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Digitalisierung
Wirtschaftsinformatiker: Gesundheitsdaten umkämpft

Tech-Konzerne würden derzeit um die Märkte von Bezahl- und Gesundheitsdaten kämpfen, erklärte Wirtschaftsinformatiker Key Pousttchi im Dlf. Er ist überzeugt, dass das Smartphone die "Fernsteuerung für das gesamte Leben" werde. Apple und Google hätten sich mit ihren Smartphone-Betriebssystemen gut positioniert.

Key Pousttchi im Gespräch mit Uli Blumenthal | 11.07.2019
Älterer Mann schaut auf sein Smartpone, das Blutdruckwerte anzeigt.
Viele Menschen nutzen inzwischen Fitnessarmbänder oder -apps auf ihrem Smartphone, um ihren Gesundheitszustand zu überwachen (imago )
Uli Blumenthal: Mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens eröffnen sich nicht nur neue Möglichkeiten für die Entwicklung innovativer Produkte und Geschäftsmodelle, sondern es entstehen auch komplett neue Marktsegmente. Digital Health – dieses Schlagwort ist kein kurzfristiger Trend, sondern wird das Gesundheitswesen massiv beeinflussen. Welche Rolle dabei die großen Tech-Konzerne Google, Apple, Amazon, Microsoft und Facebook spielen, das haben Forscher des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung der Universität Potsdam in einer Studie untersucht. Geleitet hat sie Professor Doktor Key Pousttchi, mit dem ich jetzt in Potsdam verbunden bin. Herr Professor Pusttchi, welche konkreten Ansätze verfolgen Facebook, Apple, Google, Microsoft und Amazon im Hinblick auf den Gesundheitsmarkt?
Key Pousttchi: Es gibt im Wesentlichen zwei große Datenarten, die sehr umkämpft sind und wo eigentlich die Kriege des Silicon Valley geführt werden im Moment, wer diese Märkte in Zukunft beherrscht. Das eine ist Payment, Bezahldaten, und zwar vor allem aus der realen Welt, und das andere sind Gesundheitsdaten, und beim Gesundheitsmarkt kommt natürlich noch dazu, dass das einer der größten Arbeitgeber in vielen Ländern ist und auch vom Umsatz her extrem interessant.
Blumenthal: Wir kommen noch mal auf die Bezahldienste, auf Payment-Systeme zurück. Beim Gesundheitsmarkt, wo liegt der Schwerpunkt dieser Unternehmen, bei Hardwarelösungen oder bei Big-Data, also bei der Auswertung von Daten?
Pousttchi: Dazu muss man das jeweilige Unternehmen anschauen. Wenn Sie sich Apple und Google angucken, die kommen vom Smartphone-Betriebssystem, die kommen vom Endkunden her, und so ein Apple zum Beispiel, den muss man verstehen als jemanden, der sich um seinen Kunden in der Gesamtheit kümmern will. Das heißt, alles, was für diesen Kunden in seinem Leben relevant ist, das adressiert Apple. Wenn Sie sich anhören, dass Tim Cook dazu gesagt hat, wenn Sie mich in ein paar Jahren fragen, was ist das Größte, was Apple zur Entwicklung der Menschheit beigetragen hat, wird meine Antwort sein: der Gesundheitsbereich. Dann sehen Sie, was für eine Bedeutung das für solche Unternehmen hat.
Pousttchi: Jeder Konzern kommt aus einer anderen Ecke
Blumenthal: Und wie sieht es bei Facebook, Google, Microsoft oder auch Amazon aus? Amazon ist ja eine große Verkaufsplattform, also wird die beispielsweise sozusagen die digitale Apotheke der Welt beherrschen?
Pousttchi: Amazon kommt aus seiner Ecke, aus der Ecke des Händlers, und geht auf die anderen zu. Apple kommt aus der Sicht des Endkunden, geht auf die anderen zu. Google kommt sehr stark aus der Sicht der Daten und der Künstlichen Intelligenz, aber alle bewegen sie sich in eine Mitte, in der diese Dienste alle vereinigt sind. Wenn Sie jetzt so einen Microsoft sehen, der kommt zum Beispiel sehr viel stärker von der IT in diese Ecke rein, und der Amazon, der ist ein Händler. Der hat eine Online-Apotheke, Pillpack, gekauft, der hat jetzt gerade eine Versicherung gegründet, wo er auch schon für das eine oder andere Unternehmen, nicht nur für seine eigenen Mitarbeiter Krankenversicherungen anbietet, und das wird er auch ausrollen über seine Mitarbeiter zum breiten Publikum hinaus.
Blumenthal: In Deutschland gibt es ja auch den Bezahldienst von Apple, Apple Pay. Die Frage war ja immer, will Apple auch eine eigene Bank, aber eigentlich reicht es ja aus zu sagen, die Geräte bereitzustellen und den Service und die Software, da muss ich keine eigene Bank besitzen. Wie sieht es dann aus im Gesundheitsmarkt? Was ist das Geschäftsmodell dann von Apple beispielsweise im Gesundheitsmarkt?
Pousttchi: Wenn Sie sich anschauen, was Apple sich für Kunden aussucht, dann sind das natürlich oder ist das zumindest der Versuch, immer die Kunden auszusuchen, wo sie Premium-Pricing machen können, wo sie entweder in Wirklichkeit oder wahrgenommen besonders hochwertige Produkte für noch höhere Preise an den Kunden bringen können.
Der Punkt ist natürlich, nein, die wollen nicht das tun, was so furchtbar viel Arbeit macht bei den Banken, was so furchtbar reguliert ist, sondern sie wollen nach Möglichkeit die Marge hochhalten, und so muss man ihre Aktivitäten an der Stelle auch immer bewerten. Nur bei Apple ist es noch was stärker dieses sich-um-den-Kunden-kümmern, wohingegen Sie bei Google beispielsweise sehr viel stärker so einen forscherischen Ansatz haben, Künstliche Intelligenz, wir wollen das Genom entschlüsseln, wir wollen allgemein, nicht auf den Einzelnen bezogen, sondern allgemein das Leben der Menschheit verlängern, das ist eher so deren Blickwinkel auf die Dinge.
"Microsoft kommt ja in der Tat aus der klassischen IT"
Blumenthal: Und wenn wir auf Microsoft blicken, Bill Gates, der ist ja groß auch in der Forschung engagiert mit der Gates Foundation. Was ist dessen Interesse? In die medizinische Forschung zu gehen oder viel stärker sozusagen in der Datenmedizin unterwegs zu sein und damit sein Modell zu finden?
Pousttchi: Na ja, Microsoft kommt ja in der Tat aus der klassischen IT, und man muss das auch mit den Aktivitäten von Bill Gates sehen, die Welt zu verbessern. Er hat ja in Afrika beispielsweise mit seiner Stiftung sehr, sehr viel getan. Auf der anderen Seite ist das aber natürlich auch ein Geschäftsmodell für Microsoft, und wenn Sie sich angucken, dass Microsoft, wie übrigens auch Google, eine elektronische Patientenakte schon angeboten hat – wobei beide sie interessanterweise wieder einstellen, die gibt es schon relativ lange –, Microsoft hat 2007, Health Vault heißt das Ding, die elektronische Patientenakte angeboten, Google, Google Health, hat es seit 2008. Google Health ist schon wieder eingestellt, Microsoft stellt seine zum November 2019 ein.
Was so kommuniziert wird, ist: Die Nachfrage war nicht so dolle, was aber wahrscheinlich entscheidender ist, ist das mit den regulierten Märkten. Das haben Sie auch gesehen im Bereich Payment: Vor Regulierung scheuen sich diese Unternehmen dann doch, weil das natürlich auch zu deren Vorgehensweise nicht immer so passt.
Blumenthal: Viele Menschen nutzen inzwischen Fitnessarmbänder oder -apps auf ihrem Smartphone, um ihren Gesundheitszustand auf verschiedene Art und Weise zu überwachen. Was werden die ersten nachhaltigen Veränderungen sein, wenn diese fünf großen Unternehmen in den Gesundheitsmarkt vordringen?
Pousttchi: Ich sehe eigentlich als am spannendsten – womit ich nicht sagen will, dass ich das gut finde – Apple und Google an, denn Apple und Google beherrschen jeweils das zentrale Element, das Smartphone-Betriebssystem. Sie aggregieren also alle Daten, die sie von den Kunden haben, und das sind perspektivisch fast alle Daten. Wenn Sie das Smartphone-Betriebssystem besitzen, dann können Sie alle Daten, die da drauf sind, verarbeiten, und das ist natürlich die Position, die dann dafür sorgt, dass Sie eigentlich über das Leben des Kunden mehr wissen als jeder andere.
"Fernsteuerung für das elektronische Leben des Menschen"
Blumenthal: Das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass das Smartphone sozusagen die zentrale Position, das zentrale technische Teil ist, wenn es um die Digitalisierung des Gesundheitswesens geht.
Pousttchi: Das Smartphone ist jetzt schon die Fernsteuerung für das elektronische Leben des Menschen, und sie wird morgen die Fernsteuerung für das gesamte Leben des Menschen sein, und da will man natürlich die Spinne im Netz sein. Apple und Google haben das geschafft. Wenn Sie sich die Strategien oder die Handlungsweisen der anderen angucken, dann sehen Sie, dass viel von dem, was die tun, der Versuch ist zu kompensieren, dass sie kein Smartphone-Betriebssystem haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.