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Dopingskandal
Die Spritze des Eisbergs

Nach den Doping-Razzien in Erfurt und Seefeld stoßen die Ermittler reihenweise auf pikante Hintergründe. Nach der Selbstanzeige des österreichischen Radprofis Georg Preidler ermittelt die Innsbrucker Staatsanwaltschaft nun gegen einen weiteren Radsportler.

Von Andrea Beer | 04.03.2019
Der österreichische Radprofi Georg Preidler braucht einen neuen Job. Nach seiner Selbstanzeige wegen Blutdopings rund um den Erfurter Sportarzt Mark S. trat der 28-Jährige aus seinem französischen Team Groupama-fdj zurück. In den vergangenen Tagen habe er weder geschlafen noch gegessen, so Preidler in einem Zeitungsinterview:
"Ich weiß nicht ob und wie dieser Dopingarzt alles verschlüsselt hat. Aber ich konnte mit diesem Geheimnis nicht mehr leben."
Alle seine Erfolge seien sauber gewesen. Doch er habe betrügerische Absichten gehabt und sich Ende 2018 zweimal Blut abnehmen lassen, erklärte Preidler weiter. Schon vor den aufsehenerregenden Razzien und Festnahmen bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld habe sich Georg Preidler stellen wollen, sagt Eduard Hamedl, Präsident des steirischen Radsportverbands: "Weil er mit dem nicht leben kann."
Innsbrucker Staatsanwaltschaft ermittelt
Seit Montag ermittelt die Innsbrucker Staatsanwaltschaft auch gegen den Radprofi Stefan Denifl. Der 31-Jährige gewann 2017 die Österreich Rundfahrt und soll dabei unerlaubtes Blutdoping angewendet haben. Laut Staatsanwaltschaft hat Denifl das Doping gestanden. Michael Tschepitsch ist Chef der Nationalen Anti-Dopingagentur NADA - und er reagierte so:
"Was uns überrascht hat, war das professionelle Ausmaß der Organisation, die dahinter steckt und im Endeffekt wirklich einen reibungslosen Lieferablauf der Blutabnahme und der Refundierung, der Lagerung aufgewiesen haben."
Peter Schröcksnadel müsste also an seinem Krisenmanagement zweifeln. Seit 1990 ist er Präsident des Österreichischen Skiverbands ÖSV. In seine Zeit fallen mehrere handfeste Dopingskandale etwa um Biathleten und Langläufer bei den Winterspielen in Turin 2006. In der laufenden Dopingdebatte ging der ÖSV aber zum Angriff über und witterte eine Verschwörung - auch bei der Nordischen WM:
"Wie das inszeniert worden ist, da muss man auch drüber nachdenken, warum und wieso so etwas passiert – gerade bei einer WM. Wir haben das in den letzten Jahren immer wieder verfolgt: MeToo-Geschichte vor Weihnachten, MeToo-Geschichte Kitzbühel, MeToo-Geschichte bei der Weltmeisterschaft und jetzt wieder bei der Weltmeisterschaft. Also da muss man schon nachdenken, ob es da nicht eine Gruppe gibt, die ganz gezielt schaden will."
Scheitern im Kampf gegen Doping
Auch die Aufklärung sexualisierter Gewalt und Übergriffe im ÖSV behindert Schröcksnadel - laut Kritikern - wo er kann. Und nun rücken wichtige Sponsoren von ihm ab. Die Casino AG und die Österreichischen Lotterien fordern nun Verantwortung ein. Die Übernahme von persönlicher Führungsverantwortung im ÖSV für das langjährige systematische Scheitern im Kampf gegen Doping sei geboten, hieß es in einer Pressemitteilung. Für Wilhelm Lilge ist Peter Schröcksnadel längst Teil der Problems geworden. Er ist Leichtathletiktrainer und kämpft seit vielen Jahren für Aufklärung und gegen Doping:
"Es kann also nur so sein, dass das betreuenden Umfeld entweder weggeschaut hat, fachlich ungeeignet ist – einfach keine Ahnung von der Materie hat -oder einfach lügt."
Stand jetzt haben acht Spitzensportler Blutdoping zugegeben, alle im Zusammenhang mit dem Erfurter Mediziner. Auch Ex-Radprofi Bernhard Kohl hat mit dem deutschen Mediziner Erfahrung. 2008 wurde er bei der Tour de France Dritter und anschließend des Dopings mit EPO überführt. Kohl sagte gegen den Erfurter Mediziner aus und wurde verklagt:
"Er hat dann sogar Recht bekommen und die Frage, die man sich schon stellen kann, warum er noch zehn Jahre im Sport hat tätig sein konnte und wie es aussieht, die Sportler hier versorgt hat."
Der Ex-Radprofi Kohl hat nach seiner Profikarriere einen Fahrradladen eröffnet. Die Zukunft der anderen geständigen Doper ist bisher noch ungewiss.