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Durchsetzungsstark und umstritten

Die amerikanische Diplomatie verliert mit Holbrooke einen der wichtigsten Akteure, würdigt der Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen, Hans-Ulrich Klose (SPD), den in der Nacht verstorbenen Richard Holbrooke. Ohne ihn hätte es kein Dayton-Abkommen gegeben.

Hans-Ulrich Klose im Gespräch mit Silvia Engels | 14.12.2010
    Silvia Engels: Sie haben es in den Nachrichten gehört und auch wir haben schon darüber berichtet: in der Nacht ist überraschend der Sonderbeauftragte der US-Regierung für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, gestorben. Er war gestern zusammengebrochen und auch eine Notoperation konnte ihn nicht retten. Offenbar war die Hauptschlagader doch gerissen und er starb in der Nacht daran. – Am Telefon ist nun der Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen, Hans-Ulrich Klose (SPD). Guten Morgen.

    Hans-Ulrich Klose: Guten Morgen.

    Engels: Wie schwer wiegt dieser überraschende Verlust von Richard Holbrooke?

    Klose: Die amerikanische Diplomatie verliert mit Holbrooke einen der wichtigsten Akteure. Er wird schwer zu ersetzen sein.

    Engels: Blicken wir zunächst zurück. Holbrooke galt als Gestalter des Friedensabkommens von Dayton, das vor ziemlich genau 15 Jahren den Bosnien-Krieg beendete. Wie wichtig war seine Rolle damals?

    Klose: Ohne ihn wäre das Abkommen nicht zu Stande gekommen. Er hat die streitigen Parteien sozusagen an den Tisch gezwungen und dann ein Abkommen herbeigeführt, das bis heute noch nicht wirklich Frieden gebracht hat, aber es hat jedenfalls den Krieg im Nach-Jugoslawien beendet.

    Engels: Hat dann seine Person, die ja doch als sehr durchsetzungsstark galt, da einen besonderen Einfluss gehabt?

    Klose: Ja, mit Sicherheit. Ohne ihn wäre ein Abkommen mit Milosevic, dem damaligen Machthaber, nicht möglich gewesen.

    Engels: Dann hat Holbrooke ja durchaus noch weitere Stationen seiner langen diplomatischen Karriere absolviert. Er war auch zum Beispiel kurz US-Botschafter in Deutschland. Haben Sie ihn damals erlebt?

    Klose: Ich habe ihn damals kennengelernt. Er kam ja kurz nach dem ersten Irak-Krieg, also nach dem Überfall auf Kuwait, und wir haben damals miteinander gesprochen. Ich habe damals ja eine Position zu diesem Krieg gehabt und wir waren uns in vielen Punkten einig.

    Engels: Wie haben Sie ihn als Menschen damals erlebt?

    Klose: Er war schwierig. Er konnte herzlich sein, auf die Menschen zugehen, er konnte aber auch überaus schroff sein. Deshalb denke ich, er ist mit dem Wort "umstritten" richtig beschrieben.

    Engels: Umstritten ist ein Wort, das in seiner Umgebung immer genannt wird. Haben Sie denn Entwicklungen seiner Persönlichkeit erlebt - er war ja sehr lange Diplomat -, dass er jetzt doch möglicherweise auch die Zwischentöne stärker gesehen hat?

    Klose: Ich hatte nie ein Problem mit ihm, aber es gibt Menschen, die sich über ihn beklagt haben, und man weiß aus jüngster Zeit, dass er insbesondere in Afghanistan mit dem Präsidenten Afghanistans nur sehr schwer zurecht gekommen ist.

    Engels: Holbrooke, Sie haben es damit angedeutet, hatte für US-Präsident Obama wieder eine ausgesprochen schwere Aufgabe übernommen, nämlich als Sonderbeauftragter für Pakistan und Afghanistan. Keine leichte Aufgabe. Wie sehr fehlt er nun dort?

    Klose: Na ja, wir alle wissen, dass der Krieg in Afghanistan mit militärischen Mitteln nicht zu gewinnen ist, mit militärischen Mitteln allein. Es gehört ganz viel Politik dazu und es müssen alle Nachbarstaaten einbezogen werden in eine Lösung. Dafür war Holbrooke schon der richtige Mann, und dass die Institution angemessen war sieht man daran, dass auch andere Länder ja inzwischen Sonderbeauftragte für Afghanistan ernannt haben, auch die Bundesrepublik Deutschland.

    Engels: Afghanistan und Pakistan hat er da zusammengefasst. War das der richtige Weg, den Richard Holbrooke da versucht hat, oder war er für diesen schwierigen Konfliktraum vielleicht auch einfach ein zu eigenständiger Solitär, wie US-Präsident Obama es ausgedrückt hat?

    Klose: Also ich glaube schon, dass die Zusammenfassung richtig war, denn ohne die volle Mitwirkung von Pakistan ist das Problem in Afghanistan nicht zu lösen, vor allen Dingen, weil die sogenannten tribal areas in Pakistan außer Kontrolle der Regierung in Islamabad sind. Die müssen einbezogen werden und Holbrooke hatte, wie ich finde, den richtigen Ansatz. Er wusste, dass es nicht nur mit militärischen Mitteln zu machen ist, sondern dass es den Weg geben muss über Entwicklungszusammenarbeit, sodass die Menschen im Grenzgebiet ein besseres Leben haben und nicht immer auf Krieg und Aufstand setzen.

    Engels: Wenn Sie zurückblicken auf Richard Holbrooke, gibt es eine Äußerung, gibt es etwas, was Ihnen von diesem sehr besonderen Menschen – so wird er ja von allen beschrieben – besonders in Erinnerung bleiben wird?

    Klose: Er wird uns, hoffe ich, lange in Erinnerung bleiben als einer der Mitbegründer der American Academy in Berlin, und das ist eine der wirksamsten Institutionen, wenn es um deutsch-amerikanische Zusammenarbeit geht.

    Engels: Das heißt, ein sehr großer Freund der deutsch-amerikanischen Beziehungen?

    Klose: Mit Sicherheit, ja.

    Engels: Richard Holbrooke, derzeit war er der Sonderbeauftragte der US-Regierung für Afghanistan und Pakistan, aber er hatte auch eine lange diplomatische Karriere. Er ist in der Nacht gestorben. Wir sprachen darüber mit dem Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen, Hans-Ulrich Klose von der SPD. Ich danke Ihnen, dass Sie sich so kurzfristig die Zeit genommen haben.

    Klose: Vielen Dank! Schönen Tag noch.
    Richard Holbrooke, US-Diplomat
    Richard Holbrooke, US-Diplomat (AP)