Den Hund von Würmern zu befreien war einfach. Ich gab ihm eine Wurmkur-Paste, auf zwei dicke Scheiben Fleischwurst geschmiert, gierig schlang der Hund sie hinab, hatte das Mittel intus und wurde die Würmer los. Elektronische Parasiten sind hartnäckiger – wenn ich meinem Rechner eine geimpfte Scheibe Salami anböte, sähe das zwar lustig aus, und er würde mich, wenn er könnte, auch auslachen, aber die Würmer hätte er immer noch.
Würmer sind lästig: Man hat sie nicht bestellt, trotzdem sind sie da. Und haben Tarnnamen, mit denen ich nichts anfangen will: "I love you", hieß einer; "Sobig.S" ein anderer, das jüngste zugelaufene Haustier heißt "Sasser". Das klingt nach Ich werd‘ blasser, heule Rotz und Wasser; mancher denkt an Tausendsassa, andere assoziieren Yasser Arafat. Wenn ich schon unerwünschten Besuch bekommen muss, möchte ich wenigstens mit ihm spielen. Ich kann dem Wurm doch Namen geben, die mir besser gefallen. JOOP! zum Beispiel ist ein wunderbarer Name für einen Wurm. So will ich ihn begrüßen: "Na, JOOP!, bist du wieder da? Keiner will dich haben, und trotzdem bist du überall...?" Auch KERNER wäre ein guter Wurmname, aber nein, so etwas mag ich nicht im Haus haben.
So viele Möglichkeiten
Wie wäre es mit ANSGAR? Diesem hartnäckigen, hechelnden Streber aus dem Leistungs!Leistungs!kurs Leben? "Hallo ANSGAR", begrüße ich den ungebetenen Gast, und so wird gleich alles etwas privater, etwas weniger anonym. ANSGAR hat seine Frau mitgebracht, sie passt sehr gut zu ihm und heißt deshalb HILKE. Denn wenn ein Wurm ein Weibchen wär‘, dann müsst‘ die Wurmin HILKE heißen. HILKE ist der perfekte Name für Geschöpfe, die "EIN STÜCKWEIT" sagen. O ja, ich werde den Wurm EIN STÜCKWEIT HILKE nennen. Oder HANS-OLAF? Indem ich ihm demütigende Namen gebe, verliert der elektronische Gast seinen Schrecken, ich bin wieder von der besten Laune, und Sorgen, dass mir die Namen für die Plagen einmal ausgehen könnten, muss ich mir nicht machen. Es gibt so viele Möglichkeiten.
Der Satiriker Wiglaf Droste verstarb am 15. Mai 2019 im Alter von 57 Jahren. Er schrieb seit den 1990er-Jahren für die Zeitung "Junge Welt". Außerdem arbeitete er unter anderem für die "taz" und das Satiremagazin "Titanic". Droste galt als gnadenloser Gesellschaftskritiker. Im vergangenen Jahr erhielt er zusammen mit Pit Knorr den Satirikerpreis "Göttinger Elch". Die Jury urteilte damals, er habe ein untrügliches Gespür für das Verlogene in Politik und Kultur.
Dieser Beitrag ist eine Wiederholung vom 8. Mai 2004.