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Wie der Schulleitermangel behoben werden kann

Der Job gilt als unattraktiv. Insgesamt sind viele tausend Rektoren-Stellen in Deutschland unbesetzt - vor allem an Haupt- und Grundschulen. Ein Expertengremium in NRW hat nun Vorschläge gemacht, wie der Mangel behoben werden kann. Und wie? Mit Geld natürlich.

Von Stephanie Kowalewski | 22.12.2015
    Dresdner Grundschüler starten mit der Schrift "Schule" am 04.09.2014 in Dresden (Sachsen) vor der Semperoper die jährliche Kampagne "Die Schule hat begonnen".
    Grundschüler zu Beginn eines neuen Schuljahres: Ein Expertengremium in NRW hat Vorschläge erarbeitet, wie der Schulleiterberuf attraktiver werden könnte. Die Kosten für das Programm werden mit 23,6 Millionen Euro beziffert. (dpa / Matthias Hiekel)
    "Mein Name ist Thomas Baumeister. Ich bin Schulleiter der Aplerbecker-Mark-Grundschule und leite im Moment kommissarisch die Lichtendorfer Grundschule hier in Dortmund."
    An dieser Schule sind Rektorin und Konrektorin auf unbestimmte Zeit wegen Krankheit ausgefallen. Also kümmert sich der 52-Jährige jetzt um die Belange von mehr als 500 Grundschülern, zwei Kollegien und flitzt zwischen drei Schulgebäuden in Dortmund hin und her, denn die Lichtendorfer Grundschule verteilt sich auf zwei Häuser.
    "Es ist anstrengend, es ist fordernd. Aber eine Schule braucht einen Schulleiter. Es ist nicht die reine Verwaltungsaufgabe, sondern es sind Dinge hinzugekommen: Qualitätsentwicklung, wir haben die Inklusion, Aufgaben, wo einfach der Schulleiter wichtig ist."
    Ein bundesweites Problem
    Erschwerend kommt hinzu, dass an seiner eigentlichen Grundschule die Konrektorenstelle ebenfalls nicht besetzt ist. Letztlich ist er also allein verantwortlich, dass beide Schulen laufen. Kein Einzelfall, weiß Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, VBE:
    "Das ist ein bundesweites Problem, was sich in allen Ländern mehr oder weniger stark wiederspiegelt. Wir können eigentlich schon fast davon sprechen, dass wir seit einem Jahrzehnt und länger beobachten, dass wir immer eine sehr hohe Zahl an unbesetzten Schulleiterstellen haben, insbesondere an Grund- und Hauptschulen."
    Bundesweite Zahlen gibt es nicht, aber allein die Zahlen aus Nordrhein-Westfalen sind erschreckend: 2000 unbesetzte Schulleiterstellen, 320 davon an Grundschulen.
    "Das heißt, an jeder neunten Schule fehlt ein Schulleiter."
    Um das zu ändern, hat eine Expertenrunde in NRW jetzt einen Maßnahmenkatalog erarbeitet und dem Landtag zur Beratung vorgelegt. Ein zentraler Punkt darin ist die Bezahlung. Sie sei bei Grund- und Hauptschulleitern zu gering und im Vergleich zu Rektoren der übrigen Schulformen ungerecht, heißt es. Das sehen Thomas Baumeister und viele seiner Kollegen genauso.
    Zu viel Arbeit für zu wenig Geld
    "Es gibt auch viele Schulleiter, die sagen, wir machen die Arbeit gerne. Und dennoch ist es so, dass die Bezahlung wirklich nicht angemessen ist, denn die Aufgaben an einer kleinen Schule, sind nicht viel weniger als die, die an einer großen Schule anfallen. Da ist uns zu viel Arbeit für zu wenig Bezahlung."
    Deshalb soll jede Grund- und Hauptschule – egal wie groß sie ist – einen stellvertretenden Schulleiter bekommen. Außerdem sind laut Vorschlag Rektoren und Konrektoren eine Gehaltsstufe höher als bisher zu besolden.
    "Würde ich absolut mitgehen. Angebracht und überfällig."
    Gesamtkosten für diese beiden Maßnahmen gut 23,6 Millionen Euro jährlich.
    "Ein weiterer Punkt ist die Leitungszeit, die uns gerade in der Grundschule sehr fehlt."
    Bisher müssen nämlich gerade die Rektoren kleiner Schulen so viel unterrichten, dass für die Leitungsaufgaben kaum Zeit bleibt, betont der Schulleiter zweier Dortmunder Grundschulen.
    "Zum Rezept gehört eben, dass eine Mindestleitungszeit von 16 Wochenstunden zur Verfügung steht. Und das ist aus meiner Sicht auch das Minimum."
    Richtig gut findet Thomas Baumeister, dass laut Expertenrezept künftig auch an Grundschulen gewisse Leitungsaufgaben von Lehrern übernommen werden können. Das lockt den Nachwuchs und entlastet die Leitung, sagt er.
    Langsam in den Beruf des Schulleiters einschleichen
    "Wir haben junge Kolleginnen, die sich interessieren, und haben im Moment nicht die Möglichkeit, diese Kolleginnen durch Anrechnungsstunden so zu entlasten, dass sie spezielle Aufgaben übernehmen, um sich so langsam in den Beruf des Schulleiters einzuschleichen. Das würde natürlich die Sache sehr nach vorne bringen."
    Dank des Expertenentwurfs liegen dem NRW-Landtag nun erstmals konkrete Zahlen vor, was welche Maßnahme kosten würde. Die Ausgaben seien nicht trivial und müssten in aller Ruhe bewertet werden, sagte uns ein Sprecher des Schulministeriums. Für den VBE-Vorsitzenden Udo Beckmann sind die Kosten hingegen überschaubar:
    "Wir reden über Beträge, die gemessen an dem Gesamthaushalt vielleicht ein Promille oder zwei Promille ausmachen."
    Unterm Strich bewerten Schulleiter Thomas Baumeister und Gewerkschaftler Udo Beckmann das Rezept gegen den Schulleitermangel in NRW positiv.
    Baumeister: "Also, ich finde Vorschläge ausreichend und geeignet, das man da tatsächlich Verbesserungen in der Besetzung der Schulleiterstellen erreichen kann."
    Beckmann: "Ich hoffe, dass wenn jetzt schon Experten aus dem Ministerium selbst zu diesem Ergebnis kommen, dass jetzt endlich was passiert."
    Und das bestenfalls bundesweit, sagt Udo Beckmann, denn die Vorschläge ließen sich mühelos auf andere Bundesländer übertragen.