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"Ein eindeutiger Rückschlag"

Nach der jüngsten Pannenserie beim Kernkraftwerk Krümmel hat Ivo Banek, Kommunikationsleiter von Vattenfall Europe in Hamburg, Versäumnisse bei der Informationsweitergabe und dem Einbau einer Überwachungseinrichtung eingeräumt. Technisch sei jedoch "wenig pasisert", weshalb der Vorfall nicht zu einer Beinahekatastrophe hochstilisiert werden dürfe.

Ivo Banek im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Und am Telefon ist Ivo Banek, er ist der Kommunikationsleiter von Vattenfall Europe in Hamburg, eine der Betreiberfirmen des AKW Krümmel. Guten Morgen, Herr Banek!

    Ivo Banek: Guten Morgen!

    Engels: Nehmen Sie diese Ankündigung von Ministerpräsident Carstensen ernst?

    Banek: Ja, das nehmen wir sehr ernst. Ich kann auch gut verstehen, dass der Ministerpräsident und auch andere wütend sind und enttäuscht sind, weil sie etwas anderes erwartet haben. Dazu muss man sagen, dass technisch wieder eigentlich wenig passiert ist, die Sicherheitssysteme haben bei der Schnellabschaltung alle einwandfrei funktioniert. Es gab auf dem Weg der Information der Aufsichtsbehörde am Samstag eine Verzögerung unsererseits, und die ist nach meiner Sicht der Auslöser des Ärgers, der sich daraus entwickelt hat.

    Wir haben in den ersten 40 Minuten nicht direkt aus dem Kraftwerk in der Aufsichtsbehörde, dem Kieler Sozialministerium, angerufen und informiert, sondern wir haben zunächst die Polizei informiert, was auch üblich ist, und über die Polizei kam die Information dann zum Sozialministerium. Das war ein Weg, der aus unserer Sicht nicht so war, wie er sein sollte, und das hat dazu geführt, dass die Behörden und eben auch der Ministerpräsident das Gefühl hatten, sie erfahren erst aus zweiter Hand statt von uns direkt, was dort passiert ist. Und das ist natürlich überhaupt nicht unser Anspruch.

    Unser Anspruch ist, wir informieren als Erste. Und das hat zu dieser Kette von Verärgerungen geführt, die ich gut verstehen kann, und wir nehmen die Ankündigung sehr ernst und auch die Aufruf, das für die Zukunft gefälligst zu verbessern.

    Engels: Herr Banek, das klingt danach, dass es ein einmaliges Versäumnis sei, es wurde aber auch bekannt, dass versäumt wurde, eine notwendige Überwachungseinrichtung einzubauen oder zu installieren. Wie kann denn so etwas passieren?

    Banek: Das fragen wir uns auch. Das sind wir gerade dabei aufzuarbeiten. Wir haben am Wochenende nach der Schnellabschaltung sofort angefangen mit allen Kräften aus dem Unternehmen uns darum zu kümmern, wie es dazu kommen konnte, dass dieser Kurzschluss in dem Transformator am Samstag entstehen konnte. Das ist ja ein Schaden, wie er uns vor zwei Jahren schon einmal fast gleichartig, technisch gleichartig, passiert ist. Und eben dieser Trafo war ja in diesen zwei Jahren genau untersucht worden. Und nun ist festgestellt worden nach dem Wochenende, dass wir hier eine Überwachungseinrichtung, die wir dort hätten einbauen sollen und die wir auch einbauen wollten, nicht eingebaut haben, weil offenbar im Kraftwerk nicht nachverfolgt wurde, ob dieser Einbau, der technisch eigentlich keine aufwendige Sache ist, auch durchgeführt wurde.

    Das versuchen wir gerade rauszufinden, wie das geschehen konnte, dass an so einer wichtigen Stelle etwas übersehen wurde. Eine Konsequenz haben wir daraus gestern gezogen, indem der Kraftwerksleiter dafür die Verantwortung übernommen hat und um die Entbindung von seinen Aufgaben gebeten hat, und dem sind wir nachgekommen.

    Engels: Es scheint aber auch ein gewisses internes Kommunikationsproblem bei Vattenfall zu geben. Hätte man nicht besser Vorsorge treffen müssen, denn Krümmel sollte doch mittlerweile bei Ihnen aufgrund des politischen Gewichts Chefsache sein?

    Banek: Krümmel ist Chefsache, deswegen war ja auch gestern Tuoma Hatakka, unser Deutschlandchef, beim Ministerpräsidenten Carstensen. Wir arbeiten mit allen Kräften daran, aber wir haben natürlich nicht die Möglichkeit, in jede Unterlegscheibe die ganze Zeit über reinzugucken. Und hier ist irgendetwas passiert an einer Stelle, die wir jetzt versuchen aufzuklären, wo etwas übersehen wurde. Krümmel ist Chefsache die ganzen zwei Jahre gewesen, seit dem Trafobrand von 2007. Damals haben wir ja schon einmal die Schlagzeilen beherrscht mit Krümmel, und wir haben seitdem, denke ich, gute Fortschritte gemacht sowohl in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit als auch mit der Politik als auch in der Sicherheitskultur im Kraftwerk und im Betrieb der Kernkraftwerke, die wir insgesamt in Deutschland und in Schweden betreiben.

    Und dieses am Wochenende Geschehene ist ein eindeutiger Rückschlag auf dieser Richtung, und wir werden alles daran setzen, dass es bei diesem einmaligen Rückschlag bleibt und dass wir weiter den Weg der Verbesserung gehen.

    Engels: Es ist ja nicht die erste Panne bei Krümmel, Krümmel sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Wann ist der Punkt erreicht, wenn Krümmel allein schon aus Imagegründen für Vattenfall nicht mehr tragbar ist?

    Banek: Also Image muss man sehr ernst nehmen, weil es dazugehört, dass wir eine Lizenz zum Betrieb der Kraftwerke von der Gesellschaft benötigen. Wir müssen um das Verständnis, die Akzeptanz dieser Technologie und den Betrieb unserer Kraftwerke öffentlich werben. Das ist das, was ich unter Image verstehe. Ich glaube aber, dass wir da, auch wenn es im Augenblick zugegebenermaßen von den Schlagzeilen her nicht so aussieht, auf dem richtigen Weg sind. Wir haben an diesem Wochenende ganz anders reagiert als vor zwei Jahren. Wir haben sofort die Öffentlichkeit mit allen Informationen, die uns vorlagen, versorgt. Wir haben Einblicke gewährt, wir haben Greenpeace beispielsweise zu dem Pressetermin einen Tag nach der Reaktorschnellabschaltung eingeladen und uns auch dieser Diskussion öffentlich gestellt. Also ich glaube, wir haben ein großes Maß an Transparenz und Offenheit gezeigt, und ich bin eigentlich sehr sicher, dass dieser Weg sich auch, wenn wir aus der aktuellen Krise, die dadurch imagemäßig entstanden ist, wieder raus sind, dass dieser Weg sich dann auch auszahlt und bemerkbar macht.

    Engels: Das heißt, Sie wollen Krümmel auf jeden Fall weiter betreiben?

    Banek: Jetzt müssen wir zunächst mal die technische Aufarbeitung machen und sehen, was da eigentlich vorgefallen ist. Wir haben gestern eine wichtige Entscheidung getroffen, was die Transformatoren angeht, dass die ersetzt werden. Wir werden also nicht mit den alten bisherigen Transformatoren weiter versuchen durch Reparatur zu arbeiten, sondern wir werden sie durch neue austauschen. Dann müssen wir das Weitere aufarbeiten, also eben die Frage, die Sie gerade angesprochen haben, wie konnte es sein, dass hier an einer wichtigen Stelle übersehen wurde, dass eine Arbeit nicht ausgeführt wurde – das muss für die Zukunft ausgeschlossen sein. Und danach muss man sich dann die Karten legen und sehen, wie es mit Krümmel weitergeht.

    Engels: Das heißt, es könnte auch sein, dass Krümmel abgeschaltet wird?

    Banek: Nach jetziger Zeit ist das nicht geplant, weil wir ja zwei Ebenen haben. Das ist die technische Seite, da müssen wir sehen, dass eigentlich der Vorfall, wie er geschehen ist, keine Bedrohung dargestellt hat, auch nicht für die Sicherheitseinrichtungen des Kraftwerks, die haben alle einwandfrei funktioniert, auch die Mannschaft hat einwandfrei gearbeitet am Wochenende, was das ganze Thema Sicherheit angeht. Das ist ja erst mal unser wichtigster Maßstab, dass wir sehen, ist in diesem Bereich irgendetwas eingefallen, wovon wir ausgehen müssen, dass es dann die Sicherheit beeinträchtigt. Das ist nach bisheriger Erkenntnis nicht der Fall, wir sind da noch in der Aufarbeitung. Und das andere Thema, über das wir gesprochen haben, nämlich das öffentliche Ansehen, das ist etwas, von dem ich glaube, dass wir damit eben auch tatsächlich Fortschritte machen.

    Engels: Aber Sie riskieren, dass Sie mit einem unzuverlässigen Krümmel immer wieder Kernkraftwerksgegnern bei SPD und Grünen auch im Bundestagswahlkampf neue Argumente an die Hand geben?

    Banek: Das ist natürlich so, dass jedes Ereignis in einem Kernkraftwerk, vor allen Dingen dann in einem Wahlkampf, Munition liefert für die Gegner. Das ist bedauerlich und das ist eine Realität, die wir einfach ja feststellen müssen, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. Das ist, wenn man fragt, ist das ein glücklicher Zeitpunkt, bin ich gestern häufiger gefragt worden, ist natürlich nie ein glücklicher Zeitpunkt für eine Reaktorschnellabschaltung, aber in einem Vorwahlkampf oder Wahlkampf ist es natürlich besonders schwierig, weil dann alle Schlagzeilen sofort durch die politische Debatte befeuert werden. Ich glaube insgesamt allerdings, dass sich eine politische Debatte, die sich aus Angst speist, nicht auszahlen wird. Also ein Wahlkampf, der mit den Ängsten der Bürger spielt und der ein technisch eigentlich nicht sehr bedeutendes Ereignis in einem Kernkraftwerk zu einer Beinahekatastrophe hochstilisiert, dass der sich letztlich nicht auszahlt und auch nicht zusätzliche Stimmen bringt.

    Engels: Ein Wechsel der Atomaufsicht von den Ländern an den Bund, würde das etwas für Sie ändern?

    Banek: Das ist eine Entscheidung der Politik. Wir stellen uns der staatlichen Aufsicht, das ist in Deutschland ein gut etabliertes System, ein sehr strenges und gründliches System, das ist auch gut und richtig so. Wir stellen uns dieser staatlichen Aufsicht, und ob die durch die Länder oder durch den Bund ausgeführt wird, das ist allein Sache der Politik, zu entscheiden.

    Engels: Ivo Banek, Kommunikationsleiter von Vattenfall Europe in Hamburg, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Banek: Ich danke auch!