Dienstag, 19. März 2024

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Doping-Ermittlungen im Skilanglauf
Welche Rolle spielte der deutsche Arzt?

Der deutsche Arzt Ulrich Haegele soll den österreichischen Langläufer Johannes Dürr mit Epo versorgt haben. Diesen Vorwurf erhob ein ehemaliger Trainer von Dürr Anfang der Woche vor Gericht in Innsbruck. Für Sportjournalist Thomas Kistner bröckelt das Nulltoleranz-Image des Österreichischen Skiverbands.

Thomas Kistner im Gespräch mit Maximilian Rieger | 01.02.2020
Ein Tropfen an der Nadel einer Spritze
Der österreichische Skilangläufer Johannes Dürr wurde u.a. wegen Dopings mit Epo verurteilt. Unklar ist noch, wie er an das Epo kam. (dpa / picture-alliance / Patrick Seeger)
Welche Rolle spielte der Deutsche Arzt Ulrich Haegele? Diese Frage beschäftige die Innsbrucker Staatsanwaltschaft immer intensiver, so Kistner im Gespräch mit dem Deutschlandfunk: "Seit Sommer 2018 läuft ein Ermittlungsverfahren gegen den Mediziner. Es hat sogar eine Durchsuchung seines Hauses in der Nähe von Rosenheim gegeben. Er bestreitet jede Verstrickung. Die Auswertung der Datenträger, die beim ihm sichergestellt wurden, dauert noch an." Allerdings würden die Strafverfolger die Vorwürfe von Dürr und Heigl für glaubwürdig halten.
Laut Kistner sagt Haegele, dass er Ende 2006 vom damaligen österreichischen Skipräsidenten zum Teamarzt der Langläufer berufen worden sei. Kistner: "Es liegt im Dunkeln, warum der Mann in so eine belastete Sportart geholt wurde." Haegele sei kein Sportmediziner, sondern Pathologe. Ganz persönlich habe Haegele nach eigener Auskunft eine enge Anbindung an den Radsport gehabt und sei mit Jan Ullrich rumgereist. Beim Österreichischen Skiverband habe er stets vor Doping gewarnt: "Aber es gibt auch medizinische Stellungnahmen von ihm", so Kistner, "die zeigen, wie er alarmierende Befunde von Starläufern der Österreicher fachlich in Zweifel zieht."
Sonderbudget Haegele
Nach den Recherchen des Sportredakteurs der Süddeutschen Zeitung gab es ein Sonderbudget beim ÖSV für den Mannschaftsarzt aus Deutschland: "Es ist merkwürdig, dass das Budget seinen Namen trägt. Und ein weiterer Hinweis, dass es hier eine engere Anbindung gab, als es die Beteiligten darstellen wollen."
Der Verband tue trotzdem so, als ob er sich nicht Haegele erinnere, so Kistner. Seine Anfragen seien vor ein paar Tagen mit knappen Bemerkungen beantwortet worden, der Verband könne auf die Frage, was Haegeles Aufgabe gewesen sei, nicht weiterhelfen. "Das ist in allerhöchstem Maße merkwürdig, zumal es dieses mit 36.000 Euro aufgeladene Sonderbudget gegeben hat", so Kistner. Das sei dringend erklärungsbedürftig. "Die Abwiegelei des Verbands geht so weit, dass er behauptet, er habe gar nicht gewusst, dass Haegele bis zu diesem Tage noch als Teamarzt auf der Verbandswebsite stand. Das habe man erst nach der Presseanfrage registriert und dann schnell entfernt."
Welche Konsequenzen für ÖSV und Haegele?
Kistner kommt zu der Einschätzung, dass das Bild des österreichischen Verbands zerbröckelt, wonach er eine Null-Toleranz-Strategie gegen Doping verfolgt und nie etwas von Fehlentwicklungen mitgebekommen habe. "Die Realität, mit einem verurteilten Trainer und einem weiteren, der bald vor Gericht steht und einem Arzt, der schwerwiegende Vorwürfe entkräften muss, widerspricht dem Eindruck, dass hier nur schwarze Schafe und Einzelfälle zu besichtigen sind", sagt Kistner: "Hier geht’s fast ein bisschen ins Systemische." Für den deutschen Arzt bestehe die Gefahr, dass am Ende der Ermittlungen ein Prozess in Innsbruck wartet. "Das wären dann schon zwei deutsche Ärzte, die ein fragwürdiges Knowhow in die internationale Dopingaffäre hereingebracht haben."