Dienstag, 16. April 2024

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Diskussion über die Kommunion
"Es gibt eine Praxis, die längst bestens funktioniert"

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, betrachtet die Diskussion über die Kommunion für gemischt konfessionelle Paare mit Sorge. Das Problem liege nicht in der Praxis, sondern im Kirchenrecht, sagte Sternberg im Dlf.

Thomas Sternberg im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 03.05.2018
    Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg.
    Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg. (imago / epd)
    Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, hält die Diskussion über die Kommunion für gemischt konfessionelle Paare für überflüssig. Das Problem liege nicht in der Praxis, die wunderbar funktioniere, sondern im Kirchenrecht, sagte Sternberg im Dlf.
    Dirk-Oliver Heckmann: Eigentlich war die Sache immer klar: Katholiken dürfen am Abendmahl teilnehmen, Protestanten, Atheisten und Angehörige anderer Religionen eben nicht. Ende Februar aber haben die deutschen Bischöfe mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit übrigens entschieden: Bei Ehepaaren, bei denen der eine Teil Katholik ist und der andere Protestant, können im Einzelfall beide zum Abendmahl zugelassen werden. Diese Entscheidung aber löste einen riesen Streit aus. Konservative Bischöfe um den Kölner Kardinal Woelki wandten sich per Brandbrief an den Vatikan, und der lud beide Seiten für heute zum Gespräch.
    Am Telefon begrüße ich Thomas Sternberg. Er ist Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Das ist das Koordinationsgremium katholischer Laien in Deutschland. Schönen guten Morgen, Herr Sternberg.
    Thomas Sternberg: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Herr Sternberg, ist Kardinal Woelki ein schlechter Verlierer?
    Sternberg: Ich weiß nicht, ob er ein schlechter Verlierer ist. Aber er ist auf jeden Fall alles andere als ein guter Kommunikator, denn da ist schon gewaltig viel Porzellan zerschlagen worden in den letzten Wochen.
    Heckmann: Inwiefern? Was meinen Sie?
    Sternberg: Es gibt ja eine Praxis in Deutschland, die längst bestens funktioniert. In geradezu allen Gemeinden, die ich kenne, ist das Thema längst gelöst. Denn genau das, was der Papst in Rom dieser evangelischen Frau gesagt hat, fragen Sie Ihr Gewissen und gehen Sie weiter, genau das machen ja in bester Übereinstimmung mit den Gemeinden, mit den Pfarrern, mit den Priestern nahezu überall die gemischt konfessionellen Paare. Das ist auch sehr gut so und das ist eine wunderbare Praxis, die ja jetzt durch diese Regelung, durch die Handreichung nur eine auch kirchenrechtliche Übereinstimmung bekommen sollte.
    "Restbedenken gemeinsam abklären"
    Heckmann: Das heißt für Sie, aus Ihrer Sicht ist das wirklich flächendeckend der Fall? Das machen Hunderttausende von Gläubigen mit ihren Ehepartnern?
    Sternberg: Wir haben Hunderttausende von evangelischen Partnerinnen und Partnern aus gemischt konfessionellen Ehen, die in unseren Gemeinden wichtige Mitwirkende, Mitarbeitende sind, von denen die Leute manchmal gar nicht wissen, dass sie nicht katholisch sind. Das ist eine solche Selbstverständlichkeit geworden. Und diese Selbstverständlichkeit, die jetzt nur auch in eine kirchenrechtlich saubere Form gebracht werden sollte, das ist alles jetzt zerschlagen und zertrümmert und zerdeppert durch eine Aktion, die mir schlechterdings unverständlich ist.
    Wenn eine so große Mehrheit von Bischöfen, eine über dreiviertel Mehrheit in der Bischofskonferenz einen klaren Beschluss fällt, und man hat da vielleicht noch irgendwelche Restbedenken, dann kann man das in gemeinsamer Abklärung machen und auch klarstellen. Aber dann schreibt man doch nicht hinter dem Rücken der anderen einen Brief.
    "Unser Problem ist eigentlich nicht die Praxis"
    Heckmann: Hinter dem Rücken der anderen, sagen Sie. Das ist ja schon ein ziemlich schwerer Vorwurf gegenüber Kardinal Woelki. Sie haben auch davon gesprochen, dass es eine unsolidarische Aktion sei. Ist Kardinal Woelki unsolidarisch?
    Sternberg: Ach wissen Sie, ich möchte das ungern jetzt auf Personen beziehen.
    Heckmann: Aber Sie hatten es so formuliert.
    1!Sternberg:!! Bitte?
    Heckmann: Sie hatten es so formuliert.
    Sternberg: Das ist es. Ich meine, ich halte es für wirklich einfach ungeschickt, für völlig ungeschickt. Und ich will gar nicht mal den guten Willen absprechen, dass man sagt, wie wir das vorhin vom Bischof Hanke gehört haben, so was muss man doch auch weltkirchlich klären. Das ist ja vielleicht gar nicht mal falsch. Aber dann kann man das anders machen, dann muss man das anders machen.
    Unser Problem ist eigentlich nicht die Praxis, die wir haben. Die ist im Grunde genommen, wenn ich das richtig sehe, geradezu überall gelöst. Ich kenne zumindest keine Problemfälle, wo man nicht das auf eine gute pastorale Weise gelöst hätte für die Paare, die zur Eucharistie kommen wollen.
    Heckmann: Auch in Köln beispielsweise?
    Sternberg: Selbstverständlich! Kardinal Woelki sagt immer wieder, das Entscheidende für die Kommunions- oder Eucharistieempfang ist, ob jemand nach dem Hochgebet, das was in der Eucharistiefeier gesagt wird, ob er dazu gläubig Amen sagen kann. Wenn er dieses gläubige Amen sagen kann, dann ist er zur Eucharistie eingeladen. Das gilt übrigens als Anforderung für Katholische und Evangelische.
    "Entscheidend ist das Amen"
    Heckmann: Das sehen aber offenbar nicht alle so, Herr Sternberg. Kardinal Woelki sagt auch, das ist ja sein Hauptargument, das sei eine Entscheidung, die die Deutsche Bischofskonferenz nicht so ohne weiteres selbst treffen kann, denn die ist von so grundsätzlicher Bedeutung. Hat er da nicht recht, denn es wurde ja schließlich jahrzehntelang über diese Frage gestritten - ohne Ergebnis.
    Sternberg: Ich glaube, dass diese Frage eine unterschiedliche Akzentsetzung hat. Wenn ich natürlich die Eucharistie ansehe als das Zeichen der endgültigen und klaren Einheit, auch der kirchlichen Einheit, wenn ich das so hochziehe, wenn ich sage, da muss eine komplette Einheit da sein, also auch im Amtsverständnis, auch in der Ekkliosologie und in allem, dann möchte das stimmen. Aber dann wäre übrigens auch die Leuenberger Konkordie, die ja in den 70er-Jahren das gemeinsame Abendmahl von Reformierten und Lutheranern ermöglichte, dann wäre auch die ja gar nicht möglich gewesen bei einem solchen Kirchenverständnis oder Eucharistieverständnis.
    Abendmahl und Eucharistie, das sind keine Fragen, die jetzt etwa die Klärung des Amtsverständnisses voraussetzen, sondern die einen gemeinsamen Glauben über das voraussetzen, was da geschieht. Deshalb: Entscheidend ist dieses Amen zu dem, was da gesagt wird. Ich bin selber Kirchenhistoriker. In der alten Kirche war es so geregelt, dass man die Eucharistiefeier damit begann, nach dem Lehrteil, dass man das Glaubensbekenntnis sprach und sich den Friedensgruß reichte. Das war ausreichend, der gemeinsame Glaube und die Friedensbezeugung.
    "Es ist gut so wie es ist"
    Heckmann: Aber das ist schon lange nicht mehr Praxis so und die Kritiker wie Kardinal Woelki, die sagen, das Abendmahl, die Eucharistiefeier ist für Katholiken und sonst für niemanden. Alles andere verstößt gegen die katholische Glaubenslehre und gegen die Einheit der Kirche.
    Sternberg: Aber dann müssen sich auch diese Leute, die das so sehen mögen, im Klaren darüber sein, dass nicht nur Hunderttausende Male, sondern millionenfach dagegen verstoßen wird. Wie gesagt, die theologische pastorale Praxis ist anders in den Gemeinden.
    Heckmann: Aber kann man einen Verstoß gegen die Glaubenslehre exkulpieren?
    Sternberg: Meine Sorge ist nur, dass diese Ehepaare, die das ja längst gelöst haben, dass da jetzt eine Verunsicherung eintritt, und denen muss man sagen, nein, bleibt bei eurer Praxis. Diese merkwürdigen Kirchenrechtsausfechtungen, die da passieren, mit einem sehr, sehr sauber und sehr sorgfältig ausgearbeiteten Text, sehr genau und fein formuliert, lasst euch davon nicht verunsichern, haltet eure Praxis bei, es ist gut so wie es ist.
    Heckmann: Das würden Sie so empfehlen?
    Sternberg: Dringend.
    "Fragt euer Gewissen und geht weiter"
    Heckmann: Was erwarten Sie jetzt vom Vatikan, von Papst Franziskus?
    Sternberg: Ich habe hier große Hoffnungen. Es kann auch eigentlich nur so sein, dass er diese merkwürdige Situation in Deutschland beilegt. Ich weiß nicht, ob er eine grundsätzliche Entscheidung treffen wird. Ich weiß auch überhaupt nicht, ob der Papst beteiligt ist. Wir haben ja im Moment nur Gespräche mit den Dikasterien in Rom.
    Ich kann mir vorstellen, dass der Papst sich auf die Position wieder zurückzieht, die er in Rom gesagt hat: Fragt euer Gewissen und geht weiter. Das kann ich auch nur allen katholischen und evangelischen Partnerinnen und Partnern in solchen konfessionsverbindenden Ehen sagen: Fragt euer Gewissen und geht weiter, geht weiter zur Eucharistie, habt jetzt nicht irgendwie ein schlechtes Gefühl, weil durch eine merkwürdige Kapriole eine kleine Minderheit der Bischofskonferenz meinte, da einen spektakulären Akt zu setzen.
    Heckmann: Und wenn er es nicht tut, der Papst, sich auf die Seite von Herrn Marx zu stellen?
    Sternberg: Wissen Sie, es gibt Dinge, die lassen sich auch durch eine öffentliche Verfügung nicht mehr zurückdrehen.
    "Die eigentlichen Probleme liegen im Kirchenrecht"
    Heckmann: Das heißt, es wird dann weiter unter der Hand so gehandhabt, wie es gehandhabt wurde?
    Sternberg: Es wird so gehandhabt, wie es gehandhabt wurde. Selbstverständlich!
    Heckmann: Und das ist eine befriedigende Situation? Nein.
    Sternberg: Überhaupt nicht! Deswegen kann man den Bischöfen wie etwa Bischof Feige nur dankbar sein, dass er und viele andere in einem sehr sorgfältigen Prozess hier eine Handreichung offensichtlich entwickelt hat, deren Text ja bis heute noch nicht vorliegt, die das Ganze möglich macht, mit einem Kirchenrecht zu kombinieren, in dem die eigentlichen Probleme liegen. Wir haben ein Kirchenrecht, das die pastorale und auch die sonstige Praxis der Katholischen Kirche nicht mehr abbildet.
    Heckmann: Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Sternberg. Glauben Sie, dass die Sache am Ende in Ihrem Sinne gut ausgeht?
    Sternberg: Ich bin grundsätzlich optimistisch und ich gehe davon aus, dass es gut ausgeht.
    Heckmann: Der Präsident des Zentralkomiktees der Deutschen Katholiken, Thomas Sternberg war das hier live im Deutschlandfunk zum Streit um das Abendmahl. Herr Sternberg, danke Ihnen für Ihre Zeit!
    Sternberg: Bitte schön. – Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.