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Digitalradio DAB+
Schluss mit UKW - aber wann?

Seit Jahren planen Medienpolitik und Sender den Umstieg von UKW auf Digitalradio. Auf ein Abschaltdatum für die alte Technologie konnten sie sich bis jetzt nicht einigen - doch den Öffentlich-Rechtlichen läuft die Zeit davon.

Von Annika Schneider |
Blick am 09.03.2014 in Berlin nach Sonnenuntergang auf den Fernmeldeturm Berlin-Schäferberg.
Die UKW-Ära geht zu Ende - das konkrete Abschaltddatum ist allerdings noch offen (picture alliance/dpa/Daniel Bockwoldt)
Das DAB+-Netz wächst seit Jahren. Dem Digitalradiobüro Deutschland zufolge können inzwischen neun von zehn Menschen in Deutschland DAB+ zu Hause empfangen. Dass Digitalradio inzwischen fast überall zu hören ist, heißt allerdings nicht, dass es auch gehört wird. Nur jeder vierte Haushalt hat ein DAB+-Gerät – durchgesetzt hat sich die Technologie also noch nicht.

Privatradios wollen kein festes Abschaltdatum

Genau deswegen nennt das Digitalradio Board, in dem Medienpolitik, Sender, Industrie und Netzbetreiber zusammensitzen, kein Datum, wann UKW abgeschaltet werden soll. Eine solche Festlegung sei für die Gattung Radio auch wenig zielführend, findet Nina Gerhardt, Vorstandsmitglied im Verband Vaunet, der die deutschen Privatsender vertritt:
"Sie müssen sich vorstellen, wenn die Menschen plötzlich nicht mehr über ihr UKW-Radio ihre Programme empfangen können, dann müssen sie ja loslaufen, sich ein neues Gerät besorgen. Und ich glaube, das macht nicht jeder, und wir würden, glaube ich, einfach durch diesen Wechsel einen herben Rückgang von Reichweite riskieren."
Ein Mitarbeiter hält ein Digitalradio mit DAB+ auf der Technik-Messe IFA, der weltweit größten Fachmesse für Unterhaltungs- und Gebrauchselektronik in der Hand.
Dieser Beitrag ist Teil der Reihe "Vom Ladenhüter zum Radiostandard: Der lange Weg des DAB+". Warum konnte sich das Digitalradio noch nicht flächendeckend durchsetzen? Welche Rolle spielt dabei das Internet? Wann kommt das Aus für UKW? Und was kann Deutschland von der Schweiz und Norwegen lernen? Diese und weitere Fragen rund um DAB+ beantworten wir auch in einem @mediasres Spezial am 13. Mai um 15.30h im Deutschlandfunk.
Weniger Reichweite, das heißt für die Privatsender auch: weniger Einnahmen durch Werbung. Entsprechend skeptisch sind manche Betreiber, nun in eine neue Technologie zu investieren. Es müsse deswegen Zuschüsse aus öffentlicher Hand geben, fordert Vaunet.

Energy-Geschäftsführer will Entscheidung den Sendern überlassen

Nicht alle Privatsender unterstützen diese Forderung. Olaf Hopp, Geschäftsführer von Energy Deutschland, spricht lieber über die unternehmerischen Chancen, die Digitalradio bietet. Sein Konzern gehört in Deutschland zu den DAB+-Pionieren. Trotzdem will auch Hopp kein festes Abschaltdatum.
"DAB+ wird eines Tages UKW ablösen, so wie einst UKW die Mittelwelle abgelöst hat. Und das ist, glaube ich, auch die Position, auf die sich die privaten Radiobetreiber in Gänze zwischenzeitlich geeinigt haben: Dass die privaten Unternehmen – jedes Unternehmen für sich selbst – die Entscheidung treffen kann: Wann schalte ich möglicherweise meine UKW-Verbreitung ab, weil ich über DAB+ besser und/oder kostengünstiger meine Hörer erreiche – und wann tue ich das nicht."

Öffentlich-Rechtliche stehen unter Druck

Olaf Hopp geht davon aus, dass es UKW noch bis mindestens 2030 geben wird. Doch während die Privaten ihre Entscheidung davon abhängig machen wollen, wie viele Hörerinnen und Hörer schon auf die neue Technologie umgestiegen sind, stehen die Öffentlich-Rechtlichen unter Druck. Sie bekommen ihr Geld größtenteils aus den Rundfunkbeiträgen, zugeteilt von einer eigens eingerichteten unabhängigen Kommission, der KEF.
Die forderte schon vor fünf Jahren eine Deadline für UKW. Es sei nicht wirtschaftlich für die Sender, zwei Verbreitungswege für den Hörfunk parallel zu betreiben. In ihren Modellrechnungen geht die KEF davon aus, dass die Öffentlich-Rechtlichen ab 2029 kein Geld mehr für die UKW-Verbreitung bekommen werden.
Beim Digitalradio Board steht das Thema Marketing deswegen weit oben auf der Agenda. Radio gleichzeitig sowohl per UKW als auch per DAB+ zu verbreiten, sei für die Anbieter einfach teuer, sagt die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab, die das Gremium leitet:
"Aber es wäre ein mutiger Schritt, UKW abzuschalten. Das würde voraussetzen bei uns, dass wir entweder wirklich flächendeckend DAB+ anbieten können bei der digitalen terrestrischen Verbreitung oder dass wir flächendeckend mobiles Internet zur Verfügung stellen können, und das geht ja noch nicht: Wo Sie nicht im Auto telefonieren können, können Sie im Auto auch kein Webradio hören, das geht nun mal nicht."

Experte erwartet "verbraucherverträgliches Ausblenden"

Bis UKW tatsächlich abgeschaltet wird, könnte es also noch dauern. Olaf Korte, der die DAB+-Technologie beim Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen mit entwickelt hat, glaubt, dass es letztendlich kein einheitliches Abschaltdatum geben wird:
"Es wird eher ein verbraucherverträgliches Rausfaden, Ausblenden geben. Also man fängt sicherlich jetzt erst mal an Standorten an, wo man was abschaltet, wo es wenig wehtut. Und an Stellen, wo noch viele Leute UKW hören, wo es viel Hörerschaft gibt, wird man noch relativ lange die Kernsender stehen lassen."
Ein Meilenstein ist inzwischen erreicht: Seit Dezember müssen alle verkauften Neuwagen die DAB+-Technik an Bord haben. Dieser Beschluss, der auf einer EU-Richtlinie basiert, könnte die Hörerzahlen nach oben treiben – und so nach und nach auch immer mehr Sender zum Umstieg bewegen.