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"Ein schwarzer Tag für Bayern und für die Pressefreiheit"

Zu den Aufgaben eines Parteipressesprechers gehören auch Anrufe in Redaktionen, sagt der bayrische SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold. Es sei jedoch ein Skandal, dass CSU-Sprecher Hans Michael Strepp versucht habe, die Berichterstattung des ZDF zu beeinflussen. Strepp sei nun das "Bauernopfer".

Florian Pronold im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: In Italien kennen Politiker zwei Arten von Mitarbeitern: portaborse und portavoce, die Taschen- und die Stimmenträger also. Und ein Stimmenträger im übertragenen Sinne war auch CSU-Sprecher Michael Strepp. Doch trug er tatsächlich die Stimme seines Herrn, Horst Seehofer, um genau zu sein, an das Ohr des diensthabenden ZDF-Redakteurs, als auf dem Mainzer Lerchenberg das Telefon schellte und Strepp am anderen Ende war? Strepp und Seehofer bestreiten dies. Eine Einflussnahme habe es nicht gegeben, sagen beide. Strepp ist inzwischen weg, dafür rückt Seehofer ins Visier von Opposition und Medien.
    Am Telefon begrüße ich den Landesvorsitzenden der Bayern-SPD. Guten Tag, Florian Pronold!

    Florian Pronold: Grüß Gott!

    Dobovisek: Ein Geburtstagsgeschenk für Ihren Spitzenkandidaten von der CSU, so sagt er es selber. Können Sie sich mitfreuen?

    Pronold: Nein. Ich finde, das ist ein unglaublicher Vorgang, dass ein Pressesprecher versucht, nicht das, was seine Aufgabe ist, seine eigene Partei besser zu platzieren, dass der das macht, sondern dass er versucht, die Berichterstattung über eine andere Partei zu unterbinden. Das ist ein Skandal, der sich wirklich gewaschen hat, und das ist ein schwarzer Tag für Bayern und für die Pressefreiheit.

    Dobovisek: Darf denn ein Sprecher einer Partei in Redaktionen anrufen?

    Pronold: Natürlich darf er das. Das gehört zu seinem Job. Das ist überhaupt nicht die Frage. Es ist hier der Unterschied, dass er versucht hat, nach mehreren übereinstimmenden Aussagen aus dem ZDF, hier Berichterstattung über eine andere Partei zu unterbinden. Das ist der Skandal, der hier stattgefunden hat und von dem sich Horst Seehofer vor allem nicht distanziert hat, sondern er sagt, er glaubt seinem Pressesprecher, und da steht eben die Aussage seines Pressesprechers gegenüber den Aussagen aus dem ZDF und den SMS, die das ZDF ja auch vorweisen kann von eben diesem Pressesprecher, und deswegen ist die Sache noch nicht aufgeklärt.

    Dobovisek: Dann blicken wir doch einmal auf die Aussage des entsprechenden ZDF-Redakteurs. Er zitierte den Anruf wie folgt: "Er fragte, ob wir wüssten, dass weder die ARD, noch Phönix über den SPD-Landesparteitag berichten würden. Er sei informiert, dass wir einen Beitrag planten. Weit davon entfernt, in das Programm reinzureden, wolle er aber doch rechtzeitig zu bedenken geben, dass es im Nachklapp Diskussionen geben könnte, wenn das ZDF im Alleingang sende." Wie klingt das für Sie?

    Pronold: Das ist für mich eine Drohung, nichts anderes, vor allem, wenn man sich anschaut, wie CDU und CSU im ZDF regieren und wie sie in der Causa Brender zum Beispiel auch offensichtlich nicht willfährig genuge Berichterstattung versuchet haben, dann mit personellen Konsequenzen umzusetzen. Und das ist nichts anderes als eine Bedrohung, und ich kann dem ZDF nur danken und gratulieren, dass sie sich dem so offensiv widersetzt haben.

    Dobovisek: Andere nennen dies einen Hinweis. Ist die Brille da so getrübt bei den anderen?

    Pronold: Ich weiß nicht, wie er das verteidigt. Wenn selbst Herr Söder, der frühere CSU-Generalsekretär, von Dobrindt und Seehofer Aufklärung über diesen Vorgang fordert, die bis heute ja noch nicht geleistet ist – es wird ja immer noch der Inhalt dieses Anrufes bestritten vonseiten der CSU und es ist nichts aufgeklärt worden -, dann weiß ich auch nicht, was noch passieren muss. Einen besseren Kronzeugen als Markus Söder, der diesen Vorgang aufklärungsbedürftig findet, kann ich in dem Fall wirklich nicht mehr beibringen.

    Dobovisek: Sie sehen also weiterhin Aufklärungsbedarf. Wie soll denn aufgeklärt werden Ihrer Meinung nach?

    Pronold: Zuerst müssen sich die Gremien des ZDFs damit noch mal beschäftigen. Ich finde allerdings, dass Horst Seehofer und der Generalsekretär Dobrindt für die Zeit ihre Tätigkeit in diesen Gremien ruhen lassen sollen. Sie können nicht gleichzeitig Beschuldigter und Kontrolleur sein. Und Herr Dobrindt ist auch seiner Aufgabe nicht gerecht geworden. Ich finde, dass vor allem die CSU nun endlich erklären muss, wer auch da dahinter steckt, weil sich kein Mensch vorstellen kann, dass ein versierter Pressesprecher so etwas macht, ohne grundsätzliche Rückendeckung zu haben. Und da scheint ein System dahinter zu stecken, weil die CSU seit einem Jahr hoch nervös ist und sieht, dass mit Christian Ude tatsächlich ihre Machtbasis gefährdet ist, und deswegen wird an allen Ecken und Enden hektisch versucht, hier jeden kleinen Vorteil rauszuholen, und ich vermute, dass da eine Strategie der CSU dahinter steckt und dass der Pressesprecher eben nicht ohne grundsätzliche Rückendeckung gehandelt hat.

    Dobovisek: Dobrindt und Seehofer weisen dies ja entschieden zurück. Bezichtigen Sie die beiden der Lüge?

    Pronold: Ich finde, sie müssen erst mal Aufklärung leisten. Und ich sage noch mal: Es kann doch nicht sein, dass jemand hier so völlig ohne Rückendeckung das macht, der so lange vertrauensvoll mit denen zusammenarbeitet. Und nicht ich bezichtige jemand der Lüge, sondern indirekt tut das Horst Seehofer. Wenn er gestern im bayerischen Landtag sagt, er glaubt eher seinem zurückgetretenen Pressesprecher als dem ZDF, dann tut er vier honorigen Journalisten mindestens hier unterstellen, dass sie eine falsche Darstellung des Sachverhaltes geben, und das kann ich mir nun beim besten Willen nicht vorstellen.

    Dobovisek: Wie würde die Konsequenz daraus lauten, wenn Sie tatsächlich recht hätten und Seehofer wie auch Dobrindt dahinter stecken würden?

    Pronold: Wenn das beweisbar ist, dann ist das für die beiden das Ende der politischen Karriere, weil das ein solcher Anschlag auf die Medien- und Pressefreiheit ist, wie es ihn in den letzten 30 Jahren mit Sicherheit noch nicht mehr gegeben hat. Das muss jetzt aufgeklärt werden. Aber Sie haben es ja vorhin in Ihrem Beitrag schon gebracht: So wie die ganze Inszenierung gestern von der CSU gelaufen ist, ist ja jetzt der arme Pressesprecher das Bauernopfer.

    Dobovisek: Florian Pronold, Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender der SPD in Bayern. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Pronold: Ich bedanke mich auch.


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