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Dürreschäden in der Landwirtschaft
"Wir müssen über Krisenfonds reden"

Um Schäden durch Wetterextreme in der Landwirtschaft zukünftig besser auszugleichen, fordert der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling einen Risikofonds der EU. Er sagte im Dlf, dass vermutlich nicht alle Bauern die Auswirkungen der Klimakrise aus eigener Kraft stemmen könnten.

Martin Häusling im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
    Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling steht auf seinem Bauernhof im hessischen Bad Wildungen (12.3.2015)
    Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling sagte im Dlf, die Landwirte müssten sich in Zukunft besser für den Klimawandel rüsten (dpa / picture alliance / Büro Häusling)
    Jörg Münchenberg: Am Telefon ist jetzt der Agrarexperte der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, selbst Milchbauer. Herr Häusling, einen schönen guten Morgen.
    Martin Häusling: Ja! - Schönen guten Morgen!
    Münchenberg: Herr Häusling, viele Bauern haben unter der Dürre schwer zu leiden. Es gibt in manchen Regionen in Deutschland massive Ernteausfälle. Zunächst mal: Wie ist denn die Lage bei Ihnen auf dem heimischen Hof?
    Häusling: Nordhessen hat es auch heftig getroffen. Wir haben im Grunde genommen seit drei Monaten keinen vernünftigen Regen gehabt und dementsprechend haben wir auch kein Grünfutter. Das ist ja die Grundlage. Und deshalb: Milchvieh-Betriebe sind in ganz Deutschland am härtesten betroffen. Das muss man einfach sagen. Es gibt zwar regionale Unterschiede, aber es ist schon gewaltig und es ist, glaube ich, auch schon nicht mehr vergleichbar mit der Dürre und der Hitze von 2003, sondern es geht weit darüber hinaus.
    Münchenberg: Man muss allerdings auch der Vollständigkeit halber sagen: Nicht alle Bundesländer sind gleich betroffen.
    Häusling: Das kann man sagen. Je weiter im Norden und je weiter im Osten, desto schlimmer ist die Situation. Das ist richtig. Aber man sieht ja auch: Selbst in Bayern, wo es mehr geregnet hat, selbst da gibt es Regionen, die leiden enorm. Man muss wirklich gucken, ja fast auf Kreisebene, wo ist die Situation besonders schlimm. Da muss man eine Karte auf Deutschland legen und dann kann man tatsächlich sehen, dass es in manchen Regionen einigermaßen gut gegangen ist, aber in vielen Regionen wirklich eine Katastrophe ist.
    "Ich glaube wirklich, das ist eine Katastrophe"
    Münchenberg: Herr Häusling, der Bauernverband fordert jetzt seit Wochen Milliardenhilfen des Bundes. Wird es ohne Staatshilfen nicht gehen?
    Häusling: Ich glaube wirklich, das ist eine Katastrophe. Da kann man die Bauern jetzt auch wirklich nicht damit alleine lassen. Und es ist ja tatsächlich so, dass viele Milchvieh-Betriebe und viele Rinder- und Schafhalter auf ihre Futterreserven für den Winter zurückgreifen müssen. Und es ist ja auch so: Viele Betriebe haben keine Reserven. Gerade die Milchvieh-Betriebe leiden ja unter den schlechten Preisen jetzt immer noch. Und im Gegensatz zu Getreide, wo die Preise ja gestiegen sind, ist bei Milch fast keine Preissteigerung gewesen. Insofern fehlt vielen Betrieben die Liquidität, um Futter zuzukaufen. Das ist richtig, richtig teuer, erfordert viel Aufwand.
    Münchenberg: Auf der anderen Seite, Herr Häusling, sind ja viele Landwirte hoch subventioniert. Viele bekommen ihr Einkommen fast hauptsächlich vom Staat oder dann indirekt aus Brüssel. Ist es da nicht doch etwas vermessen, jetzt nach noch mehr Geld zu rufen?
    Häusling: Ja, wir sehen ja, dass gerade im Bereich der Milchvieh-Halter viele, viele aufgegeben haben. Wir haben ja in den letzten zehn Jahren fast die Hälfte der Betriebe verloren und wir werden noch viel mehr Milchvieh-Betriebe verlieren, gerade die in den Grünlandregionen, die wir eigentlich politisch wollen. Man muss auch mal darüber reden: Was passiert eigentlich gerade am Markt? Supermärkte senken gerade die Preise für Butter. Das ist ein ziemlich verheerendes Signal. Wir dürfen nicht nur nach dem Staat rufen, das ist richtig. Es hat auch der Handel eine Verantwortung, in so einer Situation auch den Bauern mehr zu geben. Das muss auf jeden Fall mit dazugehören.
    Münchenberg: Nun ist ja im Gespräch auch ein besserer Versicherungsschutz. Die Bauern zum Beispiel in Frankreich und auch in den USA, die sind gegen Dürre versichert, nicht aber die deutschen Landwirte. Würden Sie sagen, das ist ein sinnvoller Weg?
    Häusling: Da muss man mal genau drüber nachdenken. Ich finde, das kann auch nur eine Unterstützung sein. Aber wir können jetzt nicht Versicherungsgesellschaften subventionieren. Ein Wetterrisiko bleibt. Man kann da Hilfen geben. Aber es wird nicht billiger, wenn wir jetzt Versicherungsunternehmen quasi subventionieren, die dann die Bauern versichern. Das ist sehr teuer pro Hektar.
    Münchenberg: Aus Bayern kommen da ganz andere Töne. Die sagen, das würde durchaus helfen, wenn es staatliche Zuschüsse für eine solche Versicherung geben würde.
    Häusling: Ja, man muss über die Krisenmechanismen jetzt wirklich reden. Das ist richtig. Aber so eine Situation haben wir ja wahrscheinlich demnächst öfters. Dann muss man gucken, was für Krisenmechanismen haben wir dann in dem Moment. Wir müssen auch über kurzfristige Hilfen reden. Aber wir müssen auch darüber reden, wie gestalten wir in Zukunft die Agrarsubventionen. Machen wir da nicht sozusagen einen enormen Fehler, wenn wir so weitermachen? Müssen wir da nicht die Bauern unterstützen, zum Beispiel im Bereich einer nachhaltigen klimafreundlichen Landwirtschaft eher Subventionen zu bekommen, und nicht weitermachen wie bisher? Das ist ja auch eine spannende Frage. Das Geld jetzt nur zu Versicherungen zu schieben, das halte ich für problematisch.
    "Die Landwirtschaft muss wieder vielfältiger werden"
    Münchenberg: Auf die EU-Landwirtschaftspolitik kommen wir gleich zu sprechen. Noch mal die grundsätzliche Frage: 2003 gab es ja die erste heftige Dürreperiode. Jetzt 2018 die nächste. Wie gut sind denn die deutschen Landwirte Ihrer Einschätzung nach für den Klimawandel insgesamt eingestellt?
    Häusling: Das kann man nicht so einstellen. Wir erinnern uns an letztes Jahr; da sind viele Regionen ja tatsächlich abgesoffen. Jetzt haben wir die extreme Dürre. Das wird zunehmen. Das heißt, die Landwirte müssen sich anders aufstellen in vielen Bereichen. Die Landwirtschaft muss wieder ein Stück weit interne Risikoabsicherung betreiben. Das heißt, sie muss mehr verschiedene Feldfrüchte anbauen. Ein Bauer kann demnächst nicht nur Weizen und Mais anbauen, sondern die Landwirtschaft muss wieder vielfältiger werden. Bestimmte Pflanzen reagieren anders in bestimmten Jahren, und da muss man hinschauen, ob es nicht Landbausysteme gibt, die quasi mehr interne Risikovorsorge betreiben. Wir können nicht nur Hochertrags-Weizensorten anbauen und dann uns beschweren, wenn diese nicht ihre maximalen Erträge bringen.
    Münchenberg: Aber, Herr Häusling, wenn sie sagen, die Bauern müssen sich auf den Klimawandel besser einstellen, und wenn der Klimawandel fortschreitet – Sie sagen gleichzeitig ja auch, sie brauchen jetzt finanzielle Hilfen -, dann heißt das auch, in Zukunft wird dann mehr Geld an Nothilfen für die Bauern bezahlt werden müssen.
    Häusling: Ich glaube, man muss einen Risikofonds schaffen, der diese Extreme tatsächlich ausgleicht. Die Landwirtschaft selber ist Teil des Problems der Klimakrise. Das ist richtig. Aber sie ist auch natürlich ein Opfer, und ich weiß nicht, ob alle Regionen, wenn wir gerade nach Ostdeutschland schauen, ob die aus eigener Kraft das wirklich in Zukunft schaffen. Wenn wir sehen, dass die insgesamt zurückgehen, wird das richtig problematisch. Wir müssen über Krisenfonds reden. Wir müssen das nicht vom politischen Tagesgeschäft abhängig machen, sondern wir müssen gucken, wie wir in der gemeinsamen Agrarpolitik in Brüssel diese Krisenmechanismen tatsächlich stärken.
    Münchenberg: Auf der anderen Seite reden wir hier ja über gewaltige Subventionssummen: 350 Milliarden Euro, wenn man die ganze Sieben-Jahre-Periode mal nimmt, was an Geld aus Brüssel an Subventionen an die Bauern fließt. Gleichzeitig, sagen Sie, brauchen wir noch mehr Töpfe. Wie geht das zusammen?
    Häusling: Ich meine nicht, dass wir noch mehr Geld brauchen, sondern es ist eine Verteilungsfrage. Wie wir es jetzt machen, auf jeden Hektar in Deutschland 300 Euro werfen, das ist mit Sicherheit die schlechteste Form von Politik, die wir machen können. Wir müssen das Geld in anderer Form ausgeben. Wir müssen tatsächlich Betriebe unterstützen, die klimafreundlich wirtschaften, die sich vielfältiger aufstellen. Aber wir müssen auch über Krisenmechanismen reden.
    Es geht nicht um mehr Geld. Es geht darum, das Geld besser zu verteilen, hinsichtlich einer Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft, und da muss man jetzt ein bisschen Grips verwenden in Brüssel, damit das nicht so weitergeht wie bisher.
    "Drüber nachdenken, ob die Exportorientierung das Richtige ist"
    Münchenberg: Aber das hat ja EU-Landwirtschaftskommissar Hogan angekündigt. Er will künftig 100 Prozent der Direktzahlungen an Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen koppeln. Das klingt doch erst mal ganz positiv.
    Häusling: Es klingt positiv, ist leider nicht so. Denn wenn man sich das genau anschaut, will Herr Hogan weiterhin eher für den Weltmarkt produzieren. Er will dieses Geld eigentlich als finanzielle Unterstützung der Bauern in der Masse ausgeben. Ich sehe da noch nicht so viel davon, dass es in eine Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft geht. Wir müssen ja auch sehen, dass diese Form von massenhafter Fleischerzeugung ja auch massive Klimaschäden verursacht. Ich denke nur an die 20 Millionen Hektar, die wir in Südamerika an Soja brauchen. Da muss man auch mal drüber nachdenken, ob diese Exportorientierung tatsächlich das Richtige ist. Da wird zwar viel von Umwelt geredet, aber in der Praxis, muss man sagen, ist bei den Vorschlägen nicht viel zu erkennen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.