Dienstag, 19. März 2024

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EEG-Reform
"Die erneuerbaren Energien sind konkurrenzlos günstig"

Der Ausbau der Ökostromkapazitäten bei der EEG-Reform sei viel zu niedrig angesetzt, sagte der Energie- und Klimaeexperte Tobias Pforte-von Randow im Dlf. Dabei wären die erneuerbaren Energien technisch in der Lage, bis 2030 mindestens 75 Prozent des Stroms zu generieren.

Tobias Pforte-von Randow im Gespräch mit Jule Reimer | 24.09.2020
Windräder stehen auf einem blühenden Rapsfeld in Flonheim, Rheinland-Pfalz
"Wir brauchen ein ganz anderes, positives Bild auf die Erneuerbaren, weil sie die Grundlage für unseren zukünftigen Wohlstand sind", sagt Tobias Pforte-von Randow (picture alliance/Roland Holschneider/dpa)
Mit der am 23.09.2020 beschlossenen Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) will die Bundesregierung sicherstellen, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 65 Prozent des hiesigen Stromverbrauchs durch Ökostrom gedeckt wird. Tobias Pforte-von Randow kritisierte, dass dieser Wert viel zu niedrig sei. Die erneuerbaren Energien hätten in den letzten Jahren unglaubliche Sprünge gemacht und seien konkurrenzlos günstig. Es brauche lediglich die richtigen Rahmenbedingungen, so der Energie- und Klimaeexperte vom Deutschen Naturschutz-Ring (DNR).
Der Offshore-Windpark Butendiek, aufgenommen am 15.08.2016 etwa 30 Kilometer vor der Insel Sylt (Schleswig-Holstein) in der Nordsee. Die Stromproduktion der Windparks in der Nordsee hat sich im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt.
Klimaökonom: "Die Erneuerbaren sind durchaus konkurrenzfähig"
Erneuerbare Energien könnten sich inzwischen mit konventionellen Kraftwerken messen, brauchten aber noch stabile Rahmenbedingungen, sagte Klimaökonom Höhne im Dlf unter Verweis auf eine aktuelle Studie.
Jule Reimer: Mit der EEG-Reform sollen der Ausbau und die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie, Erdwärme und Biomasse beschleunigt werde. Wird das jetzt mit der Reform erreicht?
Tobias Pforte-von Randow: Leider nein. Die EEG-Novelle ist wieder leider nur ein kleiner, kleiner Flickenteppich. Es gibt einige wenige Verbesserungen, aber die grundlegende Entfesselung, die wir bei den Erneuerbaren brauchen, ist es nicht.
"Erneuerbare Energien wurden schlechtgeredet"
Reimer: Warum nicht?
Pforte-von Randow: Grundsätzlich sind die Ausbaumengen, die dort festgestellt werden, viel zu niedrig. Selbst, wenn man annimmt, der Stromverbrauch im Jahr 2030 sind weiterhin nur 580 Terrawatt-Stunden, wird diese Ausbaumenge nicht ausreichen, um es zu erreichen. Wir bräuchten mindestens 75 Prozent Erneuerbare.
Zusätzlich werden die ganzen Dinge, die jetzt diskutiert werden, ob es die Wasserstoff-Strategie ist, ob es die Sektorenkopplung mit immer mehr Erneuerbaren im Verkehrssektor ist, dem nicht gerecht, und das ist ein riesiges Problem. Es ist ein offenes Geheimnis, dass hier einfach die Zahlen kleingeredet werden und kleingeschrieben werden.
Reimer: Was müsste denn stattdessen passieren?
Pforte-von Randow: Wir bräuchten mindestens pro Jahr den Ausbau von sieben Gigawatt Wind an Land mit Onshore und zehn Gigawatt Fotovoltaik. Wir haben unglaubliche ungenutzte Potenziale für Fotovoltaik und natürlich auch für Wind, die einfach nicht genutzt werden. Jahrelang wurden die Erneuerbaren vor allem mit Onshore klein- und schlechtgeredet. Jetzt wundert man sich, dass die Akzeptanz am Boden ist.
Reimer: Onshore – an Land.
Pforte-von Randow: Ja, genau.
Überlandleitungen der Stromtrasse Ultranet sind in einem Rapsfeld in der Nähe von Pulheim ( Rhein-Erft-Kreis / NRW ) westlich von Köln zu sehen. 
Rüsten gegen den Blackout: Unsichere Stromversorgung in Zeiten der Energiewende
Gleich an drei Tagen im Juni 2019 war das Risiko für einen Stromausfall in Deutschland extrem hoch – obwohl das deutsche Stromnetz als eines der sichersten der Welt gilt.
Reimer: Was würden Sie sich da wünschen? Mehr Förderung? Das ist ja gerade das strittige Thema, Subventionen.
Pforte-von Randow: Die erneuerbaren Energien haben in den letzten Jahren unglaubliche Sprünge gemacht und sind konkurrenzlos günstig. Was es braucht, sind die richtigen Rahmenbedingungen. Dafür brauchen wir besser ausgestattete Planungsbehörden. Wir brauchen mutigere Politiker in den Bundesländern, die Flächen ausweisen. Wir müssen die Kommunen befähigen, dass sie auch tatsächlich finanziell davon profitieren. Wir brauchen ein ganz anderes positives Bild auf die Erneuerbaren, weil sie die Grundlage für unseren zukünftigen Wohlstand sind.
"Die Flächen für Erneuerbare sind noch da"
Reimer: Sie sind ja auch Naturschützer und gerade der Ausbau der Windenergie an Land ist umstritten. Da gibt es viele Initiativen, die sagen, das verschandelt die Landschaft, der Rotmilan ist gefährdet. Wie lösen Sie das, wenn Sie sagen, gleichzeitig mehr Windenergie an Land?
Pforte-von Randow: Es sind zwei unterschiedliche Sachen. Aus Naturschutz-Perspektive, vor allem Artenschutz-Perspektive ist natürlich die Windenergie immer ein Eingriff. Wir haben selber dafür Vorschläge gemacht, wie man im Populationsschutz die Artenvielfalt erreichen kann und erhalten kann. Die Flächen in Deutschland für Erneuerbare sind noch da und das vollständig im Einklang mit dem Arten- und Naturschutz. Es muss nur gemacht werden.
Reimer: Erwarten Sie noch Änderungen, wenn das Gesetz durch Bundestag und Bundesrat geht?
Pforte-von Randow: In den vergangenen Jahren war keine EEG-Novelle in den Bundestag und dann so rausgekommen, sondern wir erwarten massive Änderungen. Wir hoffen sehr, dass sie zum Positiven sind und nicht zum Negativen. Das kann auch passieren. Wir werden uns sehr dafür einsetzen, dass hier vor allem die Zahlen noch mal angefasst werden – gerade im Hinblick darauf, dass die deutsche Ratspräsidentschaft gerade eine Anhebung des europäischen Klimazieles vorsieht, die in dieser EEG-Novelle noch überhaupt nicht berücksichtigt ist.
Positive Entwicklungen in China
Reimer: Ein kurzes Wort noch zu China. Die chinesische Regierung hat angekündigt, bis zum Jahr 2060 Klimaneutralität erreichen zu wollen. Wie wirkt das?
Pforte-von Randow: Das ist als erstes mal sehr positiv. Es ist natürlich vollkommen klar, dass das nicht ausreicht, dass einer der wesentlichen Emittenten dieser Welt erst 2060 treibhausgasneutral sein will. Aber es ist eine deutliche Anschärfung des bisherigen Ziels. Vor allem wollen sie jetzt bis 2025 das PIK, die Anhebung der Emissionen gestoppt haben. Es ist vor allem ganz entscheidend, weil damit die EU mit ihrem Green Deal und China vorangehen und die große Hoffnung damit verbunden ist, dass der Multilateralismus wieder gestärkt wird und andere Länder und andere große Emittenten der Welt nachziehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.