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Ehemalige CDU-Wähler zurückgewinnen

Der CDU-Politiker Bosbach hat die Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen aufgerufen, sich auf ihre Stammwähler zu konzentrieren. Die CDU habe sich in den vergangenen Jahren bewusst anders positioniert und damit Stammwähler verunsichert. Wichtig seien nun vor allem eine kluge Wirtschaftspolitik und eine solide Finanzpolitik.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Jasper Barenberg | 06.07.2010
    Jasper Barenberg: Mitgehört hat der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach aus Nordrhein-Westfalen. Auch Ihnen einen schönen guten Morgen, Herr Bosbach.

    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, die Herren!

    Barenberg: Kontinuität oder Erneuerung, in welche Richtung muss die CDU in Nordrhein-Westfalen jetzt gehen?

    Bosbach: Ich glaube, zunächst einmal sollten wir uns darauf konzentrieren, dass uns nicht ein Stammwähler nach dem anderen von der Fahne geht. Das scheint mir im Moment das Wichtigste zu sein. Es ist ja eine Strategie auch gewesen, sich ganz bewusst in den letzten Jahren anders zu positionieren. Der Begriff Arbeiterpartei fiel immer wieder, das hat nicht wenige irritiert, denn in der Union haben auch, aber doch nicht nur Arbeiter ihre politische Heimat, und wenn über 300.000 ehemalige CDU-Wähler meiner Partei den Rücken gekehrt haben, dann sollten wir uns zunächst darum bemühen, die wieder zurückzugewinnen. Das scheint mir, die wichtigste Aufgabe der nächsten Jahre zu sein.

    Barenberg: Herr Laumann, der noch geschäftsführende Arbeitsminister, einer der Kandidaten für den Fraktionsvorsitz in Düsseldorf, er sagt, da besteht kein Bedarf.

    Bosbach: Das kann ich mir nicht vorstellen - ich kenne Karl-Josef Laumann seit langen, langen Jahren, auch aus der gemeinsamen Zusammenarbeit in der CDU-Bundestagsfraktion -, dass er sagt, diejenigen, die der CDU den Rücken gekehrt haben, die Stammwähler, die uns verlassen haben, die wollen wir nicht wieder zurück haben. Das kann ich mir nicht vorstellen.

    Barenberg: Wie ist das zu erreichen, Herr Bosbach? Einen Schwerpunkt auf Wirtschafts- und auf Finanzpolitik zu legen, schlägt Armin Laschet vor, der geschäftsführende Integrationsminister – auch er ein weiterer Kandidat für den Fraktionsvorsitz. Ist das die richtige Richtung?

    Bosbach: Ja, da hat er Recht. Wir müssen uns immer wieder überlegen, aus welchen Gründen mit welchen Motiven wir gewählt werden und nicht die anderen Parteien, und da spielt eine kluge Wirtschafts- und eine vernünftige, ganz solide Finanzpolitik für die allermeisten Wähler eine überragende Rolle, auch wenn man sich gerade die Geschichte der Union einmal ansieht. Das ist untrennbar verbunden, der Begriff Wirtschaftswunder, die Entscheidung für die soziale Marktwirtschaft und gegen den Sozialismus - die war Ende der 40er-Jahre gar nicht leicht durchzusetzen -, diese Entscheidung ist untrennbar verknüpft mit den großen Wahlerfolgen der Union. Es gibt sicherlich auch noch andere Themen, von denen die Menschen der Überzeugung sind, da sind sie bei der Union in guten Händen. Ich nehme mal das Beispiel innere Sicherheit und ein weiteres Thema wird die nächsten Jahre dominieren, insbesondere dann, wenn Rot-Rot-Grün tatsächlich die Axt legt an das bewährte Schulsystem in Nordrhein-Westfalen: Thema Abschaffung oder Amputierung des Gymnasiums. Da wird die Bildungspolitik in den nächsten Jahren eine überragende Rolle spielen in NRW.

    Barenberg: Was muss denn darüber hinaus an Veränderungen jetzt greifen? Welche inhaltlichen Schwerpunkte müssen gesetzt werden, wenn man bedenkt, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen eine schwere Niederlage bei den Landtagswahlen eingefahren hat?

    Bosbach: Ich will mal beispielhaft drei Punkte nennen. Die Addition der Wahlversprechen von Rot-Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist ein gewaltiger Milliardenbetrag. Das würde das Land Nordrhein-Westfalen glatt vor die Wand fahren. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man ruiniert die Landesfinanzen komplett oder man verabschiedet sich von den Wahlversprechen, das wäre dann ein großer Wahlbetrug. Die CDU in Nordrhein-Westfalen wird darauf aufpassen müssen, dass die solide Finanzpolitik von Helmut Linssen in den nächsten Jahren fortgesetzt wird, sodass für die Menschen das, was das Land sich noch leisten kann und den Menschen an neuen Leistungsversprechen anbieten kann, dass das realistisch ist.

    Der zweite Punkt – den habe ich gerade bereits genannt -, das ist das Thema Bildungspolitik. Hier möchte ja Rot-Rot-Grün wirklich alles das, was sich in den letzten Jahren bewährt hat, was man sicherlich noch verbessern darf, was man aber nicht komplett ändern sollte, total umkrempeln.

    Und das dritte Thema ist: Nordrhein-Westfalen muss bereit sein zu sagen, wir waren, wir sind und wir bleiben ein Industrieland im Herzen Deutschlands und Europas. Da spielen Fragen der Infrastrukturpolitik, Energiepolitik, Wirtschaftspolitik eine überragende Rolle. Jenseits des Ergebnisses der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen sage ich, ich habe die wirkliche Befürchtung, dass uns in Deutschland insgesamt langsam, aber sicher der Zusammenhang verloren geht zwischen einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik, also der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes, und der sozialen Leistungsfähigkeit unseres Landes. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, all das auch tatsächlich zu erwirtschaften, was wir an Sozialleistungen unserem Bürger anbieten, dann werden auf Dauer die Staatsschulden nicht sinken, sondern steigen.

    Barenberg: Und der CDU, Herr Bosbach, ist es offenbar nicht gelungen, genau dieses Missverhältnis darzustellen beziehungsweise da die richtige Politik zu machen?

    Bosbach: Ja. Ich glaube, wir müssen deutlich machen, dass wir in Zeiten der Globalisierung, in Zeiten, in denen Grenzen eine immer geringere Bedeutung spielen, in Zeiten, wo völlig neue Volkswirtschaften zu uns in Konkurrenz gehen, die wir noch vor wenigen Jahren als Schwellen- oder Entwicklungsländer bezeichnet haben, die heute mit Produkten in unserer Qualität auf die Märkte kommen, mit Preisen, die wir niemals werden unterbieten können, dass wir uns diesem Wettbewerb stellen müssen.

    Ich sage es noch mal mit anderen Worten: Wenn wir in diesem internationalen Wettbewerb als Industriestandort, als große Volkswirtschaft Bundesrepublik Deutschland nicht erfolgreich sind, werden wir uns vieles nicht mehr leisten können, was wir uns aber auch weiterhin unbedingt leisten wollen und leisten möchten.

    Da spielt das Thema Bildung eine überragende Rolle, das Thema Innovationen eine überragende Rolle, und da muss man politische Schwerpunkte setzen, so wie wir es jetzt beim Sparpaket in Berlin auch getan haben. Daneben wäre mein Rat, immer authentisch bleiben. Die Menschen mögen keine politischen Inszenierungen, die wollen authentische Politiker die sagen, was sie denken, und anschließend tun, was sie gesagt haben.

    Barenberg: Wolfgang Bosbach, der Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Bosbach.

    Bosbach: Ich danke Ihnen.