Tobias Armbrüster: Ich habe vor zehn Minuten mit dem FDP-Politiker Gero Hocker gesprochen. Er ist der landwirtschaftspolitische Sprecher seiner Fraktion im Deutschen Bundestag. Und ich habe ihn gefragt, ob diese Millionen-Zusagen für die deutschen Landwirte ausreichen.
Gero Hocker: Zunächst einmal, Herr Armbrüster, bin ich und sind wir froh, dass dieses unselige und unwürdige Schwarze-Peter-Spiel der letzten Wochen endlich ein Ende hat, wo der Bund die Verantwortung an die Länder abschieben wollte und die Länder dann den Ball wieder zurückgespielt haben an den Bund und die Landwirte quasi wie Kaninchen auf die Schlange gestarrt haben, ob Politik jetzt den Daumen hebt oder den Daumen senkt für solche Unterstützungsmaßnahmen.
Über die Höhe kann man trefflich streiten. Ich glaube, dass wir perspektivisch dahin kommen müssen, dass Landwirte aus dieser Situation gelöst werden und dass sie tatsächlich eigenverantwortlich Vorsorge treiben können, weil das wirklich betriebswirtschaftlich keine Alternative ist, davon abhängig zu sein, wie Politik entscheidet, die verschiedenen und wechselnden Mehrheiten unterworfen ist. Das kann perspektivisch keine Grundlage für erfolgreiches unternehmerisches Handeln sein.
"Lasst die Landwirte steuerfrei eine Risikovorsorge bilden"
Armbrüster: Das heißt, verlassen sich Landwirte in Deutschland viel zu sehr, viel zu einfach auf den Staat?
Hocker: Nein, ganz ausdrücklich nicht. Wir haben eine ganze Reihe von Landwirten, viele tausende Betriebe, die eigenverantwortlich Vorsorge treffen wollen, die aber ehrlicherweise gar nicht in der Situation sind, das auch tatsächlich tun zu können. Sondern häufig ist die Praxis in landwirtschaftlichen Betrieben die, dass in Jahren, wo zum Beispiel eine schwarze Null steht oder auch ein Gewinn gemacht wurde, in ertragsstarken Jahren, dass dann irgendwelche Investitionen vorgenommen werden, weil es steuerlich interessant ist, zum Beispiel ein neues Fahrzeug zu kaufen, zum Beispiel andere Produktionsmittel zu erwerben, dadurch einen steuerlichen Effekt zu realisieren.
Aber die Liquidität und das Geld fehlt dann in solchen Jahren, wie wir sie jetzt haben, im Jahr 2018 und auch im Jahr 2017 mit dem vielen Wasser und der Feuchtigkeit. Deswegen ist unsere Idee, dass wir sagen, lasst doch die Landwirte eigenverantwortlich steuerfrei eine Risikovorsorge bilden, die dann aufgelöst werden kann in Jahren wie diesem, damit sie nicht abhängig sind davon, dass Politik den Daumen hebt oder den Daumen senkt.
Armbrüster: Woran scheitert das bislang?
Hocker: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es scheitert vielleicht daran, dass es in den vergangenen vier Jahren keine FDP im Deutschen Bundestag gegeben hat und dieser Antrag noch nicht von einer anderen Fraktion gestellt wurde. Aber das hat sich glücklicherweise geändert und deswegen haben wir nicht nur ein Papier zu diesem Thema formuliert, sondern werden auch in den kommenden Wochen einen entsprechenden Antrag in den Deutschen Bundestag einbringen und haben die große Hoffnung, dass die anderen Fraktionen gerade auch mit den Erfahrungen, die man jetzt gemacht hat im Jahre 2018, und dieser Hängepartie über viele Wochen, über viele Monate, dass auch andere Fraktionen unserem Antrag folgen werden.
Hocker: Raus aus Bittsteller-Position
Armbrüster: Ich will noch mal zurückkommen auf die Ergebnisse dieser Kabinettssitzung heute und die Nothilfen, die da jetzt kommen. Das sind 150 bis 170 Millionen Euro vom Bund. Dazu kommt ungefähr noch mal der gleiche Betrag von den Ländern. Dann sind wir bei 350 Millionen Euro, plus oder minus. Der Bauernverband selbst, der hat eine Milliarde Euro gefordert. Heißt das, dass diese Zusagen, die jetzt kommen, eigentlich relativ wenig bringen, weil sie völlig an den Bedürfnissen der Bauern vorbeigehen?
Hocker: Mein Eindruck gerade auch nachdem diese Forderung erhoben wurde aus vielen Gesprächen ist der, dass diese Forderung vielen Bauern, vielen Landwirten eher unangenehm gewesen ist, weil sie gerade sich nicht in diese Abhängigkeit begeben wollen von der Politik und davon, dass vielleicht bei einer anderen Bundestagswahl es andere Mehrheiten gibt und man dann wieder die Befürchtung hat, dass dann bestimmte Gelder nicht bewilligt werden und letzten Endes nach wie vor immer auch die Frage der Verteilung dieser Mittel im Raum steht und dass vielleicht bestimmte Regionen dann leer ausgehen könnten.
Deswegen, glaube ich, ist der Ansatz viel schlauer zu sagen, lasst uns doch die Landwirte aus dieser Bittsteller-Position, die sie gegenüber Politik in den letzten Wochen gehabt haben und auch in der Zukunft hätten, wenn wir über Extremwetter-Ereignisse nachdenken in den kommenden Jahren, lasst uns doch Landwirtschaft aus dieser besonderen Abhängigkeitssituation herauslösen und lasst uns doch einen Rahmen schaffen dafür, dass sie in der Lage sind, in die Lage versetzt werden, tatsächlich dann auch eigenverantwortlich Risikovorsorge zu bilden, um nicht mehr abhängig zu sein von Politik und davon, ob sie am Ende sich für oder gegen solche Hilfe entscheidet. Das ist kein wirklich nachhaltiges betriebswirtschaftliches Konzept, alle paar Jahre, wenn solche Ereignisse eintreten, dann doch wieder als Bittsteller gegenüber der Politik auftreten zu müssen.
"Es mangelt daran, dass es keinen Rechtsrahmen dafür gibt"
Armbrüster: Das heißt aber auch, dass man Landwirte, die das nicht so drauf haben mit diesem unternehmerischen Denken, dass man dann auch als Politiker zusehen muss, wie deren Betrieb möglicherweise zugrunde geht, Pleite geht?
Hocker: Na ja, gut. Das ist letzten Endes das Prinzip von sozialer Marktwirtschaft, dass einige Betriebe erfolgreicher sind und andere nicht. Aber wissen Sie, gerade bei den Betrieben, die ich kennengelernt habe, wo wir häufig genug ja über mittelständische, häufig auch familiengeführte Unternehmen sprechen, habe ich den Eindruck, dass sie sehr wohl in der Lage sind, Liquiditätsvorsorge zu betreiben, dass sie sehr wohl in der Lage sind, sich sehr wohl auch in die Abhängigkeit des Wetters und vom Wetter zu begeben, auch in Zukunft, aber betriebswirtschaftliche Entscheidungen, weil sie viel näher dran sind an den tatsächlichen Vegetationsphasen, an der Frage, was tatsächlich erfolgreich, auch ertragreich angebaut werden kann, als die Politik.
Deswegen glaube ich, dass es da nicht an unternehmerischer Bereitschaft mangelt seitens unserer Landwirte, sondern es mangelt daran, dass es keinen Rechtsrahmen dafür gibt, um tatsächlich landwirtschaftliche Betriebe auch so wirtschaften zu lassen. Wissen Sie, wenn wir über Kapitalgesellschaften nachdenken, haben wir die Möglichkeit, Rückstellungen zu bilden, damit man in Zeiten, wo es ertragreiche Jahre gibt, Vorsorge treffen kann für in Zukunft anstehende Verbindlichkeiten, deren Höhe noch nicht bekannt ist und auch von denen nicht bekannt ist, wann sie eintreten werden.
Mittelständischen und familiengeführten landwirtschaftlichen Betrieben sind solche Möglichkeiten verwehrt und deswegen: Wenn wir sie wirklich unabhängiger machen wollen von Politik, dann ist es erforderlich, dass man ihnen auch solch ein Instrumentarium, ein vergleichbares Instrumentarium an die Hände gibt.
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