Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Donald Trump
"Es gibt kein Schuldenkonto bei der NATO"

Mit seiner Aussage, einige Staaten würden der NATO "enorme Mengen" Geld schulden, hat US-Präsident Donald Trump für Aufsehen gesorgt. Dies sei eine Aussage vor einem Mikrofon, sagte der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte dazu im DLF. Deutschlands Beiträge innerhalb der NATO erforderten auch, dass mehr Geld investiert werde, um zu modernisieren, ergänzte Otte.

Henning Otte im Gespräch mit Christoph Heinemann | 26.05.2017
    CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte. Foto: dpa / picture alliance / Michael Kappeler
    US-Präsident Donald Trump wisse um die Verpflichtungen innerhalb der NATO, sagte CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte im DLF. (dpa / picture alliance / Michael Kappeler)
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Henning Otte, der Sprecher der Unionsfraktion im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Morgen!
    Henning Otte: Guten Morgen, Herr Heinemann!
    Heinemann: Herr Otte, kann Trump NATO?
    Otte: Trump ist Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, und die Vereinigten Staaten sind Mitglied der NATO, und die NATO gibt es lange und das ist ein erfolgreiches Bündnis.
    Heinemann: Ist der Präsident im Bündnis angekommen?
    Otte: Das muss man sehen. Er weiß um die Verpflichtungen, die auch die Vereinigten Staaten einzugehen haben, und ich erinnere, es gab einmal einen sogenannten Artikel 5 Fall, das war ein Angriff in den Vereinigten Staaten, und ich glaube, das weiß man dort.
    Heinemann: Ihr schuldet uns Geld – wem galt das?
    Otte: Das ist eine Aussage vor einem Mikrofon, es gibt kein Schuldenkonto bei der NATO, das ist, glaube ich, auch sehr, sehr deutlich von allen anderen 27 Teilnehmern gesagt worden.
    Heinemann: Lassen sich die Deutschen ihre Sicherheit von den USA bezahlen?
    Otte: Deutschland investiert selbst viel in die Sicherheit unseres Landes, das ist uns auch ein ganz, ganz wichtiger Auftrag, aber wir tun dies im Bündnis der Europäischen Union, vor allem aber auch der NATO, und das war bisher erfolgreich: Wir haben 70 Jahre Frieden.
    "Deutschland muss mehr investieren, um zu modernisieren"
    Heinemann: Investiert Deutschland genug?
    Otte: Deutschland muss mehr investieren, um zu modernisieren, um Lücken zu füllen. Wir haben viele Beiträge, die wir leisten innerhalb der OSZE, innerhalb der Europäischen Union, innerhalb der NATO, und das erfordert auch, dass wir Geld investieren.
    Heinemann: Wann wird Deutschland zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben?
    Otte: Es ist noch einmal in Brüssel bestätigt worden, dass jedes Land die zwei Prozent erreichen soll, Mitte der nächsten Dekade sich diesem Ziel annähern soll. Das ist in Wales, in Warschau bestätigt worden und übrigens schon einmal 2002 auch von einer rot-grünen Regierung erstmals angenommen worden.
    Heinemann: Warum betonen Sie das jetzt so?
    Otte: Weil ich damit deutlich machen will, das ist ein gemeinsamer Auftrag, den wir haben innerhalb der Koalition, das gilt auch für die nächste Regierung. Und deswegen ist es wichtig zu sagen, wir investieren Geld, um die Sicherheit Deutschlands zu verbessern.
    Heinemann: Heißt zwei Prozent zwei Prozent?
    Otte: Zwei Prozent muss immer in Relation auch gesehen werden, dass wir ein starkes Wirtschaftswachstum haben. Insgesamt kommt es darauf an, welche Kapazitäten stellen wir, welche Fähigkeiten haben wir, welche Beiträge wollen wir leisten. Und hier leisten wir viel in Afghanistan, im Kosovo, in Mali Anti IS, gegen Schleusernetzwerke. Also ich glaube, da hat Deutschland ein gutes Bild.
    Heinemann: Heißt das jetzt, zwei Prozent heißt nicht zwei Prozent?
    Otte: Zwei Prozent heißt zwei Prozent, aber man darf nicht nur die blanke Zahl sehen, sondern auch das, was wir bisher einbringen und was abgefordert wird. Das ist, glaube ich, wichtig zu sagen, wir sind bereit, auch als Union mehr Geld zu investieren in die Sicherheit unseres Landes. Wir investieren in die Bundeswehr, weil wir haben als Union Vertrauen in die Soldatinnen und Soldaten.
    Heinemann: Wird es die Trump-Regierung hinnehmen, dass sich die reichen Deutschen ihre Zwei-Prozent-Verpflichtung schönrechnen?
    Otte: Wir rechnen dies überhaupt nicht schön, wir halten unsere Verpflichtung ein, weil wir davon überzeugt sind, dass wir alle gemeinsam, alle 28 NATO-Mitglieder, hier unseren Beitrag leisten wollen. Gemeinsam sind wir stark, das ist die Idee der Wertegemeinschaft und der Verteidigungsgemeinschaft der NATO.
    Heinemann: Nun sagt Donald Trump – wir haben es gehört –, zwei Prozent ist zu wenig. Ist es zu wenig?
    Otte: Nein, das ist vereinbart in Wales, noch mal in Warschau bestätigt worden auf den NATO-Gipfeln. Ich glaube, eins ist auch deutlich geworden: dass alle 27 anderen NATO-Nationen sich einig sind, dass wir dieses Ziel erreichen wollen, dieses Ziel ins Auge fassen, uns dem annähern wollen, und ich sage nochmals, erst Mitte der nächsten Dekade.
    Heinemann: Und ich frage noch mal: Heißt dann 2024 zwei Prozent, Punkt?
    Otte: Das heißt, zwei Prozent nehmen wir als klares Ziel. Ich sag noch einmal, wir müssen aber auch deutlich machen, dass wir vieles schon in Rechnung stellen können: Kapazitäten, Fähigkeiten, Beiträge, hier leistet Deutschland sehr, sehr viel.
    " Es geht darum, dass wir gemeinsam unsere Ziele definieren"
    Heinemann: Was wäre die NATO ohne die USA?
    Otte: Ach, das hat sich deutlich gezeigt, dass wir hier in Europa innerhalb der NATO sehr profitiert haben vom transatlantischen Bündnis, aber ebenso umgekehrt sage ich auch, wir standen auch alle in Solidarität zu den Vereinigten Staaten, als 9/11 stattfand, die furchtbaren Anschläge in New York und in Washington.
    Heinemann: Kann man es aus europäischer Sicht so weit kommen lassen, dass man ohne die USA machtlos wäre?
    Otte: Es geht darum, dass wir gemeinsam unsere Ziele definieren. Das heißt, wir wollen für Frieden und Freiheit eintreten, wir machen aber auch deutlich, dass wir innerhalb Europas sozusagen als eine Säule der NATO unsere Verantwortung wahrnehmen wollen, auch aus eigenem Interesse, dass wir nämlich unsere eigenen Interessen in Europa definieren. Deswegen war ja auch einmal gesagt worden auf der Münchner Sicherheitskonferenz, wir wollen und wir müssen mehr Verantwortung übernehmen.
    Heinemann: Herr Otte, warum wäre die NATO ohne die USA machtlos?
    Otte: Warum wäre die NATO ohne die USA machtlos? Weil die USA ein starkes Land ist, ein starker Bündnispartner. Aber wir sind nicht machtlos ohne die USA, wir haben große Länder dabei. Präsident Macron hat auch deutlich gesagt, dass er bereit ist, mehr zu investieren, wir haben Kanada an unserer Seite. Also ich will sagen, die Aussagen von Herrn Trump haben wir wahrgenommen, wir wollen sie nicht überinterpretieren, sondern es gilt das klare Werte- und Verteidigungsbündnis der NATO von 28 Staaten.
    Heinemann: Der "Spiegel" berichtet in dieser Woche über Berechnungen von US-Think-Tanks, nach denen die NATO einem russischen Überfall auf baltische Hauptstädte circa 60 Stunden, noch mal: 60 Stunden standhalten könnte. Kann man ein solches Bündnis ernst nehmen?
    Otte: Das Bündnis der NATO ist sehr ernst zu nehmen, das in jedem auch zu empfehlen.
    Heinemann: Nur nicht im Baltikum.
    Otte: Auch im Baltikum … hier Grenzen nicht zu überschreiten, deswegen ja auch die hohe Präsenz der NATO in den baltischen Staaten, und zwar nicht immer ein Land für ein Land, sondern viele NATO-Mitglieder für ein Land – für Estland, für Litauen, für Lettland –, um deutlich zu machen, wenn dort ein Konflikt angezettelt wird, dann legt man sich nicht mit einem Land an, sondern mit 28 Ländern der NATO. Und das soll ein deutliches Signal sein im Sinne der Abschreckung, zu sagen, wir wollen keinen militärischen Konflikt, wir wollen Frieden und Freiheit.
    "Die NATO lebt davon, dass wir sagen Abschreckung und Dialog"
    Heinemann: Und diese 28 Länder könnten in dem genannten Fall genau 60 Stunden abschrecken.
    Otte: Ich bin davon überzeugt, dass wenn die Kräfte gesammelt werden, wir auch ein deutliches Gegenwerk abwägen können. Ich will nur deutlich machen: Die NATO lebt davon, dass wir sagen Abschreckung und Dialog. Beides brauchen wir, mit dem klaren Ziel, dass kein militärischer Konflikt entstehen wird. Und das hat bisher erfolgreich gewirkt.
    Heinemann: Stichwort Dialog: Der "Spiegel" hat aufgelistet, in den europäischen Armeen rollen, fliegen und schwimmen 17 unterschiedliche Kampfpanzer, 13 verschiedene Luft-Luft-Raketen und 29 Fregattentypen. Slowenien und Tschechien stecken einen großen Teil ihrer Verteidigungsausgaben in eine Luftwaffe, die die NATO für entbehrlich hält. Warum ist das so?
    Otte: Weil wir bisher zu sehr isoliert national gedacht haben, und deswegen ist der Weg, den Angela Merkel geht, zu sagen, wir müssen die Verteidigungsunion innerhalb Europas stärken, genau richtig, dass wir im Bottom-up-Prozess von unten her mit den Armeen in Ausbildung, in Training, in Strukturen zusammenarbeiten, um ein einheitliches Bild abzugeben. Das spart im Übrigen auch viele Kosten.
    Heinemann: Einheitliches Bild: Ist die Türkei noch ein NATO-Partner?
    Otte: Die NATO besteht aus 28 Mitgliedern, die Türkei ist Mitglied dieser Verteidigungs- und Wertegemeinschaft. Das ist ein Stichwort, nämlich zu sagen, das ist keine Einbahnstraße, wir erwarten, dass die Türkei auch die Anforderungen der NATO in allen Teilen erfüllt.
    Heinemann: Ist das beim Ist-Zustand gegeben?
    Otte: Wenn Sie jetzt anspielen auf das Besuchsrecht der deutschen Parlamentarier, dann ist das in diesem Fall deutlich geworden in dem Gespräch von Angela Merkel mit Präsident Erdogan, zu sagen, wir halten dieses Besuchsrecht für notwendig und für unverzichtbar.
    Heinemann: Heißt, im Moment kein Partner?
    Otte: Das heißt natürlich weiterhin Partner, wir machen das nicht von Stimmungen ab- Wir sehen die Lage innerhalb der Türkei sehr ernst, auch besorgt, aber nichtsdestotrotz ist die Türkei NATO-Mitglied, ein wichtiger Partner auch regional, und es gilt, diese Einheit der NATO weiter deutlich zu machen und zu sagen, wir sind eine Verteidigungs- und Wertegemeinschaft.
    Heinemann: Henning Otte, der Sprecher der Unionsfraktion im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages, danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Otte: Danke schön, auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.