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DRK-Suchdienst
Für alle Seiten eine schwierige Detektivarbeit

Die Zahl der Flüchtlinge, die über den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Angehörige wiederfinden wollen, steigt. Eine Detektivarbeit, nicht nur wegen der schwierigen Suche in Konfliktgebieten. Eines gilt: Kein Fall wird gelöscht, egal wie unwahrscheinlich es ist, dass die vermisste Person noch gefunden wird.

Von Lisa Weiß | 10.01.2017
    Eine Frau sitzt am 26.08.2016 an einem PC-Monitor in Dresden (Sachsen) und betrachtet den Flyer "Restoring Family Links" des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Suchdienst. Trotz sinkender Flüchtlingszahlen in Deutschland erwartet der Suchdienst des DRK in diesem Jahr bei der internationalen Suche nach Angehörigen eine Rekordzahl an Anfragen.
    Die Zahl der nach Deutschland geflohenen Menschen, die über den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Angehörige wiederfinden wollen, steigt. (ddpa / Arno Burgi)
    "So, jetzt zeig ich ihnen, Afghanistan ist zum Beispiel sehr interessant…klicken, ein bisschen größer…"
    Marina Brinkmann sitzt vor ihrem Computer, in einem unscheinbaren, grauen Bürogebäude in München – eine Zentrale des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes. Hier kommen Suchanträge aus aller Welt an, von Menschen, die ihre Kinder, Eltern oder Ehemänner vermissen, die vielleicht in Deutschland sein könnten. Die Mitarbeiter bemühen sich dann, die Familienangehörigen zu finden. Außerdem suchen immer mehr Flüchtlinge, die in Deutschland leben, ihre Familien - auch in diesem Fall laufen die Fäden in München zusammen: Marina Brinkmann und ihre Kollegen leiten alle Suchanträge, die die Menschen hier oder an anderen Rotkreuzstandorten in Deutschland ausfüllen, ins richtige Land weiter:
    Suchdienstarbeiter gehen in Dörfer, befragen Nachbarn
    "Das heißt, die Kollegen im Ausland bekommen diese Suchanträge und anhand von den Daten und Informationen, die in diesem Suchantrag stehen, recherchieren sie nach Familienangehörigen und teilen uns dann die Ergebnisse mit."
    Suchdienstarbeiter vom Roten Kreuz oder in muslimischen Ländern vom Roten Halbmond gehen in Dörfer, versuchen herauszufinden, ob noch jemand an der früheren Adresse der Familie wohnt. Sie befragen Nachbarn, einflussreiche Leute, die Mullahs vor Ort. Eine Detektivarbeit, die für alle Seiten sehr schwierig ist. Oft ist schon unklar, in welchem Land der Ehemann und die Mutter sich momentan aufhalten; der Name Mohamed beispielsweise lässt sich in vielen verschiedenen Varianten schreiben – schreibt man ihn falsch, wird ein Kind vielleicht weiter seinen Vater vermissen.
    Ein leerer Stuhl ist in der zentralen Namenskartei (ZNK) am 01.04.2014 im Archiv des DRK-Suchdienstes in München zu sehen.
    Archiv des DRK-Suchdienstes in München. (picture alliance / dpa / Marc Müller)
    In Somalia helfen Angaben über die Sippenzugehörigkeit weiter
    Eine Hilfestellung gibt es, sagt Marina Brinkmann: Eine Datenbank, in der die wichtigsten Informationen über jedes Land gesammelt sind – zum Beispiel über Afghanistan.
    "Also hier können wir zum Beispiel sehen, an wen die Suchfälle adressiert werden, wie viele Ziffern müssen in der Telefonnummer sein, hier ist es auch zum Beispiel erwähnt, dass man nach Frauen nicht suchen kann und dass man immer in Afghanistan einen männlichen Angehörigen angeben muss."
    Marina Brinkmann klickt ein paar Länder weiter: In Somalia zum Beispiel ist das Geburtsdatum für die Suche völlig egal, dafür helfen Angaben über die Sippenzugehörigkeit oft weiter. Selbst dort und in anderen Krisengebieten sind die Mitarbeiter des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes unterwegs – ein gefährlicher Job. Aber manche Gebiete sind einfach zu unzugänglich; das ist ein Problem für den Suchdienst.
    Website Trace the Face
    Ein bisschen Erleichterung könnte die Website Trace the Face bringen; seit ein paar Jahren können dort Menschen, die ihre Familie vermissen, mithilfe des Roten Kreuzes ihr eigenes Foto einstellen. Wer jemanden erkennt, kann über ein Formular den Suchenden kontaktieren – und schon hat sich wieder eine Familie gefunden. Über 2.700 Suchanzeigen sind in Deutschland im vergangenen Jahr eingegangen, in etwa der Hälfte der Fälle konnte der Suchdienst helfen. Und: Kein Fall wird geschlossen, egal wie unwahrscheinlich es scheint, dass die vermissten Angehörigen je aufgespürt werden:
    "Wir haben auch die Anfrage von einem Kind gehabt, der war sechs Jahre alt und wusste, dass seine Mama Fatima heißt und der Papa heißt Mohamed und, ok, wir konnten auch noch herauskristallisieren aus dem, was er erzählt hat, dass er aus Afghanistan stammt. Und mit diesen Angaben nach jemandem zu suchen ist natürlich unglaublich schwierig."
    Marina Brinkmann erinnert sich aber auch an eine verzweifelte Mutter aus dem Kongo, die bei ihr in München um Hilfe bat. Deren zwei Kinder konnte sie nach langem Suchen in einem russischen Waisenhaus entdecken.
    "Sie können sich das nicht vorstellen, wie bewegend es ist, wenn die Menschen Sie am Telefon umarmen."