Mehr Tischtennis-Events
Was die Terminflut für Athletinnen und Athleten bedeutet

Im Tischtennis wird an der Revolution des Sports gearbeitet. Welt- und Europameisterschaften, Olympische Spiele, nationale Ligen, die WTT-Tour und Sonderformate sorgen allerdings für eine Terminflut. DTTB-Präsidentin Claudia Herweg empfiehlt den Profis zu priorisieren.

Von Astrid Rawohl und Julian Tilders |
Der deutsche Tischtennisprofi Patrick Franziska spielt eine Vorhand beim WTT-Turnier in Frankfurt.
Patrick Franziska, hier beim WTT-Champions-Turnier in Frankfurt, ist einer der besten deutschen Tischtennisprofis. Auf diese warten zukünftig wohl noch deutlich mehr internationale Individual-Wettbewerbe – das strapaziert den Kalender. (IMAGO / MaJo / IMAGO)
Ziehen mehr Tischtennis-Events zwangsläufig eine erhöhte Sichtbarkeit des Sports nach sich? Das ist wohl die Hoffnung. Denn der Traditionssport fährt seit einiger Zeit mit einer Vielzahl von Turnieren auf, die auch – wie etwa die Events der World Table Tennis Tour – Tischtennis verstärkt als Individualsport auf die internationale Bühne heben sollen.
Die Konsequenz: Bestrebungen, den Sport mehr in Richtung des großen Vorbildes Tennis zu entwickeln mit glanzvollen Grand Slams (analog im Tischtennis: Grand Smashes) und der Vermarktung als internationales Individualsport-Premiumprodukt, ziehen auf der einen Seite finanzielle Möglichkeiten für die Profis nach sich, aber eben auch zusätzliche Belastungen. Wobei es Abstimmungsprobleme mit den nationalen Ligen wie der deutschen TTBL gibt, die extra eine fünfwöchige Zwangspause einlegte.
Routinier Timo Boll stellte nach seinem Ausscheiden beim WTT-Champions-Turnier in Frankfurt am Dienstag (31.10.2023) zudem fest, es gebe nun für ihn keine Turniere mehr bis Ende des Jahres. Spontane Verlegungen und Absagen der WTT-Events zeigten in dieser Saison: Die Vision von WTT-Chef Stephen Duckitt, Tischtennis nach dem Vorbild Tennis umzukrempeln, ist eben genau das – noch eine Vision.

Profis im Stress: Priorisierung für DTTB-Präsidentin alternativlos

Doch die Prognose, dass die Anzahl der Wettbewerbe bei besserer WTT-Planung noch einmal zunehmen wird, steht. Zuversicht, dass die erwartbare Terminflut in Zukunft eingedämmt und so Athletinnen und Athleten entlastet werden könnten, versprüht DTTB-Präsidentin Claudia Herweg im Dlf-Interview nicht: "Dagegen wird keiner was tun können. Das ist eine Entwicklung, die genommen worden ist, die man nicht mögen muss, aber gelöst wird die Flut an Terminen nicht."
Als Reaktion auf den überladenen Wettkampfkalender sieht sie nur eine Möglichkeit für Profis: "Der Glaube, dass man die Anzahl der Events im Moment reduziert bekommt – das halte ich nicht für sehr realistisch. Dann überlege ich lieber: Okay, was kann ich aus der Gemengelage realistisch tun? Was ist mein Einflussbereich und nicht mein Interessenbereich? Und beeinflussen kann ich nur, wo ich melde."
Eine Priorisierung erachtet Herweg als alternativlos. Analog zum Tennis hieße das, als Profi individuelle Schwerpunkte in seiner Saison zu setzen, Trainingsblöcke und Wettbewerbszeiten strenger zu trennen. Periodisierung und Zyklisierung sind Stichworte aus der Sportwissenschaft – kein Profi kann das ganze Jahr über in Topform sein. Aus dem Tennis kennt man die Frage vor wichtigen Turnieren: Welche Stars sind dabei, welche fehlen diesmal? Auch die besten Tischtennisprofis werden nicht bei allen Turnieren teilnehmen können.
"Wenn ich nicht auf Olympia gehen würde, dann würde ich zum Beispiel Bundesliga spielen und nur ein paar Einzelturniere. Es hängt relativ stark an der eigenen Situation", betont Herweg. "Und das ist anders als früher. Früher haben eigentlich die Spieler alle relativ ähnlich das Gleiche getan."

Individuelle Kalender als Herausforderung für Bundestrainer

Und das impliziert auch Probleme für die Nationalteams. Gut möglich, dass sich Bundestrainer Jörg Roßkopf und -trainerin Tamara Boros zukünftig mit Profis arrangieren müssen, die in verschiedenen Trainings- und Wettkampfphasen stecken.
Die DTTB-Präsidentin weist darauf hin: "Das macht natürlich die Situation schwieriger, dann alle in der Trainingsgruppe zusammenzuhalten, Trainingsphasen zu planen. Und individuell eben – wir haben ja glücklicherweise eine längere Liste an Top-Athleten – die alle in eine Richtung zu planen, ist dadurch schwieriger."

Task-Force zur mittel- bis langfristigen Planung?

Mehr Ordnung ins derzeitige Chaos des Tischtennis-Kalenders zu bringen, das hatte sich Bundestrainer Roßkopf bereits zuletzt gewünscht. DTTB-Präsidentin Herweg unterstützt dessen Ruf nach einer Task-Force, die dem Terminkalender Herr werden und die Planungen besser abstimmen soll.
Jedenfalls ist der Kalender in 2024 bereits voll mit Tischtennis-Veranstaltungen. Noch vor den Olympischen Spielen im August in Paris will nach Sportschau-Informationen die WTT-Serie drei Grand Smashes durchziehen.