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Dürre in Afrika
"Müssen Äthiopiens Regierung helfen, zu helfen"

Durch die extreme Trockenheit in Südafrika steige die Gefahr, dass immer mehr Menschen in Armut fallen und hungern müssen, sagte Ralf Südhoff, Leiter des UN-Welternährungsprogramms in Deutschland, im DLF. Deutschland und andere finanzstarke Länder müssten dringend helfen, um eine weitere Verschlechterung der Situation zu vermeiden.

Ralf Südhoff im Gespräch mit Jasper Barenberg | 06.02.2016
    Ralf Südhoff, Leiter des Welternährungsprogramms Deutschland
    Ralf Südhoff, Leiter des Welternährungsprogramms Deutschland (picture alliance / dpa / Carola Frentzen)
    Jasper Barenberg: Jetzt hat auch Simbabwe in mehreren Landesteilen den Notstand ausgerufen, wie zuvor schon die Regierung von Südafrika. Extreme Trockenheit bedroht schon seit Wochen die Menschen in Teilen des Südens und des Ostens von Afrika – Sambia gehört dazu, Malawi und Mosambik –, weiter nördlich sprechen die Vereinten Nationen von der schlimmsten Dürre in Äthiopien seit 30 Jahren. 18 Millionen Menschen sind dort nach Einschätzungen von Hilfsorganisationen jetzt schon akut von Hunger bedroht, im Süden Afrikas sind es wohl an die 14 Millionen. Am Telefon ist Ralf Südhoff, er leitet das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen in Deutschland. Schönen guten Morgen, Herr Südhoff!
    Ralf Südhoff: Guten Morgen!
    Barenberg: Wie schlimm ist die Situation nach Ihrer Einschätzung?
    Südhoff: Die Situation ist tatsächlich schlimm, weil es sich um das dramatischste El-Niño-Wetterphänomen handelt wahrscheinlich seit 50 Jahren. Und das führt zu einerseits Dürren in den genannten Ländern, wie es sie seit vielen, vielen Jahren mindestens nicht gab, teils aber auch zu Überflutungen, zu Stürmen. Das heißt, Ernten werden zerstört, und man muss davon ausgehen, dass in diesem Jahr die Lage besonders schlimm wird in all den genannten Ländern, aber auch übrigens in Asien und Lateinamerika.
    Barenberg: Welche unmittelbaren Folgen hat das für die Menschen, wenn beispielsweise eine Ernte ausfällt, und welche mittelbaren Folgen für die weiteren Monate und die Zukunft?
    Südhoff: Die Herausforderung ist in jedem Land anders. Wir haben, um das dramatischste Beispiel zu nennen, Äthiopien, ein Land, das eigentlich wenig noch mit dem Äthiopien zu tun hat, was manch einer vielleicht noch von der Hungerkrise in den 80er-Jahren im Kopf hat. Äthiopien hat in den vergangenen Jahren es geschafft, die Anzahl der Hungernden in der Bevölkerung zu halbieren, die Landwirtschaft hat geboomt, die Ernährungslage hat sich sehr, sehr verbessert. Nun trifft aber das El-Niño-Wetterphänomen Äthiopien besonders hart und führt dazu, dass die letzten zwei Ernten quasi ausgefallen sind, und das kann auch ein weiterentwickeltes Land kaum verkraften, das könnte nicht mal Deutschland einfach so verkraften. Deswegen müssen wir davon ausgehen, dass allein in Äthiopien in diesem Frühjahr rund zehn Millionen Menschen auf Ernährungshilfe angewiesen sein werden, das sind dreimal so viele wie etwa vor einem Jahr, und die Folgen sind natürlich dramatisch. Die Menschen haben ihre Vorräte aufgebraucht, sie wissen nicht, wie sie ihre Kinder am nächsten Tag ernähren sollen. Und man muss vor allem sehr schnell helfen, um diese Monate, um die es im Kern geht, zu überbrücken, damit nicht die Langzeitfolgen entstehen, die Sie angedeutet haben, damit die Menschen nämlich auf den Feldern bleiben können, damit sie zur nächsten Ernte wieder anbauen können, damit sie ihre Existenz sichern können für die Zukunft.
    Barenberg: Sie haben das Wetterphänomen El Niño angesprochen, das man ja auch mit dem Klimawandel und seinen Folgen in Verbindung bringt und das jetzt verantwortlich gemacht wird für die akute Situation. Kann man deshalb sagen, die betroffenen Staaten und Regierungen sind in der Regel machtlos, oder sind es mancherorts auch Versäumnisse, die sich die Regierungen anheften lassen müssen? Für Äthiopien haben Sie ja gerade geschildert, dass das da wohl nicht der Fall ist.
    Südhoff: In der Tat sind die Regierungen nicht machtlos, und an allererster Stelle müssen diese Regierungen natürlich sich auf solche Krisen, auf die immer länger werdenden Dürren, auf immer größere Wetterdesaster weltweit ... darauf müssen sich vor allem die Regierungen natürlich vorbereiten, denn sie haben eben die besten Möglichkeiten, das vor Ort zu tun. Äthiopien ist ein positives Beispiel, auch in dieser akuten Krise übrigens. Äthiopien hat bereits rund 300 Millionen Dollar selbst in die Hand genommen, um das Leid zu lindern, um die Menschen zu befähigen, durch Wässerungsmaßnahmen und so weiter trotzdem halbwegs brauchbare Ernten einzufahren. Andernorts wissen wir natürlich, dass es Länder gibt, die kaum in die Landwirtschaft investiert haben, die sich nicht vorbereiten auf diese Dürren, die nicht das Know-how, was wir mittlerweile vor Ort oder auch von Hilfsorganisationen wie dem Welternährungsprogramm haben, das nicht zu nutzen, diese Frühwarnsysteme, und deswegen die Lage dadurch auch noch schlimmer wird.
    Südhoff: Bundesregierung hat schon Geld gegeben
    Barenberg: In Südafrika gibt es ja Beobachter, die der Regierung vorwerfen, viel zu wenig zu tun, viel zu spät zu reagieren auf die Nöte der Betroffenen. Für welche Staaten, sagen wir im südlichen Afrika, über das wir noch nicht so gesprochen haben, gilt das möglicherweise auch, dass die Staaten selber viel versäumt haben in der Prävention und jetzt nicht genug tun in der akuten Krise?
    Südhoff: Ein sehr bekanntes Beispiel ist ja, dass noch vor gar zu vielen Jahren Simbabwe in der Lage war, die Region teils zu versorgen mit Nahrungsmitteln, Überschüsse produziert hat und sich im Laufe der letzten Jahre in eine Situation manövriert hat, wo es die Ernährung der eigenen Menschen nicht mehr sicherstellen kann. Dass man dort jetzt den Notstand ausrufen musste, hat natürlich mit der massiven Dürre zu tun, aber in der Tat könnte dieses Engagement natürlich dazu führen, dass man besser gewappnet wäre, dass man nicht zuvor auch ohne Dürre schon eine sehr, sehr kritische Situation gehabt hätte und viele hungernde Menschen.
    Barenberg: Wenn wir jetzt über akute Hilfe reden, da werfen die Hilfsorganisationen der Staatengemeinschaft insgesamt vor, dass sie die Warnungen allzu lange ignoriert und nicht ernst genug genommen hat. Gilt dieser Vorwurf auch, was die Bundesregierung angeht und das, was sie an Hilfe leisten kann oder zumindest jetzt angekündigt hat?
    Südhoff: Nein, die Bundesregierung würde ich da eindeutig ausnehmen. Wir scheuen uns durchaus nicht, auch Kritik zu üben, auch an Regierungen, aber in diesem Fall muss man klar sagen, bereits im Herbst hatten wir beispielsweise vom Welternährungsprogramm Gespräche mit der Bundesregierung, haben insbesondere auf die dort schon drohende Krise in Äthiopien aufmerksam gemacht, und es wurde sehr schnell reagiert. Die Bundesregierung hat bereits 25 Millionen Euro für die Ernährungshilfe in Äthiopien allein uns vom World Food Programme zur Verfügung gestellt, weitere 10 Millionen Euro für den Südsudan. Das sind Maßnahmen, die dann sehr, sehr schnell greifen können und die uns auch so weitsichtig dann erlauben, sehr effektiv zu helfen, weil wir ja Nahrungsmittel frühzeitig einkaufen können zu vernünftigen Preisen, weil wir sie rechtzeitig ins Land bringen können und beispielsweise nicht, wenn es bereits zu Störungen kommt, wenn die Straßen vermatscht sind, sondern man die Menschen nur noch sehr kostspielig beispielsweise aus der Luft erreichen könnte.
    Barenberg: Gilt dieses Lob auch für die langfristig orientierte Zusammenarbeit? Ich rede über Entwicklungszusammenarbeit, wo es ja auch immer wieder den Vorwurf gibt, jetzt akut beispielsweise vonseiten der Grünen, die sagen, da wird viel zu einseitig auf die Produktion ganz bestimmter Nahrungsmittel beispielsweise gesetzt, und das verschärft eigentlich die Probleme, die wir jetzt erleben.
    Südhoff: Was wir sehen, ist, dass wenn wir über die deutsche Bundesregierung sprechen, einen sehr breiten Ansatz gibt, Landwirtschaft vor Ort zu fördern, und das von einer Palette, beispielsweise dass seit wenigen Jahren unser Kleinbauernprogramm gefördert wird auch von der Bundesregierung, die es Kleinbauern erlaubt, Überschüsse zu erwirtschaften, Kleinbauern, die jahrzehntelang von Regenfällen abhängen, ganz einfache Bewässerungssysteme anzulegen, Training zu bekommen, und dass dieses finanziert wird von der Bundesregierung in einer breiten Palette bis hin zu gezielten Ernährungsprogrammen für stillende Mütter und Schwangere, um diese bleibenden Schäden des Hungers, genau diese Ursachen des Langzeithungers ein bisschen vorzubeugen. Da nimmt die Bundesregierung mittlerweile pro Jahr, soweit ich weiß, anderthalb Milliarden Euro in die Hand – das ist eine massive Steigerung –, und da hat man, glaube ich, erkannt, dass man eine wichtige Priorität setzen muss.
    Barenberg: Das letzte große El-Niño-Phänomen hat es ja offenbar 2002 gegeben, und damals wurde sozusagen die Schlussfolgerung gezogen, dass die Lebensmittelhilfe dann viel zu spät kam und dass viele Menschen gerade deshalb über Jahre mit den Folgen von Unterernährung zu kämpfen hatten. Was muss jetzt akut und sofort geschehen, damit sich das nicht wiederholt?
    Südhoff: Das Entscheidende ist tatsächlich, dass man dann sehr, sehr schnell hilft, gerade im Wissen, dass es nur um wenige Monate geht. Wir müssen jetzt – nehmen Sie das Beispiel Äthiopien – nicht Äthiopien an den Tropf der Nahrungsmittelhilfe setzen, um es dann über Jahre durchzufüttern, ganz im Gegenteil: Wir müssen jetzt intervenieren, um die Menschen durch diese Krise für ein paar Monate zu bringen, um sie davon abzuhalten, dass sie ihr Saatgut in der Verzweiflung aufessen, dass sie in die Städte fliehen und auch noch die Slums bevölkern, statt sehr bald wieder ihre Felder zu bestellen. Und dafür müssen vor allem auch andere Regierungen oder eben auch jeder Spender, der dies kann, helfen, indem wir jetzt, etwa in Äthiopien, der Regierung helfen können zu helfen. Dafür fehlen in der Tat noch deutlich Mittel, die müssen auch andere Regierungen nun bitte bereitstellen.
    Barenberg: Sagt Ralf Südhoff, der Leiter des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen in Deutschland. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Südhoff!
    Südhoff: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.