Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


"Ein Diebstahl bleibt ein Diebstahl"

Siegfried Kauder kritisiert den möglichen Erwerb der Schweizer Bankdaten-CD. Man würde dadurch andere zu ähnlichen Taten animieren. Die illegal beschafften Informationen über Steuersünder dürften darüber hinaus in einem Prozess gar nicht verwertet werden.

Siegfried Kauder im Gespräch mit Bettina Klein | 02.02.2010
    Bettina Klein: Die Zustimmung im Regierungslager zum Ankauf der Daten-CD wächst. Kanzlerin und Bundesfinanzminister haben sich gestern dafür ausgesprochen. Der Bundesinnenminister deutete inzwischen Ähnliches an. Es handele sich um verwertbare Beweismittel und bei der Bezahlung um eine Belohnung für sachdienliche Hinweise. Dieser juristischen Interpretation folgen viele, wenn auch nicht alle in der Koalition. Auf der anderen Seite: wird in Zukunft jeder Bankangestellte in die Versuchung geführt, einfach mal ein paar Datensätze auf CD zu brennen und diese für viel Geld an den deutschen Rechtsstaat zu verkaufen? Ermutigt der Staat auf diese Weise zu kriminellen Handlungen, während er gleichzeitig versucht, Steuerhinterziehung zu verfolgen? Immerhin haben wir es mit so etwas wie modernem Bankraub zu tun, meinte heute Morgen im Deutschlandfunk der Schweizer Politiker Pirmin Bischof, finanzpolitischer Sprecher der schweizerischen Christlichen Volkspartei.

    O-Ton Pirmin Bischof: Hier aber ist schon eine neue Form von Banküberfall. Früher musste man sich auf die Bank begeben und sich dort Geld behändigen mittels einer Waffe; heute kann man das elektronisch tun, indem man Daten klaut. Das darf ein Rechtsstaat nicht schützen, was immer damit für ein Mittel verfolgt wird. Sonst begibt er sich selber in den Verdacht, ein Hehler zu sein. Das erwarten wir von Rechtsstaaten nicht.

    Klein: Der Schweizer Politiker Pirmin Bischof heute Morgen im Deutschlandfunk. – Einer derjenigen Unionspolitiker hier in Deutschland, die sich sehr skeptisch zum Erwerb der Daten-CD geäußert haben, ist kein geringerer als der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Siegfried Kauder, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Kauder.

    Siegfried Kauder: Hallo!

    Klein: Herr Kauder, die Bundeskanzlerin und auch einige Minister haben sich ja für den Standpunkt entschieden, die Daten können und müssen erworben und verwertet werden. Sie haben davor gewarnt. Wird Ihr Standpunkt als Vorsitzender des Rechtsausschusses ausreichend berücksichtigt?

    Kauder: Ich hoffe, dass man sich noch einmal Gedanken macht, ob es sinnvoll ist, sich mit einem Straftäter an einen Tisch zu setzen, ihm ein Angebot zu unterbreiten, dass man Diebesgut abkauft. Ich halte das schon vom moralischen Gesichtspunkt für außerordentlich bedenklich, aber auch rechtlich ist es außerordentlich schwierig. Es könnte eine Hehlerei sein mit der Folge, dass die Daten in einem Prozess gar nicht verwertet werden dürfen.

    Klein: Es scheint in der Bundesregierung noch kein einheitliches Meinungsbild zu geben. Dennoch hat die Bundeskanzlerin sich ja gestern festgelegt. Erwarten Sie denn, dass sie einen Rückzieher unternimmt?

    Kauder: Da müssen Sie allerdings die Bundeskanzlerin fragen. Ich kann nur meine Position darlegen und sagen, dass es ein rechtlich vermintes Feld ist.

    Klein: Dennoch schließt die Bundesregierung sich ja nicht Ihrer Meinung an. Weshalb nicht?

    Kauder: Jeder kann das Recht so anwenden, wie er es für richtig hält. Letztendlich wird ein Gericht darüber entscheiden. Ich kann nur sagen, aus rechtlichen Gesichtspunkten warne ich: Es könnte ins Auge gehen.

    Klein: Sie bilden aber zumindest im Regierungslager eine Minderheitenmeinung ab. Die Bundesregierung ist sich mit großen Teilen der Opposition wie SPD und Grünen, aber auch mit vielen Menschen im Land einer Meinung. Das zählt als Argument für Sie nicht?

    Kauder: Ob etwas Recht oder Unrecht ist, ist nicht mehrheitsfähig, sondern eine Frage der Rechtsanwendung und Rechtsauslegung. Das tun nun mal Gerichte und nicht eine Mehrheitsmeinung.

    Klein: Einige Argumente derjenigen, die das Verfahren für unbedenklich halten, würde ich Ihnen gerne noch einmal vorlegen. Von Datenklau könne keine Rede sein, so eine Argumentation, denn wir wissen nicht, wie der Informant an diese Daten gekommen ist und jedenfalls nicht auf dem Wege des Diebstahls, denn Daten sind keine Sache, höchstens unbefugte Verwertung oder Mitteilung eines Geheimnisses. Das heißt, von Diebstahl kann nach dieser Interpretation ja keine Rede sein?

    Kauder: Eine CD ist eine Sache und eine Hehlerei bleibt eine Hehlerei und ein Diebstahl bleibt ein Diebstahl. Auch geistiges Eigentum kann man stehlen. Die Argumentation verfängt nicht.

    Klein: Auch Hehlerei treffe nicht zu, so heißt es, denn auch das beschränke sich laut Gesetz auf körperliche Gegenstände. Das stimmt auch nicht?

    Kauder: Die CD, die übergeben wird, ist ein körperlicher Gegenstand.

    Klein: Aber es geht um Daten, die darauf gespeichert sind, und die Rechtsinterpretation, die das für unbedenklich hält, sagt, Daten sind eben keine Gegenstände, sondern Sachen. Also Sie glauben, dass das rechtlich nicht haltbar ist?

    Kauder: Ich bin der Meinung, dass es rechtlich sehr wohl einschlägig ist: § 259 StGB. Wer anderer Meinung ist, wird sich möglicherweise, wenn es zu einer Gerichtsentscheidung kommt, belehren lassen müssen.

    Klein: Herr Kauder, was konkret befürchten Sie denn, wenn man jetzt genauso verfährt, wie die Kanzlerin vorgeschlagen hat, nämlich diese Daten erwirbt und sie dann nutzt als sachdienliche Hinweise, für die eine Belohnung gezahlt wird, um eben Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen?

    Kauder: Dass man damit künftige Straftäter animiert, solche Taten zu wiederholen. Wenn, dann müsste man ja konsequent sein, müsste bei der Übergabe der CD einen Polizeibeamten mitnehmen, der diesen Mann oder diese Frau, der die CD übergibt, festnimmt.

    Klein: Kann man das Interesse an illegal beschafften Daten gleichsetzen mit anderen Konstellationen, wo es eben auch gilt, man kann sozusagen nicht illegal erworbene Beweismittel für die Strafverfolgung heranziehen?

    Kauder: Der Staat muss sich genau überlegen, ob er sich mit einem Straftäter an einen Tisch setzt. Nicht Gerechtigkeit um jeden Preis, sondern Gerechtigkeit unter Beachtung der strafprozessualen Vorschriften, und in diesem Fall könnte es zu einem Verwertungsverbot führen. Ich hielte das für katastrophal, es wäre hinausgeworfenes Geld, Geld des Bürgers, und das sollte man nicht tun.

    Klein: Man kann sich auch fragen, so sagen die Befürworter eines Kaufes der CD, ob auch illegale Geheimnisse geschützt werden sollten. Sollten sie das?

    Kauder: Ich verstehe nicht, was da unter illegalen Geheimnissen gemeint ist. Es sind nun mal geschützte Daten und nach Schweizer Recht – und darum geht es ja – sind die nicht illegal.

    Klein: Aber die Menschen, um die es geht, geraten ja in Konflikt mit dem deutschen Gesetz und die Frage ist, sollen diese Daten geschützt werden, durch die man denen auf die Spur kommt?

    Kauder: Man darf nicht unterscheiden zwischen Daten, die der Staat braucht zur Strafverfolgung, und Daten, die er nicht braucht. Entscheidend ist, dass diese Daten in illegale Hände geraten sind, das darf der Staat nicht fördern, indem er dafür Geld ausgibt.

    Klein: Herr Kauder, abschließend die Frage: Wie geht es jetzt weiter bei der Meinungsfindung in der Koalition und in der Union? Ich habe es angedeutet: Es gibt in der Bundesregierung kein einheitliches Meinungsbild, die Bundeskanzlerin hat sich festgelegt. Was ist denn, wenn man Ihren Bewertungen und Ihren Befürchtungen keine Folge leistet? Man kann sich an der Stelle auch fragen: Wie viel Wert hat das Gewicht eines Rechtspolitikers wie Sie?

    Kauder: Wenn man meiner Meinung nicht folgt, dann wird es möglicherweise in Verfahren, die auf diese Informationen gestützt werden, zu Problemen kommen und das möchte ich vermeiden.

    Klein: Aber Möglichkeiten, die Bundesregierung davon noch zu überzeugen, sehen Sie nicht, oder doch?

    Kauder: Hallo!

    Klein: Das war der zweite Versuch des Gesprächs mit Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Uns hat zum zweiten Mal die Telefonleitung im Stich gelassen. Wir bitten um Entschuldigung dafür und hoffen, dass einige der Standpunkte dennoch deutlich geworden sind.