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E-Scooter
"Nehmt mehr Rücksicht auf die, die etwas langsamer unterwegs sind"

Auch wenn E-Scooter nun in Deutschland zugelassen werden, bleiben viele Fragen ungeklärt. „Wir wollen einfach einmal sehen, wie sich diese Regelungen jetzt in der Praxis auswirken“, sagte die Verkehrspolitikerin Daniela Ludwig (CSU) im Dlf - es müssten nur alle Rücksicht aufeinander nehmen.

Daniela Ludwig im Gespräch mit Christiane Kaess | 17.05.2019
Daniela Ludwig (CSU) spricht bei der Plenarsitzung des Bundestages im Reichstagsgebäude in der Debatte um Verkehr und digitale Infrastruktur.
Die verkehrspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Daniela Ludwig (CSU), glaubt, dass es eine breite gesellschaftliche Diskussion über Mobilität geben muss (picture alliance / Wolfgang Kumm)
Christiane Kaess: Der Verkehr in deutschen Städten wird wohl bald bunter. Tretroller mit Elektromotor könnten heute die entscheidende Hürde zur Zulassung im Bundesrat nehmen und ab dem Sommer durch deutsche Orte kurven. Die Städte warnen zwar vor Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmern; die Probleme, die es mit dem Boom von Mietfahrrädern auf Bürgersteigen und Radwegen gab, sollen sich aber nicht wiederholen.
Mitgehört hat Daniela Ludwig. Sie ist Obfrau der Union im Bundestagsausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur. Guten Morgen!
Daniela Ludwig: Schönen guten Morgen aus Berlin.
Kaess: Frau Ludwig, wenn der Bundesrat heute der Zulassung von E-Scootern und ähnlichen Fortbewegungsgeräten zustimmt, ist dann mit der Verordnung von Verkehrsminister Scheuer alles so geregelt, dass die auch nützlich und risikoarm gebraucht werden können?
Ludwig: Davon bin ich fest überzeugt. Diese Verordnung ist ja in einem sehr intensiven Dialog mit sehr vielen Akteuren entstanden, jetzt auch noch mal korrigiert worden auf die vielen Bedenken, die wir natürlich sehr ernst genommen haben, aus den Bundesländern.
Ich denke, dass wir mit dieser Verordnung auch aus Fehlern des europäischen Auslands gelernt haben, wo man im Prinzip die E-Scooter erst mal komplett frei hat fahren lassen, wo es dann durchaus zu nennenswerten Zwischenfällen im Verkehr kam. Wir haben uns etwas mehr Zeit gelassen, haben der Entwicklung durchaus etwas zugesehen, und, ich denke, jetzt die richtigen Schlussfolgerungen mit dieser Verordnung gezogen.
Kaess: Dann schauen wir auf diese Regelungen, allen voran die, dass alle Elektro-Tretroller auf Fahrradwegen fahren müssen. Jetzt ist es aber so, dass an etlichen Stellen in Städten es überhaupt keine Radwege gibt. Das heißt jetzt in der Konsequenz, auch ältere Menschen oder Jugendliche müssen mit den E-Scootern mitten in den Autoverkehr.
Ludwig: Sehen Sie, da sprechen Sie schon den ersten Konflikt an, der uns natürlich auch bewusst war mit dieser Verordnung. Deswegen hatten wir ja ursprünglich vorgesehen, die langsameren E-Scooter auf die Gehwege zu lassen, weil natürlich klar ist, nicht überall gehen Fahrradwege auch durchgängig an den Straßen entlang.
Die Bedenken haben uns insofern überzeugt, dass dann Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zugestanden hat zu sagen, okay, alle müssen auf die Radwege, wo sie vorhanden sind, oder auf die Straße. Ich möchte jetzt einfach mal sagen: Lassen wir uns heute das Thema uns angehen. Wir wollen es in diesem Sommer einfach einmal sehen, wie es funktioniert, wie diese Regelungen jetzt in der Praxis sich auswirken.
"Alle Akteure sind gefordert"
Kaess: Aber das ist ja schon ein Konfliktpunkt, Frau Ludwig. Die Sicherheit geht im Prinzip auf Kosten derer, die mit den E-Tretrollern dann auf der Straße fahren müssen.
Ludwig: Das ist aber nicht nur alleine Bundessache, sondern da sind alle Akteure gefordert, wenn es um den Konflikt, um den Raum in den Städten geht. Dann müssen die Kommunen mitspielen, auch die Bundesländer übrigens, nicht nur der Bund alleine ist für die Fahrräder zuständig und für die Fahrradwege, sondern insbesondere die Kommunen und die Bundesländer.
Wenn wir da sehen, dass wir Veränderungen auch im Mobilitätsbedürfnis der Menschen haben – und ich glaube, das ist auch ganz klar für uns alle, dass die Sensibilisierung stärker wird, dass man bereit ist, den Pkw stehen zu lassen und all das zu nutzen, was wir insbesondere in Ballungsräumen an Mobilität vorfinden -, dann müssen wir in einem gesamtgesellschaftlichen Konsens irgendwann zu dem Ergebnis kommen: Okay, dann muss tatsächlich der Pkw-Verkehr abgeben, Raum abgeben auch an die Fahrräder und dann gegebenenfalls auch an die E-Scooter. Aber so weit sind wir jetzt noch nicht.
Kaess: Genau! So weit sind wir nicht, obwohl dieses Problem seit langer, langer Zeit bekannt ist. Glauben Sie denn tatsächlich, dass es demnächst mehr Platz für Fuß- und Radverkehr geben wird? Sie sprechen die Kommunen an. Die Opposition sagt aber durchaus, der Bund muss sich da auch deutlich mehr engagieren und mehr Geld zur Verfügung stellen.
Ludwig: Wir stellen schon in Millionenhöhe Geld zur Verfügung, insbesondere in den Infrastrukturen, für die wir als Bund zuständig sind, nämlich an unseren Bundesstraßen mit dem verpflichtenden Zubau von Fahrradwegen.
Alles andere möchten wir gerne unterstützen. Da bin ich ja absolut offen. Und ich sehe schon, dass wir gerade in den letzten zwei bis drei Jahren eine deutlich andere Debattenlage haben, die ich sehr begrüße, auf die wir jetzt auch von Bundesseite reagieren.
Wir wollen mehr Raum und auch mehr Möglichkeiten für die Fahrradfahrer schaffen mit einer Änderung der Straßenverkehrsordnung, die wir noch in diesem Jahr anstreben, wo wir schon signalisieren, auch allen anderen vielleicht stärkeren Verkehrsteilnehmern, nehmt mehr Rücksicht auf die Fahrradfahrer, nehmt mehr Rücksicht auf die, die etwas langsamer unterwegs sind, die aber dafür emissionsarm und umweltfreundlich durch unsere Städte fahren.
Ich glaube, dass wir da in einer Gesamtdiskussion ehrlicherweise sind, nicht nur bei den E-Scootern, sondern generell, wie sieht unsere Mobilität künftig aus. Die Verordnung, die der Bundesrat hoffentlich heute beschließt, ist ein Teil dazu, mehr Rechte für die Fahrradfahrer, die wir dieses Jahr angehen wollen, sind ein Teil dafür, und gerne steigen wir auch ein in die Diskussion, wie teilen wir künftig den Platz, den knappen Platz insbesondere in unseren Städten auf für alle Verkehrsteilnehmer.
Kaess: Frau Ludwig, lassen Sie uns noch mal auf diese Schwerpunktsetzung schauen, gerade wenn es jetzt um die E-Scooter geht. Warum sind eigentlich mögliche Unfälle in diesem Zusammenhang durchaus ein Argument für CDU und CSU, aber beim Thema Tempolimit für Autos, wo man auch weiß, dass bei niedriger Geschwindigkeit mit dem Auto weniger Unfälle passieren, kein Argument?
Ludwig: Das ist jetzt ein interessanter inhaltlicher Schwenk, aber beim Tempolimit ist es ja durchaus so, …
Kaess: Es geht um die Schwerpunktsetzung der Bevorzugung des Autoverkehrs.
Ludwig: Da sind wir ja völlig dabei. Aber da ist natürlich schon die Frage, wo passieren die meisten Unfälle. Die passieren nicht auf den Autobahnen, sondern die passieren in der Tat auf den Landstraßen, wo wir ein Tempolimit haben, aber wo der Ausbauzustand oftmals nicht so ist, wie er sein sollte, und wo wir an schwierigen Stellen mit Überholvorgängen Unfälle beobachten, die uns allen nicht gefallen.
Das Tempolimit alleine wird nicht dazu führen, dass wir weniger Verkehrstote haben, weil wir die meisten Verkehrstoten nicht da haben, wo das Tempolimit eingesetzt werden soll, nämlich auf Autobahnen.
"Für die Städte wird sicherlich der E-Scooter eine Rolle spielen"
Kaess: Das sehen manche Experten anders. Aber kommen wir zurück zum Elektro-Tretroller und schauen wir auf die ökologische Bilanz. Es ist ja so, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU bei der Einführung der E-Fahrzeuge relativ ambitioniert aufgetreten ist.
Viele hätten sich von ihm dieses Engagement gegenüber der Autoindustrie beim Abgasskandal gewünscht. Erhoffen Sie sich, dass die Einführung von E-Scootern und Co. Tatsächlich den Schadstoffausstoß im Verkehrssektor entscheidend senken wird, zumindest für die Städte?
Ludwig: Für die Städte wird sicherlich der E-Scooter eine Rolle spielen – vermutlich nicht die entscheidende. Dafür müssten wir wesentlich mehr vermutlich auf die Straße bringen. Ich glaube, in den Städten wird ganz, ganz entscheidend sein das, was wir auch tun mit unserem Förderprogramm saubere Luft, nämlich die Umrüstung der kommunalen Flotten hin zur Elektromobilität.
Denn entscheidend ist ja, dass die Fahrzeuge, die den ganzen Tag in den Städten fahren, die Busse, die kommunalen Müllfahrzeuge zum Beispiel, alles, was sich permanent über Stunden in der Stadt bewegt, dass wir da bei den Antrieben besser werden, dass wir da umsteigen auf Elektromobilität.
Sehr, sehr viele Kommunen, sehr viele Städte deutschlandweit steigen in dieses Förderprogramm ein, fühlen sich da auch in einer Verantwortung, und wir als Bund tun unser Nötiges mit dem notwendigen Geld dazu. Da sind wir auf einem sehr, sehr guten Weg. Da werden wir noch zwei bis drei Jahre brauchen, dass wir das in der Fläche spüren. Aber davon erhoffen wir uns sehr, sehr viel, und die letzten Werte aus den Grenzwertmessungen bestätigen ja diesen Weg.
Kaess: Frau Ludwig, lassen Sie uns gerade noch mal bei diesen neuen Kleinstfahrzeugen, Elektrofahrzeugen, um die es heute im Bundesrat geht, bleiben. Was auch klar ist: Wenn bisherige Fußgänger oder Radfahrer darauf umsteigen, dann wird das verheerend sein für die Umweltbilanz. Warum wird eigentlich bei der Verkehrs- und bei der Mobilitätswende so wenig darauf gesetzt, die Menschen zu motivieren, sich selber mehr zu bewegen, anstatt jetzt auch noch auf diese Kleinstfahrzeuge in der Elektromobilität zu setzen?
Ludwig: Wissen Sie, wenn es uns gelingt, den einen oder anderen Pkw-Fahrer auf den E-Scooter zu bringen, bin ich durchaus zufrieden.
"Ich will sie durch Sensibilisierung, durch mehr Möglichkeiten anreizen"
Kaess: Das ist ja die Frage, ob der Fußgänger oder der Radfahrer umsteigt. Die gibt es ja auch noch.
Ludwig: Die gibt es auch noch. Ich kenne sehr viele überzeugte Fahrradfahrer, die sagen, sie teilen sich gerne ihren Fahrradweg mit den E-Scootern, sie radeln aber trotzdem überzeugt weiter. Ich glaube tatsächlich, dass wir allein durch diese Diskussion, liebe Frau Kaess, die wir beide hier auch schon führen, den einen oder anderen zum Nachdenken bringen.
Deswegen ist nicht nur die Verordnung wichtig und die Frage, kriegen wir die E-Scooter dann tatsächlich nicht auf die Straße, aber zumindest auf den Fahrradweg, aber allein die Debatte darüber bringt, glaube ich, jeden mal dazu, über seine eigene höchst persönliche Mobilität nachzudenken.
Das kann man nicht immer nur politisch verordnen, da bitte ich einfach auch um Verständnis, sondern da muss jeder für sich selber überlegen, mache ich das Optimale für die Umwelt, kann ich noch besser werden. Das ist eine individuelle Entscheidung, die will ich nicht vorschreiben, aber ich will sie durch Sensibilisierung, durch mehr Möglichkeiten anreizen.
Der E-Scooter, denke ich, ist für den einen oder anderen wirklich wieder ein attraktives Mittel zu sagen, okay, ich komme aus der S-Bahn raus, ich nehme mir dann kein Taxi zum Beispiel, sondern ich gucke, ist hier eine Verleihstation von E-Scootern, dann bewege ich mich zumindest ein bisschen, habe ein bisschen frische Luft und komme dann emissionsfrei bis zu meiner Arbeitsstätte.
Kaess: Noch ganz kurz zum Schluss; wir haben nur noch eine knappe Minute. Ein Wort noch zur Nachhaltigkeit. Aus Paris kam die Meldung, dass die durchschnittliche Überlebensdauer eines E-Scooters, die in der Stadt verliehen werden, 28 Tage sind. Wie ökologisch ist das?
Ludwig: Das werden wir uns natürlich in Deutschland auch anschauen. Darum habe ich zu Beginn unseres Gespräches gesagt, wir haben sehr gespannt die Entwicklungen in den anderen europäischen Ländern beobachtet. Man hat uns ja immer vorgeworfen, wir sind zu langsam.
Ich denke, wir gehen jetzt einen guten Weg. Die E-Scooter, die ich jetzt bereits kenne, sind außerordentlich stabil, durchaus leistungs- und lebensfähig, und da haben wir auch aus den E-Bikes gelernt in den letzten Jahren, dass wir hier nicht die total billige Massenware auf die Straße bringen können, sondern dass es wirklich stabile Teile sein müssen. Und da ist auch wieder das Individuum gefragt: Muss ich den auf die Straße knallen, wenn ich ihn zurückgebe, oder wie gehe ich denn eigentlich gut damit um.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.