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Dumping-Exporte
Chinas Stahl und Europas Not

China hat in den letzten Jahrzehnten gewaltige Stahlkapazitäten aufgebaut. Doch da die Konjunktur des Landes stockt, drückt Peking den Stahl mit Subventionen auf den Weltmarkt. Die EU verhängt immer neue Strafzölle. Geht die Rechnung "Strafzoll schützt heimische Arbeitsplätze" auf?

Von Alois Berger | 06.11.2016
    Ein Mitarbeiter der Salzgitter AG steht am im Stahlwerk Salzgitter vor dem Hochofen.
    Die deutsche Stahlindustrie bemängelt billige Konkurrenz aus China. (picture alliance / dpa / Jochen Lübke)
    "Ich bin seit fünf Jahren Mitarbeiter bei ThyssenKrupp in Hüttenheim, bin Anlagenbediener und Kranführer, fahre durch diese Anlage Bleche, die vom Zunder befreit werden müssen. Das ist eine Anlage, die müssen Sie sich vorstellen mit so kleinen Stahlkugeln, die das Blech dann sauber schlägt mehr oder weniger. Und die Bleche kommen dann zunderfrei raus. Die werden dann noch mal begutachtet von unserer Güterüberwachung und werden dann für den Kunden fertiggemacht, verladen und dann geht's per Bahn oder LKW oder Schiff zum Kunden."
    Udo Meyer schleppt mit seinem Kran 15 Meter lange Stahlbleche durch die riesige Werkhalle. Wie mit Saugnäpfen nehmen die bulligen Elektromagnete die rußschwarzen Bleche vom Stapel und legen sie später blank glänzend wieder ab. Die Bleche werden für den Bau von Schiffen gebraucht, für Lastwagen und im Anlagenbau. Doch die Preise sind in letzter Zeit in den Keller gerutscht. Das Werk in Duisburg-Süd schreibt Verluste. Rund 100 Euro pro Tonne, da kommen schnell ein paar Millionen zusammen. Wie so viele Stahlarbeiter fürchtet Udo Meyer um seinen Arbeitsplatz.
    "Wir alle, in ganz Europa sind davon betroffen, weil der Chinese mit seinen Dumpingpreisen uns die ganze Preispolitik kaputtmacht. Und Firmen wie wir, ThyssenKrupp, da nicht mithalten können. Weil der produziert eigentlich unter dem Preis, wie wir das herstellen können."
    China hat in den letzten Jahrzehnten eine gewaltige Stahlindustrie geschaffen, um für den Aufbau seiner Wirtschaft möglichst unabhängig von Importen zu sein. Doch seit drei Jahren stockt das chinesische Wachstum, die chinesische Stahlindustrie produziert Überschüsse, riesige Überschüsse. Einen großen Teil seiner Überschüsse drückt Peking mit teils offenen, teils verdeckten Staatsbeihilfen auf den Weltmarkt und macht damit Stahlkonzernen weltweit das Leben schwer.
    Europäische Union verhängt immer neue Strafzölle
    Die Europäische Union verhängt seit Jahren immer neue Strafzölle auf Stahlimporte aus China. So müssen Importeure von warmgewalzten chinesischem Stahl seit Anfang Oktober eine Zusatzabgabe von 23 Prozent an den Zoll abführen, für Grobbleche sogar 74 Prozent. Das sind Bleche von der Art, wie sie bei Udo Meyer in Duisburg Süd am Kran hängen. Kommenden Freitag, am 11. November, wollen die EU-Handelsminister in Brüssel darüber beraten, wie sie grundsätzlich mit Dumping-Importen aus China verfahren wollen.
    Für Stahlarbeiter Udo Meyer geht die Europäische Union viel zu vorsichtig mit China um. Am Mittwoch wird er nach Brüssel fahren, zur Stahl-Demo der europäischen Metallgewerkschaften:
    "Damit wir ein Signal setzten können. Und den Herrschaften da oben zeigen, also mit uns nicht. Die sollen noch mehr Strafzölle draufhauen, damit das sich für den Chinesen auch nicht mehr lohnt, in Europa zu importieren."
    Die Stahlarbeiter hoffen auf die Unterstützung der Bundesregierung. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel fütterte diese Hoffnung, als er im April auf einer Stahl-Kundgebung in Duisburg zum Mikrofon griff:
    "Die Europäische Union muss endlich Anti-Dumping-Maßnahmen gegen den Zustrom von Stahl aus China ergreifen, der unter den Herstellungskosten Chinas und anderer Länder hierher geliefert wird. Fairness ist keine Einbahnstraße, sondern gilt für alle auf der Welt, die in Europa was produzieren oder liefern wollen."
    Deutsche Arbeitsplätze gegen chinesische Dumpingeinfuhren verteidigen, das klingt eindeutig. Doch so eindeutig ist die Sache nicht. Und auch die Unterstützung der Bundesregierung für die deutschen Stahlhersteller ist nicht ganz so sicher, wie sich das noch im April bei Sigmar Gabriel auf der Kundgebung anhörte.
    Gabriel spricht vor einem Plakat mit der Aufschrift "Stahl ist Zukunft"
    Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zeigt sich immer wieder solidarisch mit den Stahlarbeitern. (dpa/Oliver Berg)
    In Brüssel dagegen, wo die Stahlarbeiter am Mittwoch auf ihre Probleme aufmerksam machen wollen, werden sie mit ihren Forderungen teilweise offene Türen einrennen. Die EU-Kommission sieht die chinesischen Stahlimporte ähnlich dramatisch wie die Stahlarbeiter. In der zuständigen Generaldirektion Handel gibt es keinen Zweifel, dass China seinen Stahl weit unter dem Herstellungspreis verkauft.
    Die Brüsseler Experten haben die Vorwürfe monatelang untersucht. Ihr Befund lässt keinen Spielraum für Interpretationen: China subventioniert seine Stahlexporte mit bis zu hundert Prozent der Herstellungskosten. Doch die europäische Antwort falle leider schwach aus, klagt EU-Kommissionssprecher Daniel Rosario:
    "Unsere Werkzeuge reichen bislang einfach nicht aus, um mit den Problemen richtig umzugehen. Selbst, wenn wir feststellen, dass Stahlprodukte sehr stark gedumpt werden, können wir oft nur Strafzölle verhängen, die gerade mal ein Zehntel von dem ausmachen, was die USA gegen dieselben chinesischen Stahlprodukte verhängen. Warum das so ist? Weil unsere eigene Gesetzgebung uns daran hindert, höhere Strafzölle zu erheben."
    Lesser Duty Rule verhindert höhere Strafzölle
    Schuld daran ist vor allem die sogenannte Lesser Duty Rule, eine Vorschrift, nach der bei Dumping stets nur die geringstmöglichen Strafzölle verhängt werden dürfen. Bei Dumpingklagen muss die EU-Kommission deshalb stets prüfen, wie hoch die staatlichen Subventionen etwa in China sind und wie weit der Exportpreis unter dem chinesischen Herstellungspreis liegt.
    In einem zweiten Schritt muss die Kommission dann ausrechnen, wie hoch der Schaden in Europa ist, der bei den europäischen Stahlwerken durch die Dumping-Einfuhren entsteht, wie viel billiger sie ihren Stahl verkaufen müssen. Der finanzielle Schaden, soweit er sich berechnen lässt, ist meist geringer als die staatlichen Subventionen und dementsprechend niedrig fallen dann auch die europäischen Strafzölle aus.
    Ein Stahlarbeiter in Wuhan (China) bei der Arbeit.
    Ein Stahlarbeiter in Wuhan (China). (dpa / picture alliance / epa Yuan Zhen)
    Doch der finanzielle Schaden für die Konzerne ist nur ein Teil des Problems. Langfristig verschwinden durch Dumping Arbeitsplätze und irgendwann vielleicht die gesamte europäische Stahlindustrie, so die Befürchtung. Von allen großen Handelsblöcken in der Welt hat die Europäische Union die mit Abstand niedrigsten Schutzzölle.
    "Diese niedrigen Zölle führen auch noch dazu, dass Stahl, der eigentlich für andere Märkte bestimmt war, dann noch zusätzlich bei uns ankommt. Da es weltweit Überkapazitäten gibt, wird chinesischer Stahl fast überall mit Strafzöllen belegt. Und weil unsere Strafzölle niedriger sind, landen die Überschüsse dann oft bei uns. Wir sind weltweit der einzige Handelsblock, der diese selbstauferlegte Begrenzung hat."
    Dahinter stand ursprünglich die Überzeugung, dass hohe Strafzölle das Klima des internationalen Handels insgesamt belasten und vor allem den Entwicklungsländern das Leben schwer machen.
    Seit dem rasanten Wachstum der Volksrepublik China aber haben sich die Gewichte im Welthandel verschoben. China produziert mehr als 800 Millionen Tonnen Stahl, fast fünfmal soviel wie alle EU-Länder zusammen. Doch Stahl ist ausgesprochen konjunkturabhängig. Jede Wirtschaftsflaute führt sofort zu riesigen Überschüssen. Rund 300 Millionen Tonnen hat die Volksrepublik im letzten Jahr zuviel produziert. Dieses Jahr wird es mindestens so viel sein. Nicht alles landet auf dem Weltmarkt. Aber der Druck, immer mehr zu exportieren, steigt. Für China geht es um viele Millionen Arbeitsplätze.
    Drei Viertel aller Dumping-Klagen bei der EU betreffen Importe aus China, deutlich weniger Klagen richten sich gegen Russland, gefolgt von Taiwan und Indien. Wenn in Brüssel von unfairem Handel die Rede ist, denken alle sofort an China.
    EU will Anti-Dumping-Regeln verschärfen
    Seit 2013 will die Europäische Kommission die Anti-Dumping-Regeln verschärfen. Und scheitert immer wieder im Ministerrat, wo die Wirtschaftsminister der 28 Mitgliedsländer sitzen. Im Europäischen Parlament gibt es eine breite Mehrheit für die Abschaffung der Lesser Duty Rule und für eine drastische Erhöhung der Strafzölle. Doch fast die Hälfte der EU-Regierungen möchte keine Verschärfung der Anti-Dumping-Regeln. Daniel Rosario von der EU-Kommission beklagt die Inkonsequenz:
    "Wenn wieder mal irgendwo in Europa ein Stahlwerk geschlossen wird, dann beklagen sich einige Regierungen, dass die Europäische Union nicht genügend tut. Aber wenn es wie jetzt darum geht, die Anti-Dumping-Regeln an die Herausforderungen der Globalisierung anzupassen, um Fabrikschließungen zu verhindern, um Arbeitslosigkeit zu verhindern, dann sind es oft dieselben Regierungen, die sich querstellen. Wir werden weiter Druck machen, wir haben erfreut gesehen, dass sich die Regierungschefs beim letzten Gipfel mit dem Problem befasst haben. Aber jetzt geht es darum, dass die Regierungen und ihre Handelsminister unsere Gesetzgebung auch tatsächlich anpassen."
    Vor der halbverglasten Frontfassade wehen drei Flaggen mit den europäischen Sternen.
    Das Justus-Lipsius-Gebäude in der belgischen Haupstadt Brüssel: Sitzungsort des EU-Ministerrats. (dpa / Daniel Kalker)
    Es sind vor allem die nordischen Länder Schweden, Finnland, Dänemark und Großbritannien, aber auch die Niederlande und einige osteuropäischen Länder, die höhere Strafzölle ablehnen. Das habe viel mit Traditionen zu tun, meint Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, mit der gewachsenen Überzeugung in diesen Ländern, dass Freihandel in jedem Fall besser sei als Protektionismus. Doch daneben gebe es auch handfeste Interessen, glaubt der Wirtschaftswissenschaftler Bardt:
    "Wir haben natürlich auch in Europa die Konsumenten- und Produzentenseiten. Wir haben Länder, wo stärker die Produzenten von Stahl sind, die negativ betroffen sind durch die Dumping-Aktivitäten. Und wir haben Länder, die keine eigene Produktion haben, aber natürlich auch Stahl verbrauchen. Und die sagen, eigentlich sind günstigere Preise für uns ganz nützlich. Und die haben vor allem Angst, dass über zunehmende Konflikte und Zölle Handelskonflikte entstehen und Handel erschwert und Wohlstand verringert wird."
    Langfristig besteht theoretisch die Gefahr, dass die europäische Stahlindustrie weiter schrumpft und die chinesischen Hersteller irgendwann die Preise für Stahl diktieren und nach Belieben anheben können. Doch bislang scheint das eher unwahrscheinlich. China hat nach wie vor große Probleme mit der Qualität. In der europäischen Automobilindustrie, im Maschinen- und Anlagenbau wird deshalb fast ausschließlich europäischer Stahl verwendet. Hochleistungsstahl ist ein High-Tech-Produkt, bei dem kleinste Abweichungen große Reparaturkosten verursachen. Da gehen die Verarbeiter ungern Risiken ein.
    Nur zwei Millionen Tonnen Stahl aus China
    Nimmt man allein die Handelszahlen, lässt sich die Aufregung wegen des Dumpings ohnehin kaum verstehen. Von den 300 Millionen Tonnen, die China zuviel produziert, kommen ganze zwei Millionen in Deutschland an. Gerade einmal fünf Prozent des deutschen Stahlverbrauchs werden mit Einfuhren aus China gedeckt.
    Chinesischer Stahl ist in Europa immer noch ein Nischenprodukt. Aber die Nischen werden langsam breiter, vor allem aber führen die chinesischen Preise dazu, dass die deutschen Hersteller auch bei Hochleistungsstählen nicht so viel verlangen können, wie sie gerne würden. Die chinesischen Stahlimporte sind vor allem Preisbrecher. Deshalb machen sie den Herstellern solche Sorgen – und deshalb sind sie für Firmen, die Stahl verarbeiten, so verlockend.
    Der konservative schwedische Europaabgeordnete Christofer Fjellner hält eine Verschärfung der Strafzölle für geradezu gefährlich:
    "Unser Kernproblem ist, dass die Globalisierung den Handel grundlegend verändert hat. Wir haben heute eine globalisierte Zuliefererkette, sodass wir bei Maßnahmen zum Schutz einer Industrie nie wissen, welche anderen Industrien darunter leiden werden und in welchen anderen Branchen wir die Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel setzen. Das ist eine große Herausforderung."
    Die Herausforderung spüren auch die europäischen Wirtschaftsverbände. BusinessEurope ist die europäische Dachorganistion der Industrievereinigungen und vertritt in Brüssel beispielsweise den BDI, den Bundesverband der Deutschen Industrie. Luisa Santos ist Direktorin für internationale Beziehungen bei BusinessEurope:
    "Antidumping ist für uns ein sehr heikles Thema, weil wir sowohl für Firmen sprechen, die selbst produzieren und deshalb eine wirksame Anti-Dumping-Politik fordern, als auch für Firmen, die importieren und von den niedrigeren Preisen profitieren. Wenn wir für BusinessEurope sprechen, dann äußern wir uns normalerweise nicht zu einzelnen Anti-Dumping-Fällen."
    Strafzölle könnten Wirtschaft angreifen
    Strafzölle greifen nicht nur in die Wirtschaft ein, sie beeinflussen auch die Verbraucherpreise und können manchmal Auswirkungen auf innenpolitische Grundentscheidungen haben. Der schwedische Europaabgeordnete Christofer Fjellner erinnert an die Strafzölle auf chinesische Solarpanele, die seit drei Jahren die Preise für Solaranlagen hoch halten. Ohne diese künstliche Verteuerung wäre Sonnenenergie billiger und die Energiewende ein gutes Stück weiter, meint Fjellner. Die Europäische Union behindere ihre eigene Klimapolitik.
    "Die Europäische Union hat mit chirurgischer Präzision Strafzölle für praktisch alle erneuerbaren Energien eingeführt. Ethanol, Biodiesel, Solarpanele, selbst die Beschichtung von Windrädern ist mit Zöllen belegt. Auf der anderen Seite haben wir keine Zölle für Öl, Gas oder Kohle. Deshalb ist es so wichtig, dass sich alle Gehör verschaffen, denen der Klimawandel am Herzen liegt. Alle Ansichten sind legitim und müssen in dieser Debatte ernst genommen werden."
    Im Europaparlament steht Fjellner mit seiner Ablehnung von Strafzöllen ziemlich allein, im EU-Ministerrat dagegen gibt es eine Reihe von Handelsministern, die seine Haltung teilen - genügend Minister, vor allem aus den nördlichen EU-Ländern, um eine Verschärfung der Sanktionen zu blockieren.
    Das Gebäude der WTO in Genf.
    Das Gebäude der WTO in Genf. (dpa/picture-alliance/Laurent Gillieron)
    Doch die Zeit drängt. China ist seit genau 15 Jahren Mitglied der Welthandelsorganisation WTO. Im Dezember läuft die Übergangsphase ab, in der die Volksrepublik als "Nicht-marktwirtschaftliches-Land" kaum Möglichkeiten hatte, gegen Strafzölle vor einem Schiedsgericht zu klagen. Künftig müssen Sanktionen gegen Dumping detaillierter bewiesen und genauer begründet werden.
    Das ist auch der Hauptgrund, warum die EU-Kommission die gesamte Anti-Dumping-Politik der EU von Grund auf modernisieren will. Die Verfahren sollen transparenter und zügiger werden. Bisher dauert es oft viele Monate, bis Strafzölle verhängt werden können. Das soll schneller gehen. Vor allem sollen die Verfahren sich stärker als bisher an den WTO-Regeln ausrichten.
    Bis hierhin sind sich alle EU-Regierungen weitgehend einig. Doch ein Teil der Regierungen will die Reform der Anti-Dumping-Regeln nutzen, um die Strafzölle drastisch anzuheben, etwa auf das Niveau, das die USA haben. Vor allem Frankreich macht sich dafür stark, sowie Italien, Spanien, Portugal und der südliche Teil Belgiens. Während der flämische Norden vor einem Handelskrieg mit China warnt, treten die Politiker des wallonischen Südens umso kämpferischer auf. Die wallonische Sozialistin Maria Arena will die Strafzölle verzehnfachen:
    "Wenn wir das nicht machen, bringen wir unsere europäische Industrie in zunehmende Schwierigkeiten. Es geht nicht mehr nur um Stahl, die Keramik-Industrie beispielsweise hat auch schon Probleme. Wir müssen aufpassen, dass die Grundlagen des Wettbewerbes erhalten bleiben. Das ist aktuell nicht gegeben, deshalb müssen wir den unfairen Wettbewerb bekämpfen."
    Blockade im EU-Ministerrat
    Im EU-Ministerrat blockieren sich Befürworter und Gegner der Strafverschärfung gegenseitig. Ausgerechnet das Brexit-Votum könnte den Durchbruch bringen, hofft die sozialistische Europaabgeordnete Arena:
    "Einige Mitgliedsstaaten haben sich hinter Großbritannien gestellt, das in dieser Frage besonders hart auftrat. Der Brexit schwächt Großbritannien im Ministerrat. Ich baue darauf, dass Frankreich und Deutschland das Dossier jetzt voranbringen."
    Dass Paris die Anti-Dumping-Regeln verschärfen will, ist sicher. Aber wo Deutschland genau steht, ist nicht ganz klar. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat zwar immer wieder seine Solidarität mit den Stahlarbeitern betont. Doch traditionell neigt die Bundesregierung im europäischen Konzert eher zum Freihandel und versucht, Handelskonflikte zu vermeiden.
    Es wird – wie üblich – auf einen Kompromiss hinauslaufen: vermutlich eine leichte Verschärfung der Strafzölle und gleichzeitig ein paar Zugeständnisse für China und für die europäische Stahlindustrie. China legt großen Wert darauf, nach 15 Jahren als WTO-Mitglied nun endgültig als Marktwirtschaft anerkannt zu werden. Für Peking ist das eine Prestige-Frage, meint Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft:
    "Für China ist das wichtig. China sagt, wir sind vollwertige Marktwirtschaft. Wir sind vollwertiger Partner im internationalen Handel und wollen auch als solche anerkannt werden. Und damit hat das eine hohe Symbolkraft, auch dieses Label: Marktwirtschaft. Für die Europäer ist diese Frage des Labelings nicht so entscheidend. Da geht es darum, kann man unfairen Handelspraktiken, die es auch aus China weiterhin gibt, trotz der marktwirtschaftlichen Strukturen, kann man denen weiterhin begegnen mit Anti-Dumping und Anti-Subventionsverfahren?"
    Die Nervosität auf beiden Seiten wächst. Die chinesische Regierung sendet derzeit auf allen Kanälen Signale aus, dass man sich unfair und unwürdig behandelt fühle. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat das bei seinem Besuch in Peking auf Schritt und Tritt erfahren. Die für Handel zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström versucht derzeit vergeblich, einen Gesprächstermin beim chinesischen Handelsminister zu bekommen. Peking zeigt demonstrativ seine Unzufriedenheit. Dass härtere Anti-Dumping-Regeln zu einem Handelskonflikt mit China führen könnten, sei nicht ausgeschlossen, meint Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft, aber doch eher unwahrscheinlich.
    "Europa ist ein wichtiger Partner für China, ist ein extrem wichtiger Markt für China auch. Die Interessen, gut miteinander zu handeln, sind beidseitig. Und das sollte dafür sprechen, dass man die Probleme lösen oder zumindest in vernünftigen Bahnen behalten kann."