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Edathy-Affäre
"Edathy äußert sich sehr widersprüchlich"

Eva Högl nennt die bisherigen Aussagen von Sebastian Edathy "sehr widersprüchlich". Zuerst hieß es, er habe aus den Medien von den Vorwürfen gegen ihn erfahren. "Jetzt sagt er, er sei von Michael Hartmann gewarnt worden", sagte die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Edathy-Affäre, Eva Högl (SPD), im DLF. Sie will ihn unter Wahrheitspflicht vernehmen.

Eva Högl im Gespräch mit Silvia Engels | 18.12.2014
    Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl.
    Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl (imago/Reiner Zensen)
    Als ein wichtiges Beweismittel werde daher auch der SMS-Verkehr zwischen Edathy und Hartmann verlangt, sagte Högl. "Wenn man sich die SMS aus dem Stern ansieht, dann können die auch aus einem anderen Kontext sein oder auch lückenhaft." Edathy hatte den Dialog mit Hartmann dem Stern übergeben. Man wolle Edathy und Hartmann anhören, "damit wir die Versionen vergleichen können und im besten Falle wissen, wie es wirklich gewesen ist".
    Wegen der Widersprüche will Högl Edathy unter Wahrheitspflicht vernehmen. Was dieser sage, müsse korrekt und vollständig sein. "Darüber werde ich den Zeugen auch belehren." Im Untersuchungsausschuss soll geklärt werden, ob und wenn ja, von wem Edathy vor Ermittlungen gegen ihn gewarnt wurde.
    "Bin ausreichend objektiv"
    Für Högl als SPD-Abgeordnete sei es "keine angenehme Situation, einen ehemaligen und einen aktuellen Kollegen zu befragen". An ihrer Unvoreingenommenheit zweifele sie trotzdem nicht. "Ich denke, dass ich ausreichend objektiv bin. Wir arbeiten seit Sommer sehr sorgfältig und konzentriert, alle Beschlüsse wurden einstimmig getroffen."
    Dass Edathy vor der Aussage im Untersuchungsausschuss zu einer Pressekonferenz eingeladen hat, sorgt wie bei vielen anderen Politikern auch bei Högl für Kritik. "Das ist ein Vorgang, der den Ausschuss irritiert hat."

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Sebastian Edathy wird heute in Berlin erwartet. Das war jahrelang eine Selbstverständlichkeit für den profilierten SPD-Innenpolitiken; schließlich war er Bundestagsabgeordneter. Doch derzeit kommt diese Anreise einer Sensation gleich, denn Edathy stellt sich dem Untersuchungsausschuss, der sich unter anderem mit der Frage befasst, ob und von wem Edathy vor möglichen Ermittlungen gegen ihn im Zusammenhang mit Kinderpornographie gewarnt worden ist. Wir erinnern uns: Weil Hans-Peter Friedrich von der CSU zugegeben hatte, die SPD-Spitze vorab informiert zu haben, hatte er sein Ministeramt verloren. Vergangene Woche nun hat sich Edathy selbst zu Wort gemeldet und nun den früheren innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, als Tippgeber benannt, und nun steht Aussage gegen Aussage, SMS gegen SMS.
    Am Telefon ist die Vorsitzende des Edathy-Untersuchungsausschusses, Eva Högl von der SPD. Guten Morgen, Frau Högl!
    Eva Högl: Schönen guten Morgen, Frau Engels.
    Engels: Wie glaubwürdig ist für Sie nach all diesen Einlassungen Ihr Parteifreund Sebastian Edathy?
    Högl: Nun, wir gehen heute im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages der Frage nach, ob er gewarnt wurde und wenn ja, von wem, und Sebastian Edathy hat sich bisher sehr widersprüchlich geäußert. Zunächst hat er gegenüber den Medien gesagt, er habe von den Ermittlungen und von den Verfahren in Kanada aus der Presse erfahren. Jetzt am Wochenende mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass er sagt, er sei von Michael Hartmann gewarnt worden. Das ist widersprüchlich. Deswegen ist wichtig, dass wir im Untersuchungsausschuss Sebastian Edathy als Zeugen unter Wahrheitspflicht vernehmen werden heute.
    Engels: Wenn ich Sie richtig verstehe, glauben Sie auch schon jetzt eher Herrn Hartmann, der ja die Vorwürfe abstreitet und der ja heute auch gehört wird?
    "Auch Michael Hartmann wurde als Zeuge geladen"
    Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. 
    Auch Michael Hartmann wurde geladen (Michael Hartmann)
    Högl: Nun, wir haben direkt am Montag beschlossen, dass wir auch Michael Hartmann als Zeugen in den Untersuchungsausschuss laden, damit wir die beiden Versionen direkt gegenüberstellen, vergleichen können, und damit wir im besten Fall heute nach unserer Sitzung wissen, wie es wirklich gewesen ist.
    Engels: Die Aussage von Herrn Hartmann aber, er habe bei seinen Gesprächen mit Edathy nicht auf angebliche Informationen des damaligen BKA-Präsidenten Ziercke zurückgegriffen - so hat er sich ja eingelassen -, das ist eine Aussage, die ja nicht ausschließt, dass er zumindest diese Informationen hatte. Ist also an dem Punkt die Aussage Edathys vielleicht doch glaubwürdiger, weil die von Herrn Hartmann doch irgendwie etwas weich wirkt?
    Högl: Wir werden genau danach heute fragen. Wir werden das Michael Hartmann fragen, hatte er Informationen, wenn ja, woher. Er schließt das aus, dass er sie von dem damaligen BKA-Präsidenten Ziercke hatte. Und wir werden auch natürlich schauen, welche Informationen hatte Sebastian Edathy, wonach hat sein Rechtsanwalt gefragt bei den beteiligten Staatsanwaltschaften, hätte Michael Hartmann dieses Wissen überhaupt haben können, hätte BKA-Chef Ziercke dieses Wissen haben können. Das wird heute Nachmittag Gegenstand der Befragung sein.
    Engels: Aber Sebastian Edathy kann immerhin eine SMS-Kommunikation anführen. Das sind doch zumindest Anhaltspunkte, dass seine Information nicht ganz aus der Luft gegriffen ist.
    Högl: Wenn man die SMS mal sich anschaut, die im "Stern" jetzt zitiert werden - das werden wir heute im Untersuchungsausschuss natürlich uns auch ganz genau anschauen -, dann können diese SMS natürlich auch einerseits aus einem anderen Kontext sein. Der SMS-Verkehr kann lückenhaft sein. Das müssen wir uns alles mal anschauen. Deswegen haben wir auch Anfang der Woche direkt einen Beweisbeschluss gefasst, dass wir den SMS-Verkehr haben wollen und dass wir vor allen Dingen auch die Versicherung an Eidesstatt, die Sebastian Edathy abgegeben haben soll, dass wir die auch als Beweismittel beiziehen beim Untersuchungsausschuss.
    "Der Wahrheit ein Stück näher kommen"
    Sebastian Edathy
    Sebastian Edathy will vorher in der Bundespressekonferenz sprechen (Hannibal Hanschke, dpa)
    Engels: Edathy selbst geht ja auch einen Schritt weiter. Er behauptet auch, auch der damalige Parlamentarische Geschäftsführer und heute Fraktionschef der SPD, Thomas Oppermann, habe ihm in der kritischen Zeit Hilfe angeboten, also wohlgemerkt in der Zeit, als noch gar nicht klar war, dass gegen ihn ermittelt werde. Wie sehr steht Ihr Fraktionschef unter Druck?
    Högl: Unser Fraktionschef steht nun heute jetzt erst mal nicht unter Druck, weil es heute um die Frage geht, hat Sebastian Edathy eine Warnung bekommen, wenn ja, von wem, war es Michael Hartmann. Natürlich ist das für die SPD insgesamt keine schöne Situation und wir müssen jetzt versuchen, heute sorgfältig aufzuklären, der Wahrheit ein Stück näher zu kommen. Das ist die Aufgabe dieses Untersuchungsausschusses. Und ich bin da guter Dinge, dass wir den Tag heute gut bestreiten mit den zwei wichtigen Zeugen und dann am Ende wie gesagt eine Version jedenfalls glaubwürdiger ist als die andere. Darum wird es heute im Untersuchungsausschuss gehen.
    Engels: Sie sagen, dass die SPD-Fraktion natürlich in einer schwierigen Situation steckt. Wie spüren Sie die Belastung, die ja nun wahrscheinlich umgeht, wenn der Verdacht Kontur annimmt, dass möglicherweise noch mehr SPD-Kollegen Bescheid gewusst hätten, bevor sie Bescheid wissen durften?
    Högl: Dafür gibt es erst mal keinen Anlass. Wir haben auch keine Krise in der Koalition jetzt noch mal. Auch der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Volker Kauder, hat sich deutlich geäußert. Ich sagte schon, das ist für die SPD eine schwierige Situation. Deswegen ist es gut, dass es diesen Untersuchungsausschuss jetzt doch gibt und wir aufklären und dann am Ende wir wissen, wie es gewesen ist, und auch die ganzen Spekulationen ausräumen können. Wie gesagt: Sebastian Edathy verstrickt sich in Widersprüche. Ich hoffe, dass wir heute diese Widersprüche auch entweder aufheben oder ausräumen, jedenfalls wissen, wie es tatsächlich gewesen ist, und dann nicht weiter spekulieren müssen, dass noch hundert andere Leute davon gewusst haben.
    Engels: Sie haben es schon angesprochen und es deutete sich ja auch in den letzten Tagen schon an, dass viele SPD-Politiker und auch die Führungsspitze sich um den Kollegen Hartmann schart und Edathy für unglaubwürdig hält. Wie schwierig ist es für Sie eigentlich als Ausschussvorsitzende, da eine Unvoreingenommenheit zu wahren, angesichts der Sorge, die Edathy ja nun mal Ihrer SPD-Fraktion bereitet?
    Högl: Wir arbeiten im Untersuchungsausschuss jetzt ja seit dem Sommer sehr sorgfältig und sehr konzentriert und wir haben bisher auch alle unsere Beschlüsse einstimmig gefasst. Wir haben eine gute Stimmung im Untersuchungsausschuss, die getragen ist von dem gemeinsamen Aufklärungswillen, und da haben wir auch gar keinen Unterschied in der Koalition oder auch mit der Opposition. Als Ausschussvorsitzende ist es meine Aufgabe, sorgfältig aufzuklären. Ich werde heute mit der Befragung auch selbstverständlich beginnen. Und das ist das einzig Entscheidende für mich. Ich habe die Aufgabe, diesen Ausschuss gut zu führen, und ich glaube, ich habe das bisher auch gezeigt. Natürlich ist das keine angenehme Situation, zwei, einen ehemaligen Kollegen und einen aktuellen Kollegen heute als Zeugen befragen zu müssen, aber ich denke, dass das gut geht und ich auch ausreichend objektiv bin, um diesen Aufklärungswillen des Untersuchungsausschusses auch deutlich zu machen.
    "Hervorragende Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der Koalition"
    Engels: Sie loben auch das Klima in der Koalition. Jetzt hat allerdings CSU-Politiker Stephan Mayer auch davon gesprochen, es gäbe widersprüchliche Aussagen sowohl von Edathy als auch von anderen Sozialdemokraten. Und Ihr SPD-Chef Gabriel hat dann gegengehalten, hat das als SPD-Bashing kritisiert. Hängt der Haussegen in der Koalition nicht doch ziemlich schief?
    Högl: Ach, das würde ich jetzt nicht so sagen. Das ist natürlich insbesondere für die CSU auch nicht schön, dass ausgerechnet ihr damaliger Minister Friedrich zurücktreten musste. Das kann ich verstehen, dass da auch Wunden geblieben sind. Aber ich nehme überhaupt keine besondere Konfliktlage jetzt in der Koalition wahr, oder auch ein SPD-Bashing. Das sind einzelne Stimmen, die sich jetzt äußern. Wie gesagt, ich habe da Verständnis für. Deswegen ist es so wichtig, dass wir im Untersuchungsausschuss gut zusammenarbeiten, dort gemeinsam aufklären, und ich arbeite da auch mit den Kolleginnen und Kollegen der Koalition ganz hervorragend zusammen.
    "Auftritt Edathys in der Bundespressekonferenz ist irritierend"
    Engels: Und ist die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht generell schon entwertet dadurch, weil sich ja Edathy ganz bewusst heute vor dem Auftritt bei Ihnen den Fragen der Journalisten bei der Bundespressekonferenz stellt?
    Högl: Ja. Das ist ein Vorgang, der den Ausschuss ganz kräftig irritiert hat. Das ist in der Tat bemerkenswert, dass ein Zeuge zunächst in die Bundespressekonferenz geht und dann in einen Untersuchungsausschuss. Das ist ja auch ausreichend kritisch schon kommentiert worden und wie gesagt, der gesamte Ausschuss ist über dieses Vorgehen irritiert.
    Engels: Das heißt, Herr Edathy hat sich eine Ausgangslage so schlecht wie möglich geschaffen bei Ihnen?
    Högl: Na ja, zumindest ist das nicht optimal, und wie gesagt, diese Widersprüche sind das Entscheidende, dass er sich widersprüchlich geäußert hat im Vorfeld. Das müssen wir heute herausarbeiten. Und ich betone noch mal: Im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gibt es eine Wahrheitspflicht. Das heißt, man muss sowohl richtig, korrekt, also der Wahrheit entsprechend antworten als auch vollständige Angaben machen, und darüber werde ich heute natürlich den zeugen auch belehren.
    Engels: Eva Högl, die Vorsitzende des Edathy-Untersuchungsausschusses von der SPD. Wir sprachen über den angekündigten Auftritt der SPD-Politiker Edathy und Hartmann heute in diesem Ausschuss. Vielen Dank für das Gespräch.
    Högl: Vielen Dank, Frau Engels.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.