Klaus Remme: Am 22. April und am 06. Mai wird sich entscheiden, wer Nachfolger oder Nachfolgerin von Jacques Chirac im Amt des französischen Präsidenten wird. Es treten an Nicolas Sarkozy, der konservative Kandidat, und Ségolène Royal, die Kandidatin der Sozialisten. Royal wird heute in Berlin zu politischen Gesprächen erwartet. Schaut man sich die Stimmenlage vor der Wahl an könnte man fast meinen, das Land stehe vor einer Schicksalsentscheidung. Über den Wahlkampf habe ich mit Daniel Cohn-Bendit gesprochen. Er kennt die Verhältnisse in Frankreich bestens, ist Co-Vorsitzender der Grünen im Europäischen Parlament. Ich habe ihn zunächst gefragt, ob der Begriff Schicksalswahl übertrieben ist?
Daniel Cohn-Bendit: Übertrieben ist es, weil am Ende können die politischen Führungen ja nur das machen was möglich ist, und da sind die Unterschiede nicht so groß, wie sie sich im Wahlkampf darstellen. Aber es sind entscheidende Unterschiede zwischen Sarkozy, Royal oder vielleicht sogar Bayrou. Das muss man sagen.
Remme: Erst noch mal auf die beiden Namen, die wir hier in Deutschland doch am besten kennen: Sarkozy und Royal. Manchmal sind ja Parteibücher eher grobe Schubladen. Wie erklären Sie den Leuten, die die französische Politik von außen kennen, in wenigen Sätzen diesen Unterschied?
Cohn-Bendit: Ich würde halt sagen Sarkozy ist der Kandidat von Mitte-Rechts bis ganz Rechts. Als Politiker ist er für Rechts innovativ. Manchmal ist er in Einwanderungsfragen, Ordnungsfragen ganz Rechts. Dann ist er wiederum mit Vorschlägen in der Mitte. Also es ist ein im Grunde genommen sehr autoritärer Führungsmensch, ein kleiner Napoleon, der gerne Frankreich wieder zur Größe hin regieren würde.
Ségolène Royal ist ein neuer Typus von Politikerin. Sie kann auch sehr autoritativ sein. Sie hat aber einen ganz entwickelten fünften Sinn für partizipative Demokratie und natürlich als Frau, Mutter von vier Kindern, ist sie eine völlig neue Erscheinung für eine Kandidatin, die Präsidentin Frankreichs werden will. Für Frankreich wäre das eine geradezu symbolische Revolution, wenn eine Frau im Elysée-Palast einziehen würde. Sie ist als Frauentyp will mal sagen Mitte-Links, sehr ökologisch, sehr energisch. Wenn Sie sie mit jemand in Deutschland vergleichen wollen, ist sie wie Frau von der Leyen.
Remme: Warum erscheint ihre bisherige Kampagne so holperig?
Cohn-Bendit: Na ja, erst mal weil, wenn eine Frau Fehler macht, dann zeigen alle mit dem Finger auf sie und sagen sie kann es nicht. Wenn Sarkozy Fehler macht, das wird einfach nicht so beachtet. Das ist praktisch normal. Männer können das eben, auch wenn sie Fehler machen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In einem Interview hat Ségolène Royal einfach die Anzahl der französischen Atom-U-Boote nicht richtig benannt. Da wurde in den ersten Nachrichten des Fernsehens gesagt, Frau Royal ist unsicher in Verteidigungsfragen. Alle Medien haben darüber gesprochen. Die Partei von Sarkozy hat sich über sie lustig gemacht. Zwei Wochen später bei dem gleichen Interview patzt Sarkozy genau über die gleiche Frage, obwohl er wusste, dass sie gestellt werden würde. Das hat niemand gestört. Das ist zwar gesagt worden, auch Sarkozy patzt. Dann hat seine Partei gesagt, das war aber eine sehr spitzfindige Frage und so weiter. Also im Grunde genommen hat niemand die Fähigkeit von Sarkozy in Frage gestellt, dass er Frankreich führen könnte, obwohl er eigentlich ganz genauso gepatzt hat. Zusammengefasst: Eine Frau muss doppelt so gut sein wie ein Mann, wenn sie das gleiche Amt haben will.
Remme: Sie haben die beiden Kandidaten nach Links und Rechts gerade eingeordnet. Der Kandidat der Rechten Sarkozy bekommt überraschend viel Unterstützung von intellektueller Seite. Glucksmann ist da nur ein Name von vielen. Aus deutscher Sicht überrascht das ein bisschen. Wie erklären Sie sich diese Unterstützung der Intellektuellen?
Cohn-Bendit: Ich glaube, da machen Sie eine Fehler. André Glucksmann, einer der Hauptsprecher, hat sich für Sarkozy ausgesprochen. Es ist gerade eine Unterschriftensammlung. Über 200 intellektuelle Schriftsteller, Lehrer, Professoren haben sich für Ségolène Royal ausgesprochen. Nur sie kennen sie nicht. Also da muss man aufpassen. Es gibt auch viele Intellektuelle, die sich im Moment für Bayrou aussprechen. Was Glucksmann angeht ist ganz einfach: Sarkozy war vor zwei, drei Monaten in Washington. Da hat er sich entschuldigt für die französische Arroganz im Irak-Krieg den Amerikanern gegenüber. Glucksmann fühlt, dass Sarkozy eher transatlantischer, eher den Amerikanern zugeneigt ist als Chirac oder als so jemand wie Ségolène Royal, und das ist seine Entscheidung. André - das ist ein Freund von mir - war für den Irak-Krieg. Darüber haben wir viel gestritten. Und dann ist es so, dass er sich von Sarkozy angezogen fühlt, aber das hat etwas mit der Stellung zu Amerika zu tun.
Remme: In der Vergangenheit kam es in der Stichwahl, in der zweiten Runde, des öfteren nicht zum Duell der beiden vermeintlich Stärksten. Sie haben den Namen gerade schon genannt. In jetzigen Umfragen wird ein dritter Kandidat immer stärker. Francois Bayrou wirkt bei Wählern sowohl im rechten wie im linken Lager. Hat er eine reelle Chance?
Cohn-Bendit: Ich glaube es nicht, weil Ségolène Royal am Ende im Gegensatz zu Jospin die ganzen linken Stimmen kriegen wird. Das heißt sie wird bei zwischen 26 und 30 Prozent enden. Ich glaube nicht, dass Bayrou so hoch kommen wird, vor allem weil dann, wenn Bayrou nämlich im zweiten Wählgang ist und er sogar eine reelle Chance hätte zu gewinnen, dann hat er keine Mehrheit im Parlament, denn seine Partei hat 38 Abgeordnete im französischen Parlament. Einen Monat nach der Wahl ist ja gleich eine Parlamentswahl und wer soll ihm die Mehrheit geben? Er wird dann zur Kohabitation gezwungen werden, obwohl er sagt er will mit allen regieren. Ein bisschen stellt er sich dar wie Jesus, der aufs Wasser geht und alle werden dann auf ihn zuströmen. Das glaube ich nicht. Was in den Umfragen herausgekommen ist: eine Unzufriedenheit in beiden Lagern mit den Hauptkandidaten. Das kann Bayrou ganz klug auf sich vereinigen. Ob er wirklich in den zweiten Wahlgang kommen kann, ich bezweifele das ganz stark.
Remme: Heute kommt Ségolène Royal nach Berlin. Das ganze geht ohne großen Medienrummel von Statten so wie auch beim Besuch von Sarkozy. Halten Sie diese Äquidistanz für aufrichtig, oder gibt es für die Bundesregierung in Berlin eine Art natürlichen Kandidaten?
Cohn-Bendit: Ich würde sagen es gibt zwei natürliche Kandidaten. Politisch ist der natürliche Kandidat von Angela Merkel Sarkozy. Menschlich ist der natürliche Kandidat die Frau, nämlich Ségolène Royal. Ich glaube, dass Merkel hin- und hergerissen ist. Natürlich wäre eine Doppelpräsidentschaft Merkel/Ségolène Royal eine Möglichkeit sowohl für Merkel als auch für Ségolène Royal, diese deutsch-französische Männerbeziehung auf ganz andere Beine zu stellen, und da ist Frau Merkel glaube ich sensibel. Deswegen sagt sie sich na ja, wenn Sarkozy es ist kann sie sich freuen. Er gehört zu ihrem politischen Lager im Großen und Ganzen, obwohl die französische Rechte auch ganz anders ist als die deutsche Rechte, aber lassen wir das hingestellt. Aber wenn Ségolène Royal gewinnt, dann kann sie angesichts der geschichtlichen Möglichkeiten, die sie dann hätte, auch vieles dafür gewinnen.
Remme: Ein Thema wird heute sicherlich Airbus sein. Ist der Streit zwischen Angela Merkel und der Sozialistin Royal in diesem Punkt programmiert?
Cohn-Bendit: Ja, aber da wäre es mit Sarkozy nicht anders. Die Franzosen sind für einen stärkeren Industrie-Interventionismus des Staates. Da wissen die Deutschen noch nicht, was sie wollen. Einerseits haben sie dann als es hieß, Hamburg soll kaltgestellt werden oder wie auch immer, darauf gepocht, dass der Staat auch interveniert, sogar finanziell interveniert. Ich glaube, dass beide wirklich hinterfragen müssen, warum so viele Manager-Fehler bei Airbus gemacht wurden, weil das ist das Hauptproblem. Die Manager verkalkulieren sich und die Zechen zahlen dann einfach die Mitarbeiter, die Arbeiterinnen und Arbeiter. Das geht nicht und da finde ich den Ansatz von Ségolène Royal, wir müssen das ganze mal überprüfen wie das läuft, richtig.
Remme: Der Frankreich-Kenner Daniel Cohn-Bendit. Er ist Co-Vorsitzender der Grünen im Europäischen Parlament.
Daniel Cohn-Bendit: Übertrieben ist es, weil am Ende können die politischen Führungen ja nur das machen was möglich ist, und da sind die Unterschiede nicht so groß, wie sie sich im Wahlkampf darstellen. Aber es sind entscheidende Unterschiede zwischen Sarkozy, Royal oder vielleicht sogar Bayrou. Das muss man sagen.
Remme: Erst noch mal auf die beiden Namen, die wir hier in Deutschland doch am besten kennen: Sarkozy und Royal. Manchmal sind ja Parteibücher eher grobe Schubladen. Wie erklären Sie den Leuten, die die französische Politik von außen kennen, in wenigen Sätzen diesen Unterschied?
Cohn-Bendit: Ich würde halt sagen Sarkozy ist der Kandidat von Mitte-Rechts bis ganz Rechts. Als Politiker ist er für Rechts innovativ. Manchmal ist er in Einwanderungsfragen, Ordnungsfragen ganz Rechts. Dann ist er wiederum mit Vorschlägen in der Mitte. Also es ist ein im Grunde genommen sehr autoritärer Führungsmensch, ein kleiner Napoleon, der gerne Frankreich wieder zur Größe hin regieren würde.
Ségolène Royal ist ein neuer Typus von Politikerin. Sie kann auch sehr autoritativ sein. Sie hat aber einen ganz entwickelten fünften Sinn für partizipative Demokratie und natürlich als Frau, Mutter von vier Kindern, ist sie eine völlig neue Erscheinung für eine Kandidatin, die Präsidentin Frankreichs werden will. Für Frankreich wäre das eine geradezu symbolische Revolution, wenn eine Frau im Elysée-Palast einziehen würde. Sie ist als Frauentyp will mal sagen Mitte-Links, sehr ökologisch, sehr energisch. Wenn Sie sie mit jemand in Deutschland vergleichen wollen, ist sie wie Frau von der Leyen.
Remme: Warum erscheint ihre bisherige Kampagne so holperig?
Cohn-Bendit: Na ja, erst mal weil, wenn eine Frau Fehler macht, dann zeigen alle mit dem Finger auf sie und sagen sie kann es nicht. Wenn Sarkozy Fehler macht, das wird einfach nicht so beachtet. Das ist praktisch normal. Männer können das eben, auch wenn sie Fehler machen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In einem Interview hat Ségolène Royal einfach die Anzahl der französischen Atom-U-Boote nicht richtig benannt. Da wurde in den ersten Nachrichten des Fernsehens gesagt, Frau Royal ist unsicher in Verteidigungsfragen. Alle Medien haben darüber gesprochen. Die Partei von Sarkozy hat sich über sie lustig gemacht. Zwei Wochen später bei dem gleichen Interview patzt Sarkozy genau über die gleiche Frage, obwohl er wusste, dass sie gestellt werden würde. Das hat niemand gestört. Das ist zwar gesagt worden, auch Sarkozy patzt. Dann hat seine Partei gesagt, das war aber eine sehr spitzfindige Frage und so weiter. Also im Grunde genommen hat niemand die Fähigkeit von Sarkozy in Frage gestellt, dass er Frankreich führen könnte, obwohl er eigentlich ganz genauso gepatzt hat. Zusammengefasst: Eine Frau muss doppelt so gut sein wie ein Mann, wenn sie das gleiche Amt haben will.
Remme: Sie haben die beiden Kandidaten nach Links und Rechts gerade eingeordnet. Der Kandidat der Rechten Sarkozy bekommt überraschend viel Unterstützung von intellektueller Seite. Glucksmann ist da nur ein Name von vielen. Aus deutscher Sicht überrascht das ein bisschen. Wie erklären Sie sich diese Unterstützung der Intellektuellen?
Cohn-Bendit: Ich glaube, da machen Sie eine Fehler. André Glucksmann, einer der Hauptsprecher, hat sich für Sarkozy ausgesprochen. Es ist gerade eine Unterschriftensammlung. Über 200 intellektuelle Schriftsteller, Lehrer, Professoren haben sich für Ségolène Royal ausgesprochen. Nur sie kennen sie nicht. Also da muss man aufpassen. Es gibt auch viele Intellektuelle, die sich im Moment für Bayrou aussprechen. Was Glucksmann angeht ist ganz einfach: Sarkozy war vor zwei, drei Monaten in Washington. Da hat er sich entschuldigt für die französische Arroganz im Irak-Krieg den Amerikanern gegenüber. Glucksmann fühlt, dass Sarkozy eher transatlantischer, eher den Amerikanern zugeneigt ist als Chirac oder als so jemand wie Ségolène Royal, und das ist seine Entscheidung. André - das ist ein Freund von mir - war für den Irak-Krieg. Darüber haben wir viel gestritten. Und dann ist es so, dass er sich von Sarkozy angezogen fühlt, aber das hat etwas mit der Stellung zu Amerika zu tun.
Remme: In der Vergangenheit kam es in der Stichwahl, in der zweiten Runde, des öfteren nicht zum Duell der beiden vermeintlich Stärksten. Sie haben den Namen gerade schon genannt. In jetzigen Umfragen wird ein dritter Kandidat immer stärker. Francois Bayrou wirkt bei Wählern sowohl im rechten wie im linken Lager. Hat er eine reelle Chance?
Cohn-Bendit: Ich glaube es nicht, weil Ségolène Royal am Ende im Gegensatz zu Jospin die ganzen linken Stimmen kriegen wird. Das heißt sie wird bei zwischen 26 und 30 Prozent enden. Ich glaube nicht, dass Bayrou so hoch kommen wird, vor allem weil dann, wenn Bayrou nämlich im zweiten Wählgang ist und er sogar eine reelle Chance hätte zu gewinnen, dann hat er keine Mehrheit im Parlament, denn seine Partei hat 38 Abgeordnete im französischen Parlament. Einen Monat nach der Wahl ist ja gleich eine Parlamentswahl und wer soll ihm die Mehrheit geben? Er wird dann zur Kohabitation gezwungen werden, obwohl er sagt er will mit allen regieren. Ein bisschen stellt er sich dar wie Jesus, der aufs Wasser geht und alle werden dann auf ihn zuströmen. Das glaube ich nicht. Was in den Umfragen herausgekommen ist: eine Unzufriedenheit in beiden Lagern mit den Hauptkandidaten. Das kann Bayrou ganz klug auf sich vereinigen. Ob er wirklich in den zweiten Wahlgang kommen kann, ich bezweifele das ganz stark.
Remme: Heute kommt Ségolène Royal nach Berlin. Das ganze geht ohne großen Medienrummel von Statten so wie auch beim Besuch von Sarkozy. Halten Sie diese Äquidistanz für aufrichtig, oder gibt es für die Bundesregierung in Berlin eine Art natürlichen Kandidaten?
Cohn-Bendit: Ich würde sagen es gibt zwei natürliche Kandidaten. Politisch ist der natürliche Kandidat von Angela Merkel Sarkozy. Menschlich ist der natürliche Kandidat die Frau, nämlich Ségolène Royal. Ich glaube, dass Merkel hin- und hergerissen ist. Natürlich wäre eine Doppelpräsidentschaft Merkel/Ségolène Royal eine Möglichkeit sowohl für Merkel als auch für Ségolène Royal, diese deutsch-französische Männerbeziehung auf ganz andere Beine zu stellen, und da ist Frau Merkel glaube ich sensibel. Deswegen sagt sie sich na ja, wenn Sarkozy es ist kann sie sich freuen. Er gehört zu ihrem politischen Lager im Großen und Ganzen, obwohl die französische Rechte auch ganz anders ist als die deutsche Rechte, aber lassen wir das hingestellt. Aber wenn Ségolène Royal gewinnt, dann kann sie angesichts der geschichtlichen Möglichkeiten, die sie dann hätte, auch vieles dafür gewinnen.
Remme: Ein Thema wird heute sicherlich Airbus sein. Ist der Streit zwischen Angela Merkel und der Sozialistin Royal in diesem Punkt programmiert?
Cohn-Bendit: Ja, aber da wäre es mit Sarkozy nicht anders. Die Franzosen sind für einen stärkeren Industrie-Interventionismus des Staates. Da wissen die Deutschen noch nicht, was sie wollen. Einerseits haben sie dann als es hieß, Hamburg soll kaltgestellt werden oder wie auch immer, darauf gepocht, dass der Staat auch interveniert, sogar finanziell interveniert. Ich glaube, dass beide wirklich hinterfragen müssen, warum so viele Manager-Fehler bei Airbus gemacht wurden, weil das ist das Hauptproblem. Die Manager verkalkulieren sich und die Zechen zahlen dann einfach die Mitarbeiter, die Arbeiterinnen und Arbeiter. Das geht nicht und da finde ich den Ansatz von Ségolène Royal, wir müssen das ganze mal überprüfen wie das läuft, richtig.
Remme: Der Frankreich-Kenner Daniel Cohn-Bendit. Er ist Co-Vorsitzender der Grünen im Europäischen Parlament.