Dienstag, 16. April 2024

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Diskussion um Parteien-Sponsoring nach NRW-Wahlen führen

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat im Streit über das Parteien-Sponsoring eine sachliche Debatte gefordert. Das Thema eigne sich nicht für den Wahlkampf. Ob die Veröffentlichung von Zuwendungen durch Sponsoren im Parteiengesetz neu geregelt werden sollte, müsse geprüft werden.

Norbert Lammert im Gespräch mit Bettina Klein | 02.03.2010
    Bettina Klein: Sponsoring für Parteien ist etwas anderes als Parteispenden, und auch um diesen kleinen, aber feinen Unterschied geht es bei den jüngst bekannt gewordenen Fällen in Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Worin bestehen die Unterschiede und wie sieht die Praxis aus?
    Am Telefon begrüße ich Norbert Lammert (CDU). Er ist der Präsident des Deutschen Bundestages. Ich grüße Sie, Herr Lammert.

    Norbert Lammert: Hallo! Ich grüße Sie, Frau Klein.

    Klein: Wir haben jetzt einige Beispiele gehört für Parteiensponsoring im Unterschied zu Parteispenden. Besteht aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber?

    Lammert: Ob Handlungsbedarf besteht, dazu will ich mich jetzt jedenfalls nicht apodiktisch festlegen. Aber dass es Anlass gibt, sich ruhig und nüchtern, aber vor allen Dingen sorgfältig über die Entwicklung der letzten Jahre zu beugen, das habe ich in den vergangenen Tagen ja mehrfach öffentlich erklärt. Dass Sponsoring eine zulässige Form der Finanzierung auch von politischen Parteien ist, ist weitgehend unstreitig. Dass hier aber möglicherweise Grenzen tangiert sind, oder jedenfalls werden können, die das Parteiengesetz mit Blick auf Veröffentlichungspflichten unbedingt eingehalten sehen möchte, dafür gibt es auch offenkundige Anhaltspunkte.

    Klein: Sie sagen, Grenzen könnten tangiert werden und wir müssten uns darüber beugen und das diskutieren. Welche Gefahren bestehen denn?

    Lammert: Wir haben in Deutschland ja eine vergleichsweise präzise, aber auch vergleichsweise rigide Regelung in der Finanzierung von politischen Parteien, sowohl was den Zufluss von Mitteln wie was die Rechenschaftspflicht angeht. Und die eine der beiden zentralen Leitideen unseres Parteiengesetzes, das sich im Übrigen international immer wieder in der bemerkenswerten Situation befindet, als Modell für eigene Überlegungen herangezogen zu werden, die eine zentrale Idee ist die Überzeugung, dass man die Finanzierung von Parteien weder ausschließlich von privaten Mitteln, noch ausschließlich von öffentlichen Mitteln abhängig machen sollte, um auf diese Weise eine Balance zu sichern.

    Und über diesen Grundsatz hinaus gibt es die zweite zentrale Festlegung des Parteiengesetzes, dass die schon im Grundgesetz festgelegte Vorgabe, dass die Parteien über die Herkunft und über die Verwendung ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben müssen, konkretisiert wird. Daraus ergeben sich die Veröffentlichungspflichten im Zusammenhang insbesondere mit Spenden und da liegt jetzt genau der Punkt, den Sie in Ihrem Bericht angesprochen haben und den ich in meiner öffentlichen Erklärung in der vergangenen Woche adressiert habe, ob wir in den vergangenen Jahren möglicherweise eine Entwicklung im deutschen Parteiensystem beobachten können, dass die auch von der Sachverständigenkommission, die vorhin in Ihrem Bericht zitiert worden ist, offen gelassene Frage, ob es für Sponsorenmittel eigener gesetzlicher Regelungen bedarf, ob wir diese bislang offene Frage nicht noch einmal gemeinsam aufgreifen müssen.

    Klein: Haben Sie eine Antwort auf diese Frage? Sie haben gesagt, Sie wollen sich nicht festlegen, ob der Gesetzgeber jetzt handeln sollte, aber was raten Sie denn, wie man der ganzen Problematik begegnen kann, wenn nicht durch den Gesetzgeber?

    Lammert: Ich bin nun lange genug dabei, um zu wissen, dass es nicht immer die wirkungsvollste Art der Einflussnahme ist, durch öffentliche Festlegungen den Beratungsprozess in Gang zu setzen, den man aus den genannten Gründen für dringend erwünscht hält. Mindestens zwei Hinweise will ich aber auch unter Berücksichtigung dieser Erfahrung machen.

    Der eine Hinweis ist: Ganz sicher entspräche es nicht dem Geist unseres Parteiengesetzes, wenn die Anwerbung von Sponsorenmitteln zur Unterlaufung von Veröffentlichungspflichten, die das Parteiengesetz ausdrücklich für Herkunft und Verwendung von Mitteln erwartet, benutzt würde. Und zweitens: Wenn man, wozu ich ja ausdrücklich eingeladen habe oder aufgefordert habe, über dieses Thema mit der notwendigen Ruhe und Sorgfalt reden will, dann eignen sich für eine solche Debatte vermutlich die unmittelbar bevorstehenden nächsten Wochen nicht so sonderlich gut.

    Klein: Weil?

    Lammert: Weil, wie ja auch die wechselseitigen öffentlichen Vorhaltungen in den letzten Wochen deutlich haben erkennen lassen, in Wahlkampf- und Vorwahlkampfzeiten die Versuchung übermächtig ist, neben der Klärung von Sachverhalten politische Punkte gegenüber der jeweiligen Konkurrenz zu machen. Wenn überhaupt, reden wir ja über eine mögliche Präzisierung eines Gesetzes, und das erfordert dann vielleicht doch bei allen Beteiligten auch ein gewisses Maß an souveräner Distanz gegenüber den diskussionsbedürftigen Sachverhalten.

    Klein: Erkennen Sie denn, Herr Lammert, Unterschiede zwischen einzelnen Bundesländern und auch Parteien, oder sagen Sie mal ganz nüchtern betrachtet, das ist einfach eine generelle Problematik in ganz Deutschland und eine Problematik, der sich auch alle Parteien stellen sollten?

    Lammert: Dass wir hier mit einer generellen Tendenz zu tun haben, halte ich für offenkundig. Ob und wo es da noch unterschiedliche Handhabungen gibt, ist im Augenblick ja gerade Gegenstand auch der Überprüfung durch die Bundestagsverwaltung. Auch hier habe ich ja in den letzten Tagen schon einmal darauf hingewiesen, die Bundestagsverwaltung prüft, ob es auf der Basis von Anhaltspunkten, ob es möglicherweise Verstöße gegen geltendes Recht gibt. Die Frage, ob man das Recht, so wie es gegenwärtig gilt, für hinreichend präzise und ausreichend hält, kann nicht Gegenstand einer Überprüfung durch die Bundestagsverwaltung sein, sondern das wäre gegebenenfalls Gegenstand eines Novellierungsprozesses des Parteiengesetzes, wenn man dies denn für nötig und möglich hält.

    Klein: Wir haben jetzt ein bisschen in der öffentlichen Diskussion immer die Unterscheidung getroffen, ein Amtsträger dürfe nicht für sich werben oder Gesprächszeit sozusagen verkaufen, wenn er nur als Landespolitiker geworben habe, ein Ministerpräsident etwa, sei das eigentlich vollkommen in Ordnung. Glauben Sie, dass diese Unterscheidung dem Bürger und der Bürgerin im Lande, der oder die sich nicht hauptberuflich mit Politik beschäftigt, vermittelbar ist?

    Lammert: Das ist ja genau eine der schwierigen Abgrenzungen, die in dem von Ihnen vorhin vorgetragenen Katalog von Fragen und Entwicklungen zurecht angemerkt worden sind, und es ist halt viel leichter, einen solchen Katalog von Fragen aufzumachen, als darauf rundum schlüssige Antworten zu geben, denn es liegt nun mal in der Logik unseres politischen Systems, dass es in der Regel - und keineswegs nur in der Ausnahme - eine Verbindung von Parteifunktionen auf der einen Seite und öffentlichen Ämtern auf der anderen Seite gibt, denn die meisten Amtsinhaber, die mit Abstand meisten Amtsinhaber kommen durch die Zugehörigkeit zu einer Partei zu dem Mandat, das sie auch für solche Ämter in Frage kommen lässt.

    Klein: Das heißt also, eine Trennung zwischen Amtsträger und Landespolitiker, sage ich mal, ist eigentlich eine künstliche, denn beide Funktionen vereinen sich ja in einer Person?

    Lammert: Dennoch muss dieser Unterschied aufrecht erhalten bleiben. Ich habe ausdrücklich nicht empfohlen, ihn deswegen für gegenstandslos zu erklären.

    Klein: Und wir halten fest: Sie halten die Wahlkampfzeit im Augenblick für keinen guten Zeitpunkt, plädieren aber dafür, sich vielleicht nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen über die Sponsoring-Praxis zu beugen und möglicherweise rechtliche Veränderungen zu prüfen?

    Lammert: So war es gemeint, ja.

    Klein: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.