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Dückert: Ver.di-Chef Bsirske muss nach Freiflug nicht zurücktreten

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Thea Dückert, hat einen Rücktritt von Verdi-Chef Frank Bsirske wegen seiner Urlaubsfreiflüge abgelehnt. Die Politik dürfe sich nicht in die Angelegenheiten der Gewerkschaften einmischen. Rechtlich gesehen seien die Flüge nicht zu beanstanden. Gleichwohl forderte Dückert mehr Transparenz bei der Vergabe von Vergünstigungen an Aufsichtsräte.

Thea Dückert im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Am Telefon begrüße ich nun Thea Dückert, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag. Guten Morgen.

    Thea Dückert: Ja, guten Morgen.

    Müller: Muss Frank Bsirske gehen?

    Dückert: Das ist eine Frage an die Politik, die sich überhaupt nicht stellt. Hier ist, er hat ja auch schon zugegeben, ein Fehler gemacht worden, es hat überhaupt nicht von Fingerspitzengefühl gezeugt, was er gemacht hat, nämlich zu diesem Zeitpunkt diesen Freiflug zu beanspruchen. Er ist ja auch nicht als Privatperson im Aufsichtsrat, sondern als Gewerkschaftschef. Und es hat zu Recht da eine öffentliche Debatte drüber gegeben. Nur die Frage eines Rücktrittes, die thematisieren jetzt diejenigen, die bei Gewerkschaften versuchen, immer Einfluss zu nehmen auf Seiten der Politik, eben Brüderle, haben wir gerade gehört, von der FDP, oder auch Angriffe aus der CDU und CSU. Ich finde, dass es wichtig ist, hier eine Debatte zu führen, aber die Gewerkschaft vor allen Dingen muss die Debatte führen. Bsirske ist Chef der Gewerkschaft und da sollte die Politik fein die Finger von lassen, Einfluss zu nehmen, wer denn die Gewerkschaften jeweils zu führen hat. Ich denke, da wird es auch noch eine Diskussion geben über sein Verhalten, aber ganz sicherlich nicht über einen Rücktritt.

    Müller: Es gibt Stimmen aus der Union, es gibt Stimmen aus der FDP. Noch mal an Sie die Frage: Wie bewerten Sie das?

    Dückert: Diese Debatte aus der Union ist natürlich Wasser auf die Mühlen gegen, also, für eine Debatte, die sich gegen Gewerkschaften richtet. Aber in der Sache, also diese Flüge, die Herr Bsirske jetzt zu diesem Zeitpunkt gemacht hat, die sind zwar rechtlich nicht zu beanstanden, aber ich finde schon problematisch, dass er es gemacht hat. Ich sagte ja, das zeugt nicht gerade von Fingerspitzengefühl. Man muss jetzt aber sehen, er hat reagiert, er hat den Fehler eingestanden. So was vermisst man ja häufig so schnell als Reaktion bei Menschen, die in welcher Position auch immer, Sonderansprüche in Anspruch genommen haben, also Sonderleistungen bekommen haben. Insofern denke ich, hat er jetzt auch richtig reagiert.

    Müller: Gewerkschaften legen ja immer sehr, sehr viel Wert auf dieses Fingerspitzengefühl. Gewerkschaften appellieren immer an die moralethische und soziale Dimension von Politik. Nun macht das ausgerechnet einer der führenden Gewerkschafter. Ist das nachvollziehbar?

    Dückert: Na ja, da dran sieht man, dass Gewerkschafter, Politiker und andere auch nicht davor gefeit sind, große Fehler zu machen. Das hat er ja jetzt auch eingesehen. Insofern ist es, sagen wir mal, auch das menschliche Gesicht der Politik. Das macht den Fehler nicht besser, aber sie werden gemacht.

    Müller: Sie werden gemacht, weil die Bodenhaftung verloren geht, dies als Frage gemeint, weil man sich doch immer mehr von dem entfernt, von dem man ausgegangen ist, zumindest angetreten zu sein?

    Dückert: Ich glaube, dass die Gefahr da immer besteht, dass die Bodenhaftung verloren geht. Auch das ist ja hier ganz sicher so. Ich glaube, das hat er auch gesehen, das hat er ja jetzt auch so formuliert. Jedenfalls haben Sie ja vorhin so anmoderiert, oder das berichtet. Das ist ganz sicher so bei den vielen Aufgaben, die man gerade bei der Führung einer so großen Gewerkschaft hat, aber das gilt für andere Bereiche auch.

    Müller: Ist die politische Glaubwürdigkeit von Frank Bsirske zerstört?

    Dückert: Das glaube ich jetzt nicht. Das liegt ganz stark an ihm selber, wie er das thematisiert, ob er sich einer Debatte stellt. Ich finde aber, dass man in diesem Zusammenhang auch noch was anderes thematisieren muss, nämlich, dass auf der anderen Seite die Konditionen, also die Vergütungen und Vergünstigungen, die man in solchen Positionen bekommt, als Aufsichtsrat beispielsweise, dass die sehr viel transparenter auch gemacht werden müssen. Das ist ja in Deutschland quasi eine Krankheit, dass man hier die Öffentlichkeit eigentlich im Dunkeln lässt, welche Vergünstigungen bei Aufsichtsräten, bei Vorständen noch zusätzlich gewährt werden. Das ist in anderen Ländern ganz anders und ich glaube, wenn das transparenter wäre, würde vielleicht so ein Fehlverhalten dann auch nicht so häufig eintreten.

    Müller: Also, selbst wenn das transparenter wäre und man würde das grundsätzlich akzeptieren, beziehungsweise diese Regelung beibehalten, dass beispielsweise ein Gewerkschaftschef, der bei Lufthansa stellvertretender Aufsichtsratschef ist, kostenlos fliegen darf. Ist das richtig?

    Dückert: Ich denke, dass die Gewerkschaft da selber einen Verhaltenskodex definieren muss. Natürlich können Aufsichtsräte diese Vergünstigungen kriegen, die Unternehmen machen das. Aber auch die Unternehmen müssen sich einer kritischen Debatte stellen. Und deswegen ist es wichtig, dass diese Vergünstigungen transparent sind, dass sie nicht heimlich gewährt werden, dass es eben möglich ist, eine solche öffentliche Debatte auch zu führen.

    Müller: Aber braucht ein Gewerkschaftschef mit einem sehr hohen Gehalt, mit einem sehr hohen Jahresgehalt Freiflüge bei der Lufthansa?

    Dückert: Natürlich braucht er das im Urlaub rein nicht, das habe ich ja auch gesagt. Es ist, er hat es ja auch selber ...

    Müller: Ja, Sie reden von, Frau Dückert, Sie reden von Transparenz. Die Frage ist, ob das richtig ist.

    Dückert: Richtig ist es nicht, in den Urlaub zu fliegen, privat in den Urlaub zu fliegen, das sehe ich jedenfalls so. Aber er kann es machen. Das ist rechtlich möglich. Und er ist dort als Privatperson in den Urlaub geflogen, aber seine Vergünstigung hat er letzten Endes als Gewerkschafter, und das muss er vor der Gewerkschaft verantworten und nirgendwo anders.

    Müller: Wie problematisch ist das denn, dass Frank Bsirske auch noch Grüner ist?

    Dückert: Na, ich denke mal, dass, egal welche Farbe von Partei, Politik nicht reinzureden hat, welche Positionen einzelne Mitglieder in den Gewerkschaften einnehmen. Er muss sich dort verantworten. Das ist seine Position. Und ich denke, das tut er auch. Und ich glaube auch, dass die Gewerkschaft selber, sagen wir mal, selbstbewusst genug ist, über ihre, die Verhaltensweisen ihrer eigenen Leute zu befinden, das zu diskutieren, daraus Schlüsse zu schließen oder zu ziehen. Und ich denke, vielleicht wird ein Schluss auch sein, dass sie tatsächlich, nicht nur ver.di, sondern die Gewerkschaften insgesamt, einen Verhaltenskodex formulieren, der dann auch verbindlich ist für ihre eigenen Leute als Richtschnur.

    Müller: Die Gewerkschaften, Frau Dückert, in dem Zusammenhang, sind immerhin so transparent, dass wir gestern 15, 16 Gespräche geführt haben und keiner aus den Gewerkschaften, aus welchen Verbänden auch immer, beim DGB angefangen bis in die Einzelgewerkschaften, bereit war, dazu Stellung zu nehmen. Sind die Gewerkschaften in ihrer Organisation und Transparenz, das Wort benutzen Sie immer, von gestern?

    Dückert: Nein, es ist ganz richtig, dass jetzt eine interne Debatte geführt wird, die muss ja nicht auf dem Marktplatz geführt werden. Auch die Gewerkschaften und andere haben das Recht, sich zunächst mal, wenn sie überrascht werden wie sie und ich von einer solchen Entwicklung, eine interne Debatte zu führen. Sie müssen aber auf der anderen Seite sich der Öffentlichkeit gegenüber, aber vor allen Dingen auch ihren Mitgliedern gegenüber dann auch stellen und rechtfertigen. Aber natürlich ist es möglich, an einem Tag wie gestern, kurz nach dem Tarifabschluss, der übrigens ja auch zu bewerten ist, eine Debatte zu führen, die nicht sofort sozusagen im Radio, im Fernsehen oder vor öffentlichem Publikum geführt wird.

    Müller: Thea Dückert bei uns im Deutschlandfunk, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.