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Diskussion um Braunkohle-Ausstieg
Bleibt der Hambacher Forst?

Der Hambacher Forst bei Köln, Symbol für den Ausstieg aus der Braunkohle-Verstromung, wird seit Jahren von Aktivisten besetzt. Nun hat sich die Kohlekommission für den Erhalt ausgesprochen. Experten halten die technische Rettung des Forsts allerdings für "fast unmöglich".

Von Moritz Küpper | 05.02.2019
    Das Foto zeigt, wie eng das Braunkohle-Abbbaugebiet Hambach an den Hambacher Forst grenzt.
    So eng grenzt das Braunkohle-Abbbaugebiet an den Hambacher Forst - Experten fragen sich, wie dort dauerstandssichere Böschungen gestaltet werden können (dpa-Bildfunk)
    Kieselsteine knirschen unter Freds Schuhen. Auf einem extra zu Räumung aufgeschütteten Weg läuft der junge Mann durch den Hambacher Wald. Es ist ein paar Tage nachdem die Kohlekommissionen ihre Vorschläge gemacht hat und die hier - zwischen Bäumen, Baumhäusern und "Hambi bleibt"-Plakaten - für Kopfschütteln sorgen:
    "Das was da rauskam, das hätte man auch in einer Viertelstunde am Telefon klären können. So, ihr wollt viel Geld? Wie viel wollt ihr haben? Ah, ist nicht genug? Okay, dann kriegt ihr so viel. Und ja, wäre schön, wenn der Hambacher Forst erhalten bleiben würde."
    Ein hartes Urteil für die monatelange Arbeit einer Kommission. Und: Obwohl sie den Hambacher Forst erhalten will, ist die Haltung hier ablehnend:
    "Also, dass dann drinsteht, es wäre wünschenswert, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt. Naja, cool, das ist das Schwammigste, was ich jemals gehört habe."
    Ein Aktivist im Hambacher Forst
    Ein Aktivist im Hambacher Forst (Deutschlandradio/ Moritz Küpper)
    Angst vor Umsetzung, Angst vor Jobverlust
    "Die Empfehlungen der Kommission stoßen vor Ort auf breite und nachhaltige Akzeptanz."
    Jahresauftakt-Pressekonferenz der NRW-Landesregierung mit Ministerpräsident Armin Laschet. Es war der CDU-Politiker, der einst, bei den Verhandlungen zur Großen Koalition, angeregt hatte, eine Experten-Kommission einzusetzen, und der nun deren Ergebnis lobt. Dabei, das weiß auch Laschet, steckt der Teufel im Detail:
    "Diesen Bericht, von dem alle sagen, er soll eins zu eins übernommen werden, dieser Kommissionsbericht, zu übersetzen in unsere Region ist eine anspruchsvolle Aufgabe."
    Das zeigt auch eine Reise durchs Rheinische Revier. Tagebau Hambach, am vergangen Freitag. Betriebsversammlung bei RWE, dem Betreiber-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Die Mitarbeiter sind besorgt, denn das Ausstiegsdatum 2038, bedroht ihre Arbeitsplätze.
    "Die Kommission hat ihre Vorschläge gemacht, die müssen umgesetzt werden und wir warten jetzt darauf, dass wir zu weiteren Gesprächen auch gebeten werden."
    Sagt Rolf-Martin Schmitz, der RWE-Vorstandsvorsitzende. Der Poker um Geldzahlungen, er hat längst begonnen:
    "Unsere Aufgabe, jetzt auch als Vorstand ist, mit der Bundesregierung zu sprechen, wie man das jetzt in geeignete Verträge, auf die man sich dann auch verlassen kann, umsetzen kann."
    NRW-Regierung bemüht sich um Strukturwandel
    Parallel dazu bemüht sich die NRW-Landesregierung um den nun auch im Rheinischen Revier anstehenden Strukturwandel, um Projekte, in die die rund 15 Milliarden Euro Fördermittel fließen können. Doch, ungeachtet dieser Fragen, haben die Empfehlungen, hat vor allem die Frage des Hambacher Forst, einen alten Konflikt wieder aufbrechen lassen.
    Das evangelische Gemeindehaus in Kerpen-Buir, einem Ortsteil der unmittelbar am Hambacher Forst liegt und der auch von Braunkohlebaggern bedroht ist. Pressekonferenz der Umweltverbände. Hier steht fest: Der Hambacher Forst wird bleiben. Doch auch Vertreter rund um die anderen Braunkohle-Tagebauten in NRW kommen zu Wort:
    "In den Dörfern hat man das Gefühl, wir zählen nicht. Eine verbindliche Zusage gibt es nicht. Sind den Menschen nicht genauso wichtig wie Bäume?"
    Fragt Marita Dresen. Ihre Heimat, ihr Hof, soll abgebaggert werden, ist vom Tagebau Garzweiler bedroht. Jener Tagebau, der - sollte Hambach geschlossen werden - wohl fortgeführt wird:
    "Wir brauchen jetzt die Hilfe der Menschen in der Politik und der Menschen in der ganzen Welt, dass unsere Dörfer gerettet werden. Spielt denn die Menschlichkeit keine Rolle mehr?"
    Dresens Stimme bricht - und zeigt, dass die Rettung des Waldstückes Konsequenzen haben könnte. Das weiß auch NRW-Ministerpräsident Laschet:
    "Der Konflikt geht auch nicht um das Reststück Wald, also um die 200 Hektar von 4.100, sondern es geht in dem Wald symbolisch um die Klimaschutzziele und um ein Ende der Kohleverstromung in Deutschland."
    "Die Kommission hat sorgsam formuliert"
    In den vergangenen 70 Jahren waren rund 40.000 Menschen in NRW von der Umsiedlung betroffen, zuletzt hatte die rot-grüne Landesregierung im Jahr 2016 einzelne Orte gerettet - und dafür die Abholzung des Hambacher Forst bestehen lassen. Und jetzt? Laschet hält sich an die Kommissions-Empfehlungen:
    "Ja, die Kommission hat sorgsam formuliert. Die sagt: Es ist wünschenswert, den Hambacher Forst zu erhalten, und sie bittet die Landesregierungen mit den von Umsiedlungen Betroffenen zu reden. Also, die haben sehr genau differenziert und haben in ihrem Bericht nicht gesagt: Es wäre wünschenswert, die Dörfer zu erhalten."
    Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Vizevorsitzender der CDU, aufgenommen bei einem dpa-Interview.
    Armin Laschet (dpa / Michael Kappeler)
    Um eine präzise Antwort drückt sich der Ministerpräsident trotz minutenlanger Ausführungen und Nachfragen herum. Denn: Bedeutet dies eine Umkehr der einst geübten Praxis 'Mensch vor Baum'? Heißt es jetzt, die Dörfer fallen, der Forst bleibt dafür stehen? Dies müsse, so Laschet, das Unternehmen entscheiden. Und dann gebe es ja noch eine bergbaurechtliche Komponente:
    "Was braucht man zur Absicherung des Tagebau-Endes bezüglicher einer Böschung? Das kann ich aus dem Ärmel nicht beantworten. Da gibt es solche und solche Meinungen. Das muss fachlich am Ende geprüft werden. Ist auch keine politische Frage, ob da was abrutscht oder nicht, sondern eine naturwissenschaftliche Frage: Wie kriegt man eine Böschung stabilisiert?"
    Fragliche Folgenutzung für Landwirtschaft und Forstwirtschaft
    Gegenüber dem Busbahnhof in Düren, in einem unscheinbaren Vielzweckbau mit Kiosk und anderen Geschäften, liegt die Bergverwaltung Düren, eine Außenstelle der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg.
    "Wenn Sie sich das mal hier anschauen… Und das ist, ich schätze jetzt mal, übern Daumen, drei Kilometer, wie steil diese Böschung ist."
    Andreas Nörthen, der Sprecher der Abteilung Bergbau und Energie bei der Bezirksregierung
    Andreas Nörthen, Sprecher der Abteilung Bergbau und Energie bei der Bezirksregierung (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
    Kurt Krings, der zuständiger Fachdezernent, steht im ersten Stock, sein Finger fährt über eine große Satellitenaufnahme des Tagebau Hambachs. Weltweit einer Tiefsten, muss man sich ihn als ein wanderndes Loch vorstellen, das von Norden nach Süden geht und nun unmittelbar vor dem Hambacher Forst steht. Vereinfacht gesagt: Vorne wird gebaggert, hinten wieder aufgefüllt.
    Das Hauptproblem sind jedoch die Steilkanten im Westen und Osten, die abgesichert werden müssen:
    "Dazu brauchen Sie Massen. Diese Massen, das kann man ganz leicht ausrechnen… Das sind dann. RWE hat mal, ich glaube genannt, die Zahl, die muss man berechnen, 1,7 Milliarden Kubikmeter. 1,7 Milliarden Kubikmeter Material-Abraum. Keine Kohle, die man im Grunde in diesen Bereich abkippen muss, um den See dann auch standsicher zu gestalten."
    Das Problem: Die Massen liegen genau in dem Abbaufeld unter und hinter dem Hambacher Forst, weshalb Andreas Nörthen, der Sprecher der Abteilung Bergbau und Energie bei der Bezirksregierung, bei der technischen Frage nach der Rettung des Hambacher Forsts sehr skeptisch ist:
    "Wo holt man die Massen her, um dauerstandsichere Böschungen zu gestalten, die dann auch für den Restsee und für die Folgenutzung mit Landwirtschaft und Forstwirtschaft dann geeignet sind? Eine riesige Herausforderung, die meiner Meinung nach sehr schwierig oder fast unmöglich zu lösen ist."
    Das sei nicht nur eine finanzielle, sondern vor allem eine logistische Frage. Entscheidungssicherheit, so viel steht wohl fest, gibt es im Rheinischen Revier noch lange nicht - trotz der Empfehlungen der Kohle-Kommission.