht um so eine Art Abschaffung des Papiers, denn das Bücherregal steht mit dem E-Reader nicht mehr im Wohnzimmer, sondern hält sich sozusagen irgendwo in der Cloud auf, wie das neudeutsch jetzt heißt, und was das für den Buchhändler ums Eck bedeutet, das weiß heute eigentlich keiner mehr. Eine Einschätzung dazu von Richard David Precht, heute geäußert auf einem Podium der Reihe "open talks" der Frankfurter Buchmesse:

    "Ich persönlich glaube nicht, dass das E-Book Tod der Bücher sein wird. Die Buchhandlungen, sehr, sehr viele werden sterben, aber nicht am E-Book, sondern am Internet-Buchhandel. Also Amazon wird sie alle töten, lange bevor das E-Book überhaupt zum großen Thema wird."

    Fischer: Ronald Schild, das einzige, was für viele Leute heute feststeht, ist, dass der deutsche Buchhandel auf die E-Book-Revolution zu spät reagiert hat und dem Kindle und Amazon damit praktisch das Feld überlassen hat, um diesen Vorwurf aufzugreifen.

    Ronald Schild: Das würde ich so nicht unterschreiben, denn auch Amazon und andere sind erst vor wenigen Monaten gestartet. Der Buchhandel hat noch Zeit, auf die E-Book-Revolution zu reagieren. Aber Sie haben vollkommen recht: er muss es sehr schnell tun, bevor der Kuchen verteilt ist.

    Fischer: Sie haben heute auf einer Veranstaltung gesprochen, die nur scheinbar im Widerspruch steht zu dieser vorher genannten These. Die lautete: "Liegt die Zukunft des stationären Buchhandels im Netz?" Und da wollten Sie Modelle entwickeln, wo es eben genau um die Gegenbewegung geht. Nicht der Buchhandel geht tot durch das E-Book, sondern man stützt ihn.

    Schild: Ja, genau. Der Buchhändler kann auch in einer digitalen Welt einen sehr hohen Kundennutzen stiften und sehr wesentliche Kundenbedürfnisse erfüllen. Er muss sich nur so aufstellen, wie der Kunde das wünscht, und der Kunde wünscht eben häufig, dass er sein Buch 24 Stunden am Tag, sieben Tage bestellen kann, er möchte seine Bücher auch elektronisch auf Lesegeräten lesen, er möchte viele Dinge haben, die der Buchhändler heute in der heutigen Form so nicht bietet. Der Buchhändler muss darauf reagieren und wir vom Börsenverein des deutschen Buchhandels unterstützen den Buchhandel sehr aktiv. Deshalb haben wir heute auch ein eigenes Lesegerät für den Buchhandel angekündigt, den "Liro Color", mit dem der Buchhändler nicht nur ein Gerät, Hardware verkaufen kann, sondern auch die dazugehörigen E-Books.

    Fischer: Noch mal vielleicht dazu. Was hat der Buchhandel davon, was hat der Kunde davon, von Ihrem Modell, das heute vorgestellt wurde?

    Schild: Nun gut, dem Buchhandel ermöglichen wir, E-Books zunächst mal zu verkaufen. Das ist seine ureigene Aufgabe, Bücher zu verkaufen. Der Buchhändler hat ja nicht als eigentliche Aufgabe, Papier zu verkaufen, sondern Bücher, Inhalte, Geschichte, Wissen zu verkaufen, und eigentlich sollte es dem Buchhändler relativ egal sein, ob er das auf gedrucktem Papier, oder in elektronischer Form macht. Die elektronische Form hat ihre speziellen Herausforderungen, und dabei helfen wir dem Buchhandel.
    Der Kunde hat davon, dass er das beste aus den beiden Welten bekommt. Er kann nach wie vor zu seinem Buchhändler um die Ecke gehen, einen Kaffee trinken, sich beraten lassen, sich von seinem Buchhändler ganz spezielle und individuelle Empfehlungen geben lassen, und kann dieses Buch dann auch eben elektronisch auf seinem "Liro" kaufen und lesen, wann er das möchte.

    Fischer: Die Lese- und Buchlandschaft wird differenzierter. Wir haben ja noch eine andere, sozusagen zwei andere gegensätzliche Entwicklungen, nämlich die großen Buchhandelsketten, sozusagen mit der Bestsellerware, und die kleinen Buchhändler, die, wie Sie sagen, Kundennähe, Beratung, persönliche Empfehlungen haben und damit auch Differenzierung ermöglichen. Die kleinen als Qualitäts- und Relevanzagentur, wie wir auch den Deutschlandfunk bezeichnen, das klingt natürlich sympathisch, trotzdem werden diese kleinen ja immer weniger.

    Schild: Das ist in der Tat richtig, aber gerade die digitale Revolution bietet eben auch dem stationären Buchhandel die Möglichkeit, diesen Aspekt wieder nach vorne zu stellen. Was im ersten Moment vielleicht als Widerspruch anmutet, birgt ein riesiges Potenzial, denn der Buchhändler hat die Möglichkeit, die gedruckten Bücher, die er sich auf Lager legt, deutlich zu reduzieren, weil er eben über den Online-Versand gedruckte Bücher, oder eben direkt über den digitalen Vertrieb das gesamte Sortiment, über eine Million deutschsprachige Bücher, sofort und jederzeit verkaufen kann. Und wir sehen auch diesen Trend bei den Großbuchhandlungen, bei den Filialisten. Dort haben wir eigentlich einen Stopp des Flächenwachstums, viele Großbuchhandlungen gehen dazu über, Verkaufsfläche zu reduzieren, und wir sehen das als Vorboten, möglichen Vorboten für einen längerfristigen Trend, dass der Buchhändler zu einem Kompetenz-, Beratungs-, Community-Zentrum vor Ort wird, eine begrenzte Auswahl an gedruckten Büchern hat, aber eben über das Internet, über mobile Angebote ein Komplettsortiment anbieten kann.

    Fischer: Ronald Schild, herzlichen Dank fürs Kommen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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