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Digitalisierung
Die Wirtschaft investiert in Industrie 4.0

Industrie 4.0 ist mittlerweile zum Sammelbegriff geworden für einen tiefgreifenden Strukturwandel der Wirtschaft. Die gesamte Produktionskette wird vernetzt und zunehmend digitalisiert. Wirtschaftsprüfer haben nun untersucht, wie gut Unternehmen auf die neuen Arbeits- und Marktanforderungen vorbereitet sind.

Von Michael Braun | 14.10.2014
    Ein Ingenieur bedient auf der Hannover Messe eine vollautomatische Montagezelle.
    Ein Ingenieur bedient auf der Hannover Messe eine vollautomatische Montagezelle. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Es herrscht Aufbruchsstimmung. Die Unternehmen wittern neue Geschäftsfelder, sinkende Kosten, vor allem Wettbewerbsvorteile. Auch die Gewerkschaften denken an die Chancen, sehen aber auch die Risiken, wenn noch mehr Roboter die Fabriken bevölkern und noch mehr einfache Arbeiten wegfallen. Das kommt. Denn die Unternehmensberatung PwC hat sich bei Maschinenbauern, Autozulieferern, in der Elektro- und Kommunikationsindustrie umgehört: Fast alle wollen mitmachen bei der Digitalisierung der Fabrik, bei Industrie 4.0. Und binnen fünf Jahren den Digitalisierungsgrad von Mitte 20 auf rund 80 Prozent steigern, weiß PwC-Manager Reinhard Geissenbauer:
    "Das Thema Industrie 4.0 ist nicht nur ein Hype, sondern die Unternehmen haben klar erkannt, dass es für die Wettbewerbsfähigkeit, für die Möglichkeit, auch in Zukunft ihre Kosten zu senken und ihre Umsätze zu steigern, essenziell ist."
    Getrieben wird der Prozess vor allem von immer stärker individualisierten Kundenwünschen. Automodelle etwa sollen zwar in großer Stückzahl produziert werden. Aber die Ausstattung kann so gewählt werden, dass letztlich eine Losgröße von eins herauskommt: Kein anderes ist genauso. Das geht nur mit höchster Vernetzung, engster Kooperation zwischen Hersteller und Zuliefererkette, flexibler Planung. Industrie 4.0 will aber nicht nur optimieren, sondern auch neue Märkte schaffen. PwC-Vorstandsfrau Petra Justenhoven spricht etwa die Digitalisierung der Produkte an:
    "Man stellt sich vor, dass ein Unternehmen sozusagen Produkte digitalisiert, das heißt: Zum einen entweder kundenspezifische Produkte produziert, Onlineverbindungen zu den Produkten herstellt, die dann zu einem digitalen Serviceangebot führen können, heißt zum Beispiel Onlinewartung durch Vernetzung der Daten, Abgleich von Leistungs- oder Verschleißdaten."
    40 Milliarden Euro investieren
    Die deutsche Industrie wolle in den nächsten fünf Jahren jährlich 40 Milliarden Euro in die Digitalisierung der Fabriken stecken. Das wird die Produktionshallen natürlich verändern. Auch die Beschäftigten werden betroffen sein. Die IG Metall ist auf der Hut. Ihr Vorsitzender Detlef Wetzel gibt sich im hauseigenen Internetauftritt nicht als Maschinenstürmer, will die Chancen der neuen Welt nutzen, aber in sie hinein den Arbeitsschutz der alten Welt retten:
    "Na ja, menschenleer wird sie mit Sicherheit nicht sein. Denn auch digitalisierte Produktion muss gesteuert werden. Wir brauchen Menschen, die die Prozesse organisieren. Es wird Planung geben. Es wird aber auch eine Veränderung der Qualifikationsstruktur geben. Viele einfache und auch mittlere Tätigkeiten werden vielleicht wegfallen und andere Tätigkeiten werden entstehen. Wir müssen uns also intensiv damit beschäftigen: Was passiert mit der Qualifikation der Beschäftigten? Wie ist die Arbeit organisiert? Bestimmt der Mensch die Technik oder bestimmt die Technik die Menschen?"
    Die Politik kann auch helfen: Etwa bei der grenzüberschreitenden Normung. Oder bei der Gesetzgebung zum Eigentum an den Daten. Es geht um riesige Mengen: Der Datensatz, der in eine digitale Fabrik eingespeist wird, um nur eine einzige Fotokamera zu bauen, ist nach Angabe von Siemens 260 Terabyte groß.