Heribert Metternich ist Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Gleichzeitig leitet er den Kreisverband Westerwald des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau. Heribert Metternich erinnert sich an ein aus seiner Sicht "makabres Spiel" vor einigen Jahren. Damit meint er die deutliche Reduzierung der Preise von Milch, Butter und Fleisch durch Aldi und andere Discounter in den letzten Wochen.
Heribert Metternich fühlt sich an 2009 erinnert. Damals fielen die Rohmilchpreise fast auf die Hälfte des heutigen Preises von rund 40 Cent. Viele bäuerliche Familienbetriebe wurden dadurch fast in den Ruin getrieben. Ersparnisse wurden aufgezehrt und Mitarbeiter entlassen, so der Vertreter des Bauernverbandes:
"Da haben die Bauernfamilien sehr drunter gelitten und es ist diese Zeit von der Substanz überbrückt worden. Und natürlich durch die Aufnahme von Fremdkapital. So einen Hof gibt man nicht von heute auf morgen auf, weil man nicht wieder morgen anfangen kann. Deswegen sind da heute auch noch riesengroße Löcher im finanziellen Bereich zu stopfen, für die der jetzige Preis die Möglichkeit bietet. Aber wenn jetzt wieder so ein Preiskampf beginnt, dass die Preise wieder unter die Erzeugerkosten fallen, dann wird das sicher wieder Konsequenzen in der Betriebsstruktur der Landwirtschaft haben."
Damals wie heute war es Marktführer Aldi, der mit den Preissenkungen bei Milchprodukten begann. Ein Unternehmervertreter steht dem Deutschlandfunk für ein Interview nicht zur Verfügung. Kirsten Geß, die Leiterin der Unternehmenskommunikation antwortet schriftlich auf die Frage, warum Aldi die Preise für Milchprodukte und Fleisch nun trotz der Sorgen der Bauern jetzt wieder senkt:
"Der Zeitpunkt unserer Preissenkungen folgt den aktuell gesunkenen Rohwarenpreisen auf dem Markt, durch den wir bessere Einkaufspreise erzielen konnten. Es gehört zu den Grundsätzen unserer fairen Preispolitik, dass wir erzielte Ersparnisse, wann immer es möglich ist, an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben."
Russlands Einfuhrverbot lässt Fleischpreise sinken
Fleisch sei auch deswegen zurzeit billiger, weil Russland seit einiger Zeit ein Einfuhrverbot für Fleisch und Milchprodukte verhängt habe. Dadurch sei das Angebot auf dem europäischen Markt zurzeit groß, die Preise entsprechend niedriger, argumentiert Aldi-Süd schriftlich:
"Wir möchten zudem betonen, dass es für die Unternehmensgruppe ein wichtiges Anliegen ist, sämtliche Geschäftsbeziehungen transparent und fair zu gestalten. Preise werden in offenen und konstruktiven Gesprächen mit den jeweiligen Lieferanten vereinbart, mit denen wir zumeist langjährige Geschäftsbeziehungen pflegen."
Bauernvertreter Heribert Metternich hat Zweifel, ob die Preisverhandlungen zwischen Supermarktketten und Erzeugergenossenschaften sowie Molkereien wirklich immer so fair sind, wie die Einzelhandelsbranche behauptet. Der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz hat anderes gehört:
"Nun, ich sitze bei diesen Verhandlungen als Bauernverbandsvertreter nicht mit am Tisch. In der Regel verhandeln die Discounter ja mit Genossenschaften unserer Erzeuger. Aber was ich so mitbekomme ist, dass da natürlich auch Sanktionen der Discounter folgen. Zum Beispiel werden dann Molkereien ausgelistet, wenn sie nicht auf das Angebot der Discounter eingehen. Und das ist natürlich schon ein gewisser Druck, der da auch ausgeübt wird."
In einem Punkt ist sich der Vertreter des Bauernverbandes mit den Discountern einig: Die sinkenden Erzeugerpreise werden nicht automatisch zu schlechterer Qualität des Fleisches oder der Milchprodukte führen, glaubt Heribert Metternich:
"Die Frage ist nur: Überleben dann die Betriebe auf der einen Seite diese hohen Qualitätsanforderungen, die natürlich auch monetär sich niederschlagen. Und auf der anderen Seite sinkende Einkommen. Überleben das die Betriebe?"
Der Bauernverband und die grüne rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken sehen auch die Verbraucher in der Pflicht. Sie fordern gemeinsam die Kunden dazu auf, bei ihrer Kaufentscheidung im Supermarkt zu bedenken: Möglichst billig bei Milch und Fleisch ist nicht immer gut. Vor allem für die bäuerlichen Familienbetriebe nicht.