Heinemann: Gemessen an den Umständen im Siemenskonzern ist die CSU geradezu sorgenfrei. Während in der Münchener Parteizentrale nur ein Kampf um die Nachfolge eines erfolgreichen Ministerpräsidenten und Parteichefs entbrannt ist, kommt in der Konzernzentrale des Technologieriesen noch eine Korruptionsaffäre hinzu, Zweifel an der fachlichen und moralischen Eignung des Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld und gewaltige Imageschäden durch die Art und Weise, wie BenQ abgestoßen wurde, sowie die Ankündigung einer üppigen Erhöhung der üppigen Vorstandsgehälter in einem Atemzug mit der Entlassung Tausender Mitarbeiter.
Die EU-Kommission hat pünktlich zur Hauptversammlung eine Kartellstrafe in der Rekordhöhe von rund 419 Millionen Euro auferlegt, gegen die sich Siemens juristisch zur Wehr setzen will. Der Konzern soll sich maßgeblich an einem Kartell für Schaltanlagen beteiligt haben. Schlimmer geht's nimmer, Albtraum Siemens, kommentiert heute oder überschreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung heute einen Kommentar, und das haben die Mitarbeiter nicht verdient, die die Welt mit Spitzentechnologie versorgen. Auch die Aktionäre werden heute in München deutliche Worte finden für Nieten in Nadelstreifen.
Zur Hauptversammlung wird sich auch Daniela Bergdolt begeben, sie ist in Bayern Landesgeschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Guten Morgen!
Bergdolt: Guten Morgen!
Heinemann: Frau Bergdolt, welche Fragen möchten Sie den Vorständen des Unternehmens heute gern stellen?
Bergdolt: Sie haben es ja schon angerissen, natürlich wollen wir auch wissen: Wie konnte so was passieren? Und was mich natürlich besonders interessiert: Was wird man in der Zukunft tun, damit so etwas eben nicht mehr passiert? Denn Vergangenheitsbewältigung ist die eine Sache, aber die Implantierung von Strukturen, die so etwas verhindert, selbst wenn es kriminelle Machenschaften sind, das ist doch das Wichtige. Und was natürlich auch noch interessant ist, Sie haben es angesprochen, ist diese Frage der Kartellstrafe. Man hat so ein bisschen das Gefühl, da sind lauter Eisberge, von denen wir vielleicht nur die Spitze sehen, und da kommen möglicherweise noch andere Strafen auf uns zu. Im Moment ist es ja nur die Europäische Kartellbehörde, die die Strafe ausgesprochen hat. Wer weiß, ob aus USA noch was kommt oder aus anderen Ländern. Ja, und dann gibt es ja auch noch ein operatives Geschäft, das sollten wir nicht vergessen, über das sollten wir schon auch noch sprechen auf dieser Hauptversammlung.
Heinemann: Was das Wiederholen von Fehlern betrifft, welche Antwort erwarten Sie da?
Bergdolt: Ja gut, man hat Kommissionen eingesetzt, man hat eine Anwaltskanzlei und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt. Ich hoffe, dass der Vorstand inzwischen schon so weit ist, dass sie jedenfalls ein Skelett von Maßnahmen uns zeigen kann. Sicher kann er noch nicht bis ins Detail, weil die Ermittlungen sind ja noch nicht abgeschlossen, uns sagen, was man tun muss. Aber ein gewisses Maßnahmenprotokoll, das jetzt schon mal implantiert wird, das sollten wir schon hören heute.
Heinemann: Was heißt das konkret, also wie sieht die Wirbelsäule des Skeletts aus?
Bergdolt: Ja gut, wie kontrolliert man die Mitarbeiter. Es war ja schon implantiert das Vier-Augen-Prinzip, das scheint aber nicht zu reichen, reicht natürlich nicht, wenn sich hier ein Bereich oder verschiedene aus einem Bereich zusammentun, und dann sind die vier Augen, die hier Schecks unterzeichnen, halt leider schon mit Korruption befallen, sondern da muss es noch weitere Überprüfungsmöglichkeiten geben, weitere Kontrolle, und wie die aussieht, das würde ich gerne wissen.
Heinemann: Frau Bergdolt, Ihre Vereinigung, die DSW, auch die Privatanleger SDK und ISS, also der Institutional Shareholder Service, wollen den Vorstand heute unter Umständen nicht entlasten. Rechnen Sie damit, dass den Vorständen heute das Vertrauen nicht ausgesprochen wird?
Bergdolt: Das ist sehr schwer von hier aus und im Moment zu beurteilen. Wir werden auf jeden Fall den Vorstand nicht entlasten, weil wir sagen, er ist zu spät mit dieser Neuigkeit, mit diesem Korruptionsfall an die Öffentlichkeit gegangen. Man hat es völlig unterschätzt, dieses Problem, und dann hat man nicht proaktiv gehandelt. Man hat sich also treiben lasse, es war ein Jammerspiel, wie man gesehen hat. Jeden Tag wurde was Neues veröffentlicht in der Zeitung, und dann kam eine Reaktion von Siemens. Entweder hat man scheibchenweise wieder was zugegeben, ja, da gibt es noch was, oder man hat scheibchenweise irgendeine Maßnahme mitgeteilt. Ich erwarte von einem Vorstand eines Weltunternehmens mehr. Ich erwarte, dass er proaktiv das löst, dass er sich hinstellt und sagt, so, also jetzt haben wir dieses Problem, und dann haben wir folgende Lösung und folgende Ermittlungen beginnen wir, und dass man nicht das Gefühl hat, die Presse treibt den Vorstand vor sich her.
Heinemann: Wer ist Ihrer Meinung nach verantwortlich für die Korruptionsaffäre, spielen die Namen Kleinfeld und von Pierer da eine Rolle?
Bergdolt: Ich glaube, dass man keine persönliche Verantwortung im Moment jedenfalls aussprechen kann, denn man muss schon etwas aufpassen. Die Frage ist, wie man auf Probleme reagiert, wie man sie in die Öffentlichkeit bringt, also informiert, und die Frage, ist jemand persönlich verantwortlich dergestalt, hat er es gewusst, und hat er es geduldet. Ich wehre mich ganz vehement gegen Vorverurteilungen. Die Ermittlungsverfahren auch der Staatsanwaltschaft sind nicht abgeschlossen. Wir wissen im Moment nicht, wer wirklich etwas gewusst. Solange das nicht klar auf dem Tisch liegt, darf man nicht vorverurteilen und sagen, er wird es schon gewusst haben. Das kann nicht sein.
Heinemann: Nun hat erst gestern das Wall Street Journal unter Berufung auf Zeugenaussagen berichtet, dass die Vorstände Kaeser und Lamprecht in das System der schwarzen Kassen verwickelt sein sollen. Siemens hat das umgehend dementiert. Wem glauben Sie?
Bergdolt: Nochmals: Es gilt das Unschuldsprinzip. Ich glaube an die Ermittlungsverfahren einer Staatsanwaltschaft. Wenn ich deren Ergebnisse habe, dann werde ich hierüber ein Urteil fällen, aber nicht vorher.
Heinemann: Frau Bergdolt, die "Süddeutsche Zeitung" hat Sägegeräusche an den Stuhlbeinen des Vorstandsvorsitzenden vernommen. Wird das heute Klaus Kleinfelds letzte Hauptversammlung?
Bergdolt: Ich glaube es, ehrlich gesagt, nicht, weil man muss schon auch noch eines sehen: Es gibt natürlich diese Korruptionsvorwürfe und es gibt sicher ein Fehlverhalten in Information und Behandlung der Affäre, aber es gibt auch ein operatives Geschäft, und das operative Geschäft läuft gut. Herr Kleinfeld hat hier Maßnahmen eingeleitet, die dazu geführt haben, dass das Ergebnis der Aktie sich verbessert hat, dass der ganze Konzern auf eine positive Rendite, Ziele ausgerichtet wurden, die wirklich implantiert wurden und die auch erfüllt werden. Das heißt, das operative Geschäft läuft sehr gut, das darf man nicht vergessen, und daran muss man auch einen Herrn Kleinfeld messen und nicht nur an Korruptionsvorwürfen.
Heinemann: Hätte er dann doch eine Gehaltserhöhung verdient?
Bergdolt: Ich bin grundsätzlich dafür, dass man Vorstände gut bezahlt. Lieber bezahlt man sie gut, als dass sie auf andere Ideen kommen, um das mal so deutlich zu sagen. Aber diese 30 Prozent, die man sich da gegeben hat zu einem Zeitpunkt, als man im Prinzip im Konzern überall über Restrukturierung und Entlassungen nachdenkt und diese auch durchführt, das war einfach völlig danebengegriffen, das kann man niemandem mehr vermitteln, und das war ein Fehler. Wie gesagt, gute Bezahlung, auch angemessene Erhöhung, Ja! Jeder normale Arbeitnehmer will eine angemessene Erhöhung haben, warum soll das ein Vorstand nicht bekommen. Aber mit Maß und Ziel und auch mit einem Augenmerk auf das, was in einem Unternehmen geschieht.
Heinemann: Wie groß ist der Imageschaden durch die Gehaltserhöhungsdiskussion und BenQ?
Bergdolt: Es ist sicherlich ein Imageschaden entstanden, wobei ich bei BenQ etwas vorsichtig bin. Man darf nicht vergessen, BenQ war ausgelagert und verkauft. Wenn, dann hat der Vorstand Fehler gemacht beim Verkauf oder bei der Prüfung der Seriosität und der Liquidität des Käufers. Nachher den Konkurs oder die Insolvenz dem Vorstand von Siemens vorzuwerfen, finde ich jetzt etwas weit hergeholt. Aber nichtsdestotrotz: Der Imageschaden ist da, und zwar durch mehrere Vorfälle, da kommt die Korruption, da kommt BenQ, da kommt die Gehaltserhöhung, jetzt haben wir die Kartellsache. Siemens, der Name, der früher für Nachhaltigkeit, Qualität, Seriosität gestanden hat, ist wirklich demontiert im Moment in der Öffentlichkeit.
Heinemann: Frau Bergdolt, besteht die Gefahr, dass Länder, die der Korruption den Kampf angesagt haben, Siemens von öffentlichen Aufträgen ausschließen werden?
Bergdolt: Dann, wenn jetzt nicht klar gesagt wird, wie wir dem Problem in der Zukunft begegnen und wie wir verhindern, dass es wieder passiert, dann ist diese Gefahr da.
Heinemann: Siemens besteht mit seinen Sparten wie Medizin- oder Energietechnik im Grunde aus elf verschiedenen Unternehmen. Sehen Sie oder beobachten Sie mit Sorge, dass Investoren auf einer Zerschlagung dieses Unternehmens bestehen könnten?
Bergdolt: Das ist genau der Punkt, der mich mit Sorge erfüllt. Wenn Siemens weiterhin so demontiert, sich selbst demontiert und demontiert wird, dann könnte es sein, dass Finanzinvestoren einsteigen, wir haben immerhin einen hohen free float, und dann genau dieses, eine Zerschlagung von Siemens vorantreiben.
Heinemann: Dann müsste man doch sagen, dass jetzt Ruhe die erste Anlegerpflicht ist und Sie dem Vorstand eigentlich den Rücken stärken müssten, damit er eben operativ gut vorgehen kann? Es geht ja nicht nur um Ihr Geld, sondern auch um eine Säule der deutschen Industrie.
Bergdolt: Aber es geht heute auf der Hauptversammlung auch darum, dass man diese Vorfälle aufarbeitet. Die Aktionäre haben nur einmal im Jahr die Gelegenheit, über ihre Probleme, über ihre Sorgen und über die Fehler des Managements und die guten Dinge des Managements zu reden. Deshalb, heute ist der Tag, an dem wir dies aufarbeiten. Aber danach muss Ruhe einkehren, da bin ich bei Ihnen.
Heinemann: Daniela Bergdolt, die Landesgeschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Bayern. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Bergdolt: Gerne und auf Wiederhören von hier in München!
Die EU-Kommission hat pünktlich zur Hauptversammlung eine Kartellstrafe in der Rekordhöhe von rund 419 Millionen Euro auferlegt, gegen die sich Siemens juristisch zur Wehr setzen will. Der Konzern soll sich maßgeblich an einem Kartell für Schaltanlagen beteiligt haben. Schlimmer geht's nimmer, Albtraum Siemens, kommentiert heute oder überschreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung heute einen Kommentar, und das haben die Mitarbeiter nicht verdient, die die Welt mit Spitzentechnologie versorgen. Auch die Aktionäre werden heute in München deutliche Worte finden für Nieten in Nadelstreifen.
Zur Hauptversammlung wird sich auch Daniela Bergdolt begeben, sie ist in Bayern Landesgeschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Guten Morgen!
Bergdolt: Guten Morgen!
Heinemann: Frau Bergdolt, welche Fragen möchten Sie den Vorständen des Unternehmens heute gern stellen?
Bergdolt: Sie haben es ja schon angerissen, natürlich wollen wir auch wissen: Wie konnte so was passieren? Und was mich natürlich besonders interessiert: Was wird man in der Zukunft tun, damit so etwas eben nicht mehr passiert? Denn Vergangenheitsbewältigung ist die eine Sache, aber die Implantierung von Strukturen, die so etwas verhindert, selbst wenn es kriminelle Machenschaften sind, das ist doch das Wichtige. Und was natürlich auch noch interessant ist, Sie haben es angesprochen, ist diese Frage der Kartellstrafe. Man hat so ein bisschen das Gefühl, da sind lauter Eisberge, von denen wir vielleicht nur die Spitze sehen, und da kommen möglicherweise noch andere Strafen auf uns zu. Im Moment ist es ja nur die Europäische Kartellbehörde, die die Strafe ausgesprochen hat. Wer weiß, ob aus USA noch was kommt oder aus anderen Ländern. Ja, und dann gibt es ja auch noch ein operatives Geschäft, das sollten wir nicht vergessen, über das sollten wir schon auch noch sprechen auf dieser Hauptversammlung.
Heinemann: Was das Wiederholen von Fehlern betrifft, welche Antwort erwarten Sie da?
Bergdolt: Ja gut, man hat Kommissionen eingesetzt, man hat eine Anwaltskanzlei und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt. Ich hoffe, dass der Vorstand inzwischen schon so weit ist, dass sie jedenfalls ein Skelett von Maßnahmen uns zeigen kann. Sicher kann er noch nicht bis ins Detail, weil die Ermittlungen sind ja noch nicht abgeschlossen, uns sagen, was man tun muss. Aber ein gewisses Maßnahmenprotokoll, das jetzt schon mal implantiert wird, das sollten wir schon hören heute.
Heinemann: Was heißt das konkret, also wie sieht die Wirbelsäule des Skeletts aus?
Bergdolt: Ja gut, wie kontrolliert man die Mitarbeiter. Es war ja schon implantiert das Vier-Augen-Prinzip, das scheint aber nicht zu reichen, reicht natürlich nicht, wenn sich hier ein Bereich oder verschiedene aus einem Bereich zusammentun, und dann sind die vier Augen, die hier Schecks unterzeichnen, halt leider schon mit Korruption befallen, sondern da muss es noch weitere Überprüfungsmöglichkeiten geben, weitere Kontrolle, und wie die aussieht, das würde ich gerne wissen.
Heinemann: Frau Bergdolt, Ihre Vereinigung, die DSW, auch die Privatanleger SDK und ISS, also der Institutional Shareholder Service, wollen den Vorstand heute unter Umständen nicht entlasten. Rechnen Sie damit, dass den Vorständen heute das Vertrauen nicht ausgesprochen wird?
Bergdolt: Das ist sehr schwer von hier aus und im Moment zu beurteilen. Wir werden auf jeden Fall den Vorstand nicht entlasten, weil wir sagen, er ist zu spät mit dieser Neuigkeit, mit diesem Korruptionsfall an die Öffentlichkeit gegangen. Man hat es völlig unterschätzt, dieses Problem, und dann hat man nicht proaktiv gehandelt. Man hat sich also treiben lasse, es war ein Jammerspiel, wie man gesehen hat. Jeden Tag wurde was Neues veröffentlicht in der Zeitung, und dann kam eine Reaktion von Siemens. Entweder hat man scheibchenweise wieder was zugegeben, ja, da gibt es noch was, oder man hat scheibchenweise irgendeine Maßnahme mitgeteilt. Ich erwarte von einem Vorstand eines Weltunternehmens mehr. Ich erwarte, dass er proaktiv das löst, dass er sich hinstellt und sagt, so, also jetzt haben wir dieses Problem, und dann haben wir folgende Lösung und folgende Ermittlungen beginnen wir, und dass man nicht das Gefühl hat, die Presse treibt den Vorstand vor sich her.
Heinemann: Wer ist Ihrer Meinung nach verantwortlich für die Korruptionsaffäre, spielen die Namen Kleinfeld und von Pierer da eine Rolle?
Bergdolt: Ich glaube, dass man keine persönliche Verantwortung im Moment jedenfalls aussprechen kann, denn man muss schon etwas aufpassen. Die Frage ist, wie man auf Probleme reagiert, wie man sie in die Öffentlichkeit bringt, also informiert, und die Frage, ist jemand persönlich verantwortlich dergestalt, hat er es gewusst, und hat er es geduldet. Ich wehre mich ganz vehement gegen Vorverurteilungen. Die Ermittlungsverfahren auch der Staatsanwaltschaft sind nicht abgeschlossen. Wir wissen im Moment nicht, wer wirklich etwas gewusst. Solange das nicht klar auf dem Tisch liegt, darf man nicht vorverurteilen und sagen, er wird es schon gewusst haben. Das kann nicht sein.
Heinemann: Nun hat erst gestern das Wall Street Journal unter Berufung auf Zeugenaussagen berichtet, dass die Vorstände Kaeser und Lamprecht in das System der schwarzen Kassen verwickelt sein sollen. Siemens hat das umgehend dementiert. Wem glauben Sie?
Bergdolt: Nochmals: Es gilt das Unschuldsprinzip. Ich glaube an die Ermittlungsverfahren einer Staatsanwaltschaft. Wenn ich deren Ergebnisse habe, dann werde ich hierüber ein Urteil fällen, aber nicht vorher.
Heinemann: Frau Bergdolt, die "Süddeutsche Zeitung" hat Sägegeräusche an den Stuhlbeinen des Vorstandsvorsitzenden vernommen. Wird das heute Klaus Kleinfelds letzte Hauptversammlung?
Bergdolt: Ich glaube es, ehrlich gesagt, nicht, weil man muss schon auch noch eines sehen: Es gibt natürlich diese Korruptionsvorwürfe und es gibt sicher ein Fehlverhalten in Information und Behandlung der Affäre, aber es gibt auch ein operatives Geschäft, und das operative Geschäft läuft gut. Herr Kleinfeld hat hier Maßnahmen eingeleitet, die dazu geführt haben, dass das Ergebnis der Aktie sich verbessert hat, dass der ganze Konzern auf eine positive Rendite, Ziele ausgerichtet wurden, die wirklich implantiert wurden und die auch erfüllt werden. Das heißt, das operative Geschäft läuft sehr gut, das darf man nicht vergessen, und daran muss man auch einen Herrn Kleinfeld messen und nicht nur an Korruptionsvorwürfen.
Heinemann: Hätte er dann doch eine Gehaltserhöhung verdient?
Bergdolt: Ich bin grundsätzlich dafür, dass man Vorstände gut bezahlt. Lieber bezahlt man sie gut, als dass sie auf andere Ideen kommen, um das mal so deutlich zu sagen. Aber diese 30 Prozent, die man sich da gegeben hat zu einem Zeitpunkt, als man im Prinzip im Konzern überall über Restrukturierung und Entlassungen nachdenkt und diese auch durchführt, das war einfach völlig danebengegriffen, das kann man niemandem mehr vermitteln, und das war ein Fehler. Wie gesagt, gute Bezahlung, auch angemessene Erhöhung, Ja! Jeder normale Arbeitnehmer will eine angemessene Erhöhung haben, warum soll das ein Vorstand nicht bekommen. Aber mit Maß und Ziel und auch mit einem Augenmerk auf das, was in einem Unternehmen geschieht.
Heinemann: Wie groß ist der Imageschaden durch die Gehaltserhöhungsdiskussion und BenQ?
Bergdolt: Es ist sicherlich ein Imageschaden entstanden, wobei ich bei BenQ etwas vorsichtig bin. Man darf nicht vergessen, BenQ war ausgelagert und verkauft. Wenn, dann hat der Vorstand Fehler gemacht beim Verkauf oder bei der Prüfung der Seriosität und der Liquidität des Käufers. Nachher den Konkurs oder die Insolvenz dem Vorstand von Siemens vorzuwerfen, finde ich jetzt etwas weit hergeholt. Aber nichtsdestotrotz: Der Imageschaden ist da, und zwar durch mehrere Vorfälle, da kommt die Korruption, da kommt BenQ, da kommt die Gehaltserhöhung, jetzt haben wir die Kartellsache. Siemens, der Name, der früher für Nachhaltigkeit, Qualität, Seriosität gestanden hat, ist wirklich demontiert im Moment in der Öffentlichkeit.
Heinemann: Frau Bergdolt, besteht die Gefahr, dass Länder, die der Korruption den Kampf angesagt haben, Siemens von öffentlichen Aufträgen ausschließen werden?
Bergdolt: Dann, wenn jetzt nicht klar gesagt wird, wie wir dem Problem in der Zukunft begegnen und wie wir verhindern, dass es wieder passiert, dann ist diese Gefahr da.
Heinemann: Siemens besteht mit seinen Sparten wie Medizin- oder Energietechnik im Grunde aus elf verschiedenen Unternehmen. Sehen Sie oder beobachten Sie mit Sorge, dass Investoren auf einer Zerschlagung dieses Unternehmens bestehen könnten?
Bergdolt: Das ist genau der Punkt, der mich mit Sorge erfüllt. Wenn Siemens weiterhin so demontiert, sich selbst demontiert und demontiert wird, dann könnte es sein, dass Finanzinvestoren einsteigen, wir haben immerhin einen hohen free float, und dann genau dieses, eine Zerschlagung von Siemens vorantreiben.
Heinemann: Dann müsste man doch sagen, dass jetzt Ruhe die erste Anlegerpflicht ist und Sie dem Vorstand eigentlich den Rücken stärken müssten, damit er eben operativ gut vorgehen kann? Es geht ja nicht nur um Ihr Geld, sondern auch um eine Säule der deutschen Industrie.
Bergdolt: Aber es geht heute auf der Hauptversammlung auch darum, dass man diese Vorfälle aufarbeitet. Die Aktionäre haben nur einmal im Jahr die Gelegenheit, über ihre Probleme, über ihre Sorgen und über die Fehler des Managements und die guten Dinge des Managements zu reden. Deshalb, heute ist der Tag, an dem wir dies aufarbeiten. Aber danach muss Ruhe einkehren, da bin ich bei Ihnen.
Heinemann: Daniela Bergdolt, die Landesgeschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Bayern. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Bergdolt: Gerne und auf Wiederhören von hier in München!