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"Ein Ja zur Konferenz"

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet hat an die großen muslimischen Verbände appelliert, weiter an der von der Bundesregierung initiierten Islamkonferenz teilzunehmen. Ein Boykott würde den Muslimen schaden. Das sei den Verbänden auch bewusst.

Armin Laschet im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Zwischen muslimischen Einwanderern und Deutschen gibt es nach wie vor eine Menge Missverständnisse. Muslime sehen sich oft mit Vorurteilen konfrontiert, viele Deutsche fürchten sich dagegen vor dem Einfluss der muslimischen Kultur. Um beide Seiten ins Gespräch zu bringen, wurde vor vier Jahren die deutsche Islamkonferenz gestartet. Initiator war Wolfgang Schäuble, damals noch Innenminister. Sein Nachfolger, Thomas de Maizière, will die Konferenz fortsetzen, hat sich aber bei den muslimischen Gruppen zuerst mal unbeliebt gemacht. Muslimische Verbände erwägen sogar einen Ausstieg aus der geplanten zweiten Islamkonferenz.

    In Düsseldorf treffen sich nun heute auch die für Integrationspolitik zuständigen Landesminister zum Gedankenaustausch. Dabei wird es auch um den Dialog mit den Muslimen in Deutschland gehen. – Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit Armin Laschet von der CDU, dem Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen. Schönen guten Morgen, Herr Laschet.

    Armin Laschet: Guten Morgen!

    Armbrüster: Können Sie verstehen, dass die großen Islamverbände zögern mit einer Zusage zur Islamkonferenz?

    Laschet: Nein, das kann ich nur wenn überhaupt sehr begrenzt verstehen, denn die Einladung des Bundesinnenministers zu einer zweiten Runde der deutschen Islamkonferenz ist ausgesprochen. Sie soll jetzt in eine praktische Phase gehen, wo über konkrete Fortschritte im Verhältnis zwischen Staat und Religion verhandelt werden soll.

    Und wenn eine Organisation zurzeit gegen sich strafrechtliche Ermittlungen laufen hat und nicht wegen Kleinigkeiten, sondern wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Bildung einer kriminellen Vereinigung, dann ist es nur folgerichtig, dass ein Bundesinnenminister sagt, ich lasse die Mitgliedschaft ruhen, bis diese Vorwürfe geklärt sind, und eigentlich sollten die anderen Verbände auch dies akzeptieren.

    Armbrüster: Aber immerhin gehören zum Islamrat, um den es ja dabei geht, 300 Moscheen in Deutschland. Werden die Gläubigen dort nicht alle in Kollektivhaftung genommen?

    Laschet: Nein, das glaube ich nicht, denn wenn die Führungsspitze dieser Organisationen so agiert und dies wohl, wie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sagen, seit Jahren, wenn das genau die Akteure waren, die bisher an der Islamkonferenz teilgenommen haben, dann muss man hier auch als Staat ein klares Signal setzen. Wir wollen den Dialog mit dem Islam, wir wollen den Dialog mit den Muslimen, wir wollen mit deren Ansprechpartnern sprechen, aber bestimmte Verhaltensweisen sind nicht akzeptabel. Und deshalb: Sobald die Vorwürfe geklärt sind, kann der Islamrat wieder teilnehmen, aber die anderen Verbände sollten jetzt die Chance nutzen, mit dem Dialog zu beginnen.

    Armbrüster: Setzen die Verbände mit ihrer zögerlichen Haltung jetzt Sie und auch die Bundesregierung unter Druck?

    Laschet: Ich glaube nicht, dass man die Bundesregierung oder auch die für Integration zuständigen Minister unter Druck setzen kann. Das Angebot liegt auf dem Tisch und ich bin auch zuversichtlich, dass die anderen Verbände nicht heute – ich glaube, heute ist die Entscheidung noch einmal vertagt -, aber schon in den nächsten Tagen zu einer Entscheidung kommen, und ich appelliere auch noch einmal an die Verbände, dass das ein Ja zur Konferenz ist. Da sollen auch alle Themen erörtert werden. Wenn die Verbände andere Wünsche an Themen haben, glaube ich, sollte man da offen sein, denn das gehört zum Dialog, dass jeder Themen bestimmen kann. Aber ein Boykott würde am Ende den Muslimen selbst schaden und ich glaube, das ist den Verbänden auch bewusst.

    Armbrüster: Was würde es denn für Sie und die deutsche Politik bedeuten, wenn die Verbände aussteigen?

    Laschet: Ich würde nicht davon ausgehen, dass sie aussteigen. Solange diese Entscheidung noch nicht da ist, will ich auch darüber nicht nachdenken.

    Armbrüster: Aber es wäre ja eine herbe Niederlage?

    Laschet: Ich gehe davon aus, sie werden teilnehmen, und wenn sie klug sind, werden sie auch teilnehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so unklug sind, den Dialog mit dem Staat einzustellen.

    Armbrüster: Die Islamkonferenz existiert nun seit 2006. Was hat sie eigentlich bisher gebracht?

    Laschet: Ich finde, es ist schon viel in Bewegung geraten. Wir haben seit 50 Jahren Muslime im Land, spätestens seit der Einwanderung aus Marokko und 1961 der Türkei, und es hat bis zum Jahre 2006 gedauert, ehe ein Innenminister gesagt hat, der Islam ist Teil der deutschen Gesellschaft. Es leben vier Millionen Muslime im Land und die werden auch auf Dauer hier bleiben. Und dass man dann das Verhältnis des Staates zu einer solchen Religion klärt, dass man über Fragen wie Religionsunterricht, wie Bestattungsregelung, wie den Bau von Moscheen strukturiert spricht, ist ein großer Fortschritt und insofern ist da das Eis gebrochen. Aber ein solcher Prozess kann lange dauern. Der Islam ist nicht organisiert wie eine Kirche, wo es ein Oberhaupt gibt, mit dem man dann zu verbindlichen Regelungen kommen kann, und deshalb ist der Prozess mühsam, aber er ist wichtig, wenn man unterschiedliche Religionen in unserem Lande anerkennen will.

    Armbrüster: In dieser Konferenz sitzen sich aber nun mehrere unerbittliche Gegner gegenüber: auf der einen Seite eben streng gläubige Muslime, auf der anderen Seite Islamkritiker wie Necla Kelek, die den Islam im Grunde für unvereinbar halten mit westlichen Werten. Was kann denn eigentlich dann bei einer solchen Konferenz herauskommen?

    Laschet: Diese erste Runde hat ja in der Tat zu großen, auch inhaltlichen Spannungen geführt. Deshalb ist es richtig, dass der Bundesinnenminister gesagt hat, A es bleibt dabei, dass auch Einzelpersönlichkeiten, die muslimischen Glaubens sind, an dieser Konferenz teilnehmen, auch kritische Stimmen in Zukunft teilnehmen, aber er hat die Besetzung gewechselt, denn keiner von den zehn Hinzugerufenen wie Frau Kelek beispielsweise können für den Islam sprechen. Sie können für sich selbst sprechen. Navid Kermani beispielsweise, ein Schriftsteller, hat das auch betont. Er hat gesagt, ich bin Muslim, aber ich kann nicht für Zehntausende Menschen sprechen, denn ich bin nur eine Einzelpersönlichkeit, die ihre Vorstellungen vom Islam hat.

    Deshalb ist es klug, dass die Persönlichkeiten gewechselt sind. Dass da auch erneut kritische Stimmen mit dabei sind, tut, glaube ich, diesem Dialog gut, und so hat man die breite Spanne von Muslimen erfasst, denn die Verbände vertreten nur 20 Prozent der Muslime, 80 Prozent gehören keinem dieser Verbände an und auch die müssen eine Stimme haben.

    Armbrüster: Der türkische Premierminister Erdogan hat nun in diesen Tagen bei einer Veranstaltung gesagt, dass die europäische Kultur mit der türkischen geimpft werden müsse. Was sagt uns das über das Verhältnis von Türken und Deutschen?

    Laschet: Ich glaube, der Premierminister Erdogan sagt manchmal kluge, aber manchmal auch weniger kluge Aussagen. Die letztere gehört dazu. Er sollte sich nicht so sehr um die Menschen in Deutschland kümmern, die Teil unserer Gesellschaft sind. Ich glaube, die brauchen keinen Fürsprecher in einem anderen Land. Die wollen auch hier niemanden impfen, sondern die wollen als Staatsbürger in unserem Land mit uns leben, und ich glaube, das ist eine interne deutsche Angelegenheit, wie wir die Organisation zwischen Staat und Religion voranbringen, wie wir in den Dialog eintreten. Da brauchen wir keine Ratschläge von Herrn Erdogan. Wir tun das gleiche ja auch nicht in der Türkei.

    Armbrüster: Aber zeigt uns das Ganze nicht, dass wir manchmal vielleicht etwas blauäugig an Integrationsfragen herangehen?

    Laschet: Integrationsfragen sind keine Islamfragen. Das ist eine wichtige Frage, weil Religion für alle Menschen wichtig ist, aber Integration ist vor allem eine soziale Frage, eine Bildungsfrage. Integration gelingt durch Sprachförderung, durch Bildungschancen in den Schulen, durch Aufstiegsmöglichkeiten für die Kinder, die bei uns leben. Also es gibt viele, viele Fragen, die in der Integrationspolitik eine große Rolle spielen. Damit beschäftigen wir uns auch auf dieser Konferenz. Das ist auch Aufgabe in fast allen deutschen Ländern und in den Städten, wo Integration vor Ort gelingt. Die Religionsfrage ist eine wichtige, aber ist nicht die alles dominierende Frage.

    Armbrüster: Armin Laschet, der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, zum aktuellen Stand in Sachen Islamkonferenz. Vielen Dank, Herr Laschet, für das Gespräch und einen schönen Tag noch.

    Laschet: Bitte schön.