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Tischtennis
Startruppe aus Neu-Ulm zieht sich aus der Liga zurück

2022 gelang dem TTC Neu-Ulm der ganz große Coup im Tischtennis. Auf einen Schlag verpflichtete der Tischtennis-Bundesligist vier Top-Ten-Spieler der Weltrangliste. Doch wegen eines Streits zieht sich der Club jetzt aus der Bundesliga zurück.

Von Matthias Friebe |
Dimitrij Ovtcharov  vom TTC Neu-Ulm  schlägt eine Rückhand.
Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov: Zukunft in Neu-Ulm nach Strafen für Mitspieler unklar (imago sportfotodienst)
Es war Punkt 15 Uhr am Donnerstag, als der TTC Neu-Ulm per Pressemitteilung seinen Rückzug aus der Tischtennis-Bundesliga ankündigte. „Am Ende war es alternativlos“, sagt Florian Ebner, der Mäzen und Vorsitzende des Clubs kurz danach im Deutschlandfunk. Vorausgegangen war ein wochenlanger Streit mit der Liga. Deren Geschäftsführer Nico Stehle bedauert den Rückzug der Neu-Ulmer zwar, sagt aber im gleichen Atemzug:
„Der Verein hat aber schon mehrfach gezeigt, dass es ihm primär nicht um den Wettbewerb in der Liga geht, sondern nur um den Pokal und die Champions League. Er respektiert durch seine vorsätzlichen Verstöße die Liga auch nicht als Institution, die ihre Regeln schützt.“
Auslöser des Streits: Zwei Spieler des TTC Neu-Ulm – der schwedische Vize-Weltmeister Truls Moregardh und die Nummer 8 der Welt, Lin Yun-Ju aus Taiwan – haben für ausländische Vereine gespielt, obwohl die Wechselfrist im Januar schon abgelaufen war.

Bundesliga-Spieler dürfen nicht im Ausland spielen

In anderen Ländern ist es möglich, dass Topspieler für mehrere Vereine international gleichzeitig spielen können. In Deutschland sorgen sich die Verantwortlichen aber, dass dadurch die Identifikation zur Liga eher noch sinken könnte. Deswegen hätten sich alle Klubs darauf verständigt, dass ein Bundesliga-Spieler nicht parallel im Ausland spielen könne, sagt der Geschäftsführer der Tischtennis-Bundesliga, Nico Stehle:
„Der TTC Neu-Ulm hat sich erst im vergangenen November bei einer Versammlung der TTBL-Vereine zusammen mit den anderen Club-Vertretern einstimmig gegen eine mehrfache Spielberechtigung für TTBL-Akteure während einer laufenden Saison ausgesprochen.“
Darauf angesprochen kann sich Florian Ebner im Deutschlandfunk-Interview nicht mehr exakt erinnern, wie Vereinsvertreter abgestimmt hätten. Dass die Neu-Ulmer gegen die Regeln verstoßen haben, bestreitet Ebner aber nicht. Ihn stört die Strafe: Denn die Bundesliga hat beiden Spielern nicht für die aktuelle Bundesliga-Saison die Lizenz entzogen, die für Neu-Ulm wenig relevant ist. Sondern die Liga hat beide Spieler für zehn Spiele in der kommenden Saison gesperrt. Dadurch hätten beide auch nicht mehr an einem möglichen Pokalfinale teilnehmen können.

Strafe gefährde Neu-Ulms Planungssicherheit

TTBL-Geschäftsführer Stehle begründet das so: „Ein Entzug der Spielerlizenz würde keinerlei spürbare Strafe darstellen, da die Spieler aufgrund ihres Einsatzes in ausländischen Ligen ohnehin keine Spielberechtigung für diese Saison mehr besitzen können.“ „Ah, find ich interessant. Würde ich aus Sicht der Liga genauso sehen“, entgegnet Florian Ebner, als er von dieser Begründung hört. Seiner Meinung nach geben die Regeln diese Sanktion aber nicht her: „Die haben einfach Fehler in ihren Verträgen.“
Die 10-Spiele-Sperre in der kommenden Saison gefährde die Planungssicherheit des Vereins, sagt Mäzen Ebner: „Die oberste Maxime für uns war, wir wollten den Truls Moregardh und den Lin nicht verlieren. Und wenn wir sechs oder acht Wochen warten müssen, bis sie eine Entscheidung haben, dann haben wir zu befürchten, dass die weg sind.“
So lange dürfte ein anstehendes Schiedsverfahren dauern, das die Rechtmäßigkeit der Sperre klären soll. Der frühere Handball-Nationaltorhüter Andreas Thiel ist der Vorsitzende des Schiedsgerichts. Auf Deutschlandfunk-Anfrage teilt er mit, er wisse davon bisher nur aus den Medien, eine Klage sei bei ihm noch nicht eingegangen.

Topspieler sind nicht für den Ligabetrieb verpflichtet worden

Das Schiedsverfahren ändert aber nichts mehr daran, dass Neu-Ulm ab der kommenden Saison nicht mehr in der Bundesliga spielen wird. Wirkliches Interesse an der Liga schien Ebner aber nie zu haben. Topspieler wie Moregardh, Lin Yun-Ju oder Deutschlands Nummer 1, Dimitrij Ovtcharov, waren nicht für die Liga eingeplant. Vize-Weltmeister Moregardh kommt mit drei Einsätzen in 18 Partien bisher noch auf die meisten Spiele der Stars, in der Liga spielen in der Regel drei junge russische Spieler. Die Topspieler sind vor allem in der Champions-League angetreten. Und dort will der Klub auch weiterspielen.
Die maximal acht Termine im Jahr lassen sich gut im vollen Wettkampfkalender der Superstars unterbringen. Und die Regeln der Europäischen Tischtennis-Union ETTU geben auch her, dass Neu-Ulm sich den Platz allein durch die guten Vorleistungen wie das Halbfinale in diesem Jahr sichern kann.
„Wir müssen unsere Meldung an die ETTU über den DTTB schicken. Und die leiten das dann weiter. Da haben wir aber schon eine mündliche Zusage von der jetzigen Präsidentin, der Claudia Herweg, dass wir mitspielen können“, sagt Ebner.
Die angesprochene DTTB-Präsidentin Claudia Herweg bestätigt diese Zusage noch nicht, sondern formuliert deutlich zurückhaltender: „Aktuell prüfen wir im DTTB, ob der TTC Neu-Ulm für die Champions League ohne Zugehörigkeit zu einer nationalen Liga gemeldet wird. Das tun wir zeitnah und selbstverständlich absolut seriös.“

Tischtennis wird immer mehr zum Individualsport

Fest steht: Das Projekt TTC-Neu Ulm in der Bundesliga ist vorerst beendet. Dabei fing 2019 alles ganz anders an: „Als die Mannschaft zusammengestellt wurde, habe ich das begrüßt. Ich fand das toll. Ich war damals auch einer der Fürstreiter, als Ulm mit einer Wildcard in die Liga kam. Das war historisch das erste Mal“, sagt Andreas Preuß, Aufsichtsratschef der Liga und Manager von Borussia Düsseldorf.
Denn Neu-Ulm verhieß auch frischen Wind für die Bundesliga. Tischtennis und damit wird der aktuelle Streit grundsätzlich, wird immer mehr vom Mannschaftssport zu einer Individualsportart, nimmt einen ähnlichen Weg wie das große Tennis. Lukrative neue Turnierserien entstehen, große Namen wie Ovtcharov oder Moregardh sind international bekannt und können sehr gutes Geld verdienen, anders als mit der Mannschaft in der Liga. Dort gibt es zu viele Spiele für zu wenig Aufmerksamkeit.
Andreas Preuß schließt nicht aus, „dass wir vielleicht irgendwann doch Richtung Tennis-Bundesliga gehen oder neue Konzepte haben und dann mit allen möglichen Spielern nur noch 2-3 Monate spielen, das mag alles sein.“

Vorwürfe an Aufsichtsratsvorsitzenden Andreas Preuß

Man wolle dazu beitragen, das Image-Problem des Tischtennis zu lösen. Das war das Versprechen von Mäzen Ebner in Neu-Ulm: „Wir haben drei Jahre mitgespielt, waren ein netter Mitspieler im Mittelfeld und es war alles gut. Jetzt dieses Jahr kommen wir mit Ambitionen, verpflichten Topspieler und auf einmal haben wir Windstärke 6 Gegenwind.“ Und den hat Florian Ebner aus Düsseldorf ausgemacht, von Andreas Preuß.
„Der Aufsichtsratsvorsitzende, an der Stelle sind wir ja auch konkret und deutlich und nehmen kein Blatt vor den Mund.“ Ebner sieht einen Interessenskonflikt, weil Preuß seit vielen Jahren auch Manager von Borussia Düsseldorf ist. Auch in der Deutschen Fußball-Liga kennt man das. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke leitet auch den Liga-Aufsichtsrat. Ebner wirft Preuß vor, er nutze seine Macht gegen den TTC Neu-Ulm, bis hin zu den Strafen gegen die beiden Spieler. Sowohl Preuß als auch die Liga weisen das aufs Schärfste zurück. Und auch DTTB-Präsidentin Claudia Herweg stützt Preuß, dessen turnusmäßige Wiederwahl in einer Woche als Aufsichtsratschef der Liga als sicher gilt:
„Ich empfinde es persönlich als unpassend, dass der Konflikt auf persönlicher Ebene gegen Andreas Preuß geführt wird. Er hat sich wirklich ein großes Renommee durch seine jahrzehntelange Arbeit und sein großes Engagement verdient.“

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Social-Media-Post von Ovtcharov sorgt für Ärger

Schon Anfang der Woche hatte Deutschlands derzeit bester Tischtennis-Spieler Dimitrij Ovtcharov ähnliches in den sozialen Medien veröffentlicht. Er sei aus allen Wolken gefallen, sagte Preuß dazu im Deutschlandfunk: „Mein Handy ist fast explodiert, weil ich diese Nachrichten bekam. Ich musste erst einmal meine Gedanken ordnen, weil ich davon mehr als überrascht war und das ist noch positiv ausgedrückt.“
Ovtcharov löschte den Post zwar und veröffentlichte ihn nachher in veränderter Form neu, trotzdem herrscht bisher Funkstille zwischen den beiden. Am Montag ist eine Art Friedensgipfel angesetzt.