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"Eine wichtige sicherheitspolitische Einrichtung"

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold hat den Aufbau der Zentrale für den NATO-Raketenabwehrschirm im pfälzischen Ramstein begrüßt. Er geht davon aus, dass damit das ursprünglich angedachte, teure Flugabwehrsystem MEADS "auf Eis gelegt" sei.

Rainer Arnold im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: In München kommen am Nachmittag wie gesagt wieder Hunderte Politiker und Verteidigungsexperten zusammen zur diesjährigen Sicherheitskonferenz. Natürlich steht der Konflikt mit dem Iran ganz oben auf der Tagesordnung.

    Vor dieser Sendung habe ich gesprochen mit Rainer Arnold, dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Ich habe es gerade eben schon erwähnt: Gestern wurde offiziell bekannt gegeben, die Kommandozentrale für den geplanten Raketenabwehrschirm soll im pfälzischen Ramstein errichtet werden. Und ihn habe ich gefragt, Rainer Arnold: eine gute Nachricht für die Region, die ja wirtschaftlich stark gebeutelt ist, oder?

    Rainer Arnold: Ich denke nicht, dass das in erster Linie regionalpolitisch bedeutsam ist. Das gibt vielleicht 100 Arbeitsplätze mehr in Ramstein, das ist nicht so ganz entscheidend. Aber es ist eine wichtige sicherheitspolitische Einrichtung und es ist sinnvoll, was dort geschieht, nämlich zunächst mal die bereits vorhandenen Fähigkeiten der Raketenabwehr innerhalb der NATO zu bündeln und gemeinsam zu führen. Das ist das ja, was wir eigentlich wollen: mehr Synergie durch eine vertiefte Zusammenarbeit.

    Heckmann: Das heißt, Sie begrüßen diesen Aufbau dieses Raketenabwehrschirms auch in Deutschland mit einer Zentrale dort?

    Arnold: Ich halte diesen Schritt, das Kommando dort einzurichten, für richtig und sinnvoll. Die Frage, was wird aus diesem ursprünglich mal angedachten sehr großen Raketenabwehrschirm, die ist damit nämlich abschließend beantwortet. Meine Einschätzung ist, das wird so nicht zustande kommen, wird auch nicht finanzierbar sein, und deshalb ist es wahrscheinlich klug, vorhandene Fähigkeiten zu bündeln und an der einen oder anderen Stelle durch neue Technik zu ergänzen. Und wenn es uns dann noch gelingt, mit der russischen Regierung zu guten Verabredungen zu kommen, die den Russen die Ängste und Sorgen nimmt - und Deutschland kann hier vielleicht eine wichtige Brückenfunktion übernehmen -, dann wäre das auch ganz vernünftig.

    Heckmann: Aber das sieht im Moment ja nicht danach aus. Der Ministerpräsident Russlands hat noch einmal bekräftigt, der Raketenabwehrschirm sei gegen Russland gerichtet. Dieser Widerstand aus Moskau, ist der aus Ihrer Sicht nachvollziehbar?

    Arnold: Ich kann ihn nicht nachvollziehen und wir Deutschen sollten alles tun, um diese Urteile abzubauen. Ich halte sie nicht für gerechtfertigt und ich habe manchmal schon den Eindruck, auch die russische Politik, auch die führenden Militärs in Russland tun sich auch schwer, dieses alte Denken zu verlassen und sich so zu orientieren in der neuen Welt, wo doch jeder weiß, wir werden mit den Herausforderungen nur in Kooperation zwischen der NATO und Russland fertig werden und sind eigentlich dringend auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen, und die Russen sollten das aus meiner Sicht natürlich auch irgendwann merken.

    Heckmann: Verteidigungsminister Thomas de Maizière kann sich vorstellen, dass deutsche Patriot-Raketen dem System zur Verfügung gestellt werden. Ist das aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Ankündigung?

    Arnold: Ja, das ist sinnvoll. Die Deutschen haben Teilfähigkeiten, das Ganze wird aber deutlich einsatzfähiger und besser, wenn es in das große System eingeordnet ist. Und Deutschland alleine kann kein modernes Raketensystem beschaffen, das ist alles viel zu teuer. Deshalb ist ja dieses ursprüngliche transatlantische Projekt zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten mit Namen MEADS hier auf Eis gelegt. Es wird zwar geforscht und entwickelt, ich glaube aber nicht, dass die Investition am Ende erfolgen kann.

    Heckmann: Kommen wir mal, Herr Arnold, zum anderen Aufreger des Tages: zum Thema Iran. Der amerikanische Verteidigungsminister Panetta, der rechnet laut "Washington Post" bis Juni/Juli mit einem Angriff Israels auf iranische Nuklearanlagen. Teilen Sie diese Einschätzung und was würde das dann bedeuten?

    Arnold: Ich verstehe seine Äußerung als große Sorge, dass Israel möglicherweise nicht die notwendige Geduld aufbringt, und insofern haben wir da alle die Befürchtung, und natürlich ist Amerika dort ganz, ganz wichtig, Israel immer wieder klarzumachen, dass es ein absolut verheerend falscher Schritt wäre. Die Diplomatie, die Möglichkeiten der Sanktion, die Möglichkeiten, dieses Regime doch noch zu bewegen, sind nicht ausgeschöpft und ein militärischer Einsatz würde ganz neue Probleme im Mittleren Osten schaffen und die Risiken sind kaum abzusehen, die Israel dort eingehen würde. Deshalb ist unser Rat an Israel auch, so was nicht zu machen im Augenblick.

    Heckmann: Aber Sie gehen davon aus, dass die israelische Regierung mittlerweile ernsthafter mit einem solchen Szenario spielt?

    Arnold: Ich glaube nicht, dass diese Entwicklung neu ist. Bei meinen Gesprächen mit israelischen Politikern in den letzten sechs Jahren wurde uns immer gesagt, im nächsten halben Jahr wird man im Iran so weit sein, dass man die Bombe bauen kann. Es ist bis heute nicht so weit und das ist auch gut so. Insofern bin ich nicht so ganz sicher, ob Israel nicht auch die Schrauben noch weiter anziehen will, den Druck erhöhen will. Aber die Sorge, dass Israel nicht zuwartet, ist eigentlich latent vorhanden, und bisher war es schon so, dass die Vereinigten Staaten auch mäßigend auf die israelische Politik gewirkt haben, das ist auch dringend erforderlich.

    Heckmann: Welche Folgen könnte ein solcher Militäreinsatz haben? Könnte das so sein, dass es wirklich lokal auf eine solche Aktion, ein Ausschalten der iranischen Atomanlagen beschränkt werden kann, oder droht da ein größerer Flächenbrand?

    Arnold: Zunächst mal würde Israel sicherlich versuchen, punktuell militärisch vorzugehen. Aber dabei weiß man auch, es ist sehr, sehr schwierig, die iranische Atomtechnologie ist teilweise tief im Gestein vergraben. Und so ein Militäreinsatz würde allenfalls das Programm zurückwerfen, das Problem aber nicht grundsätzlich lösen. - Das ist das eine Risiko.

    Das zweite Risiko: Wir haben natürlich Sorge, dass das iranische Regime eher stabilisiert würde durch so einen Angriff von außen, und wir müssen ein großes Interesse daran haben, in Iran die Opposition, die aufkeimende Zivilgesellschaft zu ermuntern und zu bestärken.

    Und das dritte Risiko ist natürlich: Die Umbrüche im nördlichen Afrika und im Nahen Osten würden möglicherweise eine ganz andere Richtung kriegen, wenn Israel mit militärischer Gewalt im Iran vorgeht, und das können wir uns natürlich auch nicht wünschen.

    Heckmann: Welche Richtung meinen Sie?

    Arnold: Die Sorge ist schon, dass stark ausgeprägter fundamentaler Islamismus neuen Zulauf in diesen Ländern bekommt und die Gegnerschaft zu Israel natürlich auch deutlich gestärkt wird, und Israel täte, glaube ich, gut daran, endlich zu vernünftigen Verhandlungen zu kommen über eine faire Zweistaatenlösung mit den Palästinensern und aufzuhören mit einer Siedlungspolitik und immer wieder neue Siedlungen zu bauen, die dieser fairen Lösung nun wirklich fundamental widerspricht. Wir müssen gegenüber Israel und mit unseren israelischen Partnern da schon auch sehr deutlich, freundlich, aber durchaus deutlich reden.

    Heckmann: Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, war das hier im Deutschlandfunk. Besten Dank, Herr Arnold!

    Arnold: Ich bedanke mich auch und wünsche noch einen schönen Tag!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.