Freitag, 29. März 2024

Archiv

Drogensucht in Griechenland
Sisa: Das "Kokain der Armen"

In Griechenland hat sich die Droge Sisa innerhalb weniger Jahre auf dem Drogenmarkt etabliert: Eine Dosis Sisa kostet nur ein paar Euro, doch der Konsum kann fatale Folgen haben. Drogen-Therapeuten warnen, spezielle Hilfsangebote gibt es kaum.

Von Rodothea Seralidou | 26.06.2019
Mitarbeiter der Organisation KYTHEA stehen vor einem mobilen medizinischen Versorgungsbus.
Mitten in der Wirtschafts- und Finanzkrise ist die Billigdroge Sisa zum ersten Mal in Erscheinung getreten (dpa/KYTHEA)
In den Büros der staatlichen Anti-Drogen-Organisation OKANA, im Herzen Athens. Der 55-jährige Streetworker Sotiris Papadopoulos zeigt auf eine Grafik. Neben Heroin, Schlaftabletten, Kokain und Cannabis – seien immer mehr Menschen von der synthetischen Droge Sisa abhängig, sagt er.
"Das ist eine Art Crystal Meth, aber von extrem schlechter Qualität. Es kann alles Mögliche enthalten. Die Droge ist sehr stark und wird in einer selbstgemachten Glaspfeife geraucht, daher auch ihr arabischer Name 'Sisa'."
Die Droge zerstört den Körper
Die schlechte Qualität komme vor allem von der unprofessionellen Art und Weise, wie die Droge produziert werde, sagt der Psychiater Konstantinos Kokkolis, zuständig für die Hilfsprogramme der Anti-Drogen-Organisation: "Meistens wird die Droge draußen zusammengemischt, nicht in Laboren, weil das Risiko einer Explosion zu groß ist. Patienten erzählen uns von diversen Hügeln in Athen. Die Zutaten, die dafür benötigt werden, finden sich in Medikamenten: Ephedrin, Pseudoephedrin. Für die Reaktion wird Lithium benutzt, zum Beispiel von Autobatterien, oder auch andere gefährliche Stoffe wie Chlor, die Überreste bleiben im Kristall und werden dann mitgeraucht."
Sichergestellte Ecstasy-Pillen
Niederlande mit Drogenproblemen
Breaking Bad in Brabant
Die Bürgermeister der fünf größten Städte Brabants schlagen Alarm: Die Produktion von Crystal Meth und anderen synthetischen Drogen droht in der niederländischen Provinz Überhand zu nehmen. Für circa neun Milliarden Euro pro Jahr wird Stoff von hier aus in die ganze Welt exportiert.

Die Droge sei viel stärker als Kokain und würde am Anfang extrem stimulierend wirken, sagt Kokkolis, doch danach komme Lustlosigkeit und ein Stimmungstief, so dass die Süchtigen schnell die nächste Dosis bräuchten. Die Folgen sind fatal: "Innerhalb weniger Wochen können die Konsumenten sterben. Die Arterien bekommen keinen Sauerstoff, sie können einen Herzinfarkt oder einen Hirnschlag erleiden, die inneren Organe verfaulen, es sammelt sich Eiter im Körper, die Leber stirbt ab. Und die Süchtigen bekommen große Pickel, kratzen sich und dadurch transportieren sie Bakterien in den Körper. Das kann zu einer Blutvergiftung führen." Und auch wer es schafft, von der Droge loszukommen, habe oft irreparable Gesundheitsschäden, so der Psychiater:
"Diese Menschen, leiden unter Psychosen. Und sie werden dement, die Hirnzellen sterben ab, sie müssen sich ein Gehirn vorstellen mit Löchern wie bei einem Schwamm."
"Die Leute werden zu Zombies."
Die Gefahren haben sich unter den Junkies schon längst herumgesprochen. Auch diese Frau kennt sie. Sie sei Mitte 60 sagt sie, sitzt im Eingang eines Mehrfamilienhauses, ihr Blick ist leer: "Ich nehme nur Heroin, ich habe Angst vor Sisa. Das ist die billigste Droge überhaupt. Die Leute werden zu Zombies. Ein ganz hübsches Mädchen hat mir eine Röntgenaufnahme gezeigt, ihre Lungen hatten Löcher, nach einer Woche war sie tot."
Die Droge der Krise
2012 ist die Billigdroge zum ersten Mal in Erscheinung getreten. Mitten in der Wirtschafts- und Finanzkrise. Das sei kein Zufall gewesen, sagt Streetworker Sotiris Papadopoulos. Einen Hoffnungsschimmer hätten diese Menschen auch heute nicht: "In letzter Zeit sehen wir immer mehr Menschen, die Sisa als Hauptdroge konsumieren. Das sind Menschen, die leben auf der Straße und haben schon längst aufgegeben. Diese Menschen haben keine Hoffnung, dass es ihnen besser gehen kann. Die Situation bleibt schwierig in Griechenland, sogar hochqualifizierte Menschen finden immer noch keine Arbeit, wie sollen dann Drogensüchtige eine Chance bekommen? Das ist sehr schwer!"
Ein Mann schneidet von einer Grasknolle die Knospen ab, um diese in einen Joint zu mischen. 
Portugals Drogenpolitik
Therapie statt Gefängnis
Wer in Portugal mit Haschisch oder Crack für den Eigengebrauch erwischt wird, muss nicht vor den Richter, sondern zum Arzt oder Psychologen. Dort wird über die Gefahren aufgeklärt und, wenn nötig, eine Therapie angeboten.
Bisher Fokus auf Heroin-Süchtige
Spezielle Hilfsangebote für Sisa-Süchtige hat die staatliche Anti-Drogen-Organisation nicht. Jahrzehntelang habe man sich auf die Bekämpfung der Heroin-Sucht konzentriert. Schließlich waren vor der Erscheinung der Billigdroge Amphetamine und Metamphetamine in der griechischen Drogenszene so gut wie unbekannt.