Jasper Barenberg: Wer an die Proteste nach den umstrittenen Wahlen im Sommer zurückdenkt, ist nicht überrascht. Nach den gewalttätigen Zusammenstößen der vergangenen Tage verstärkt die Staatsmacht im Iran einerseits den Druck. Zahlreiche Regierungskritiker werden festgenommen, ein einflussreicher Geistlicher spricht sich dafür aus, die Führer der Opposition hinzurichten. Andererseits kündigt das Regime für heute landesweite Massenkundgebungen seiner Anhänger an.
Wie sollen wir, wie soll Europa, wie der Westen insgesamt reagieren auf die Vorgänge, auf die Proteste, auf die Verhaftungen im Iran? – Vor der Sendung hatte mein Kollege Matthias von Hellfeld Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem sicherheitspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Mit Omid Nouripour hat er auch darüber gesprochen, wie sich der gebürtige Iraner in diesen Tagen überhaupt über die Lage im Iran informiert.
Omid Nouripour: Natürlich habe ich Verwandte, Freunde, Bekannte und in den letzten Jahren sind auch einige politische Arbeitszusammenhänge wirklich gewachsen, mit denen man jetzt auch wirklich gut arbeiten kann, wenn es darum geht, Informationen zu bekommen.
Matthias von Hellfeld: Haben Sie andere Informationen als die, die wir hier so veröffentlichen über die Handy-Videos?
Nouripour: Ich habe mehr Informationen, aber ich kann jetzt einige Details nennen, wo ich sagen würde, das ist vielleicht ein bisschen anders, aber die Grundmedienberichterstattung ist schon völlig richtig.
von Hellfeld: Die Führung in Teheran reagiert mit unversöhnlicher Härte. Steht das Land vor einer längeren Auseinandersetzung innenpolitisch betrachtet, oder schreckt die Androhung beispielsweise von Todesstrafen die Kritiker dann doch ab?
Nouripour: Dass das nicht passiert, hat man ja jetzt in den letzten Tagen gesehen. Diese sogenannte grüne Bewegung, die ja spätestens seit dem 12. Juni, dem Tag der gefälschten Präsidentschaftswahl im Iran, auf den Beinen ist, die ist ja nicht tot gewesen, sondern sie hat einfach versucht, den Atem anders einzuteilen, sie haben einfach versucht, dort, wo es nicht nötig ist, nicht auf die Straße zu gehen, und vor allem haben sie es geschafft, die offiziellen Anlässe, bei denen das Regime schon seit 31 Jahren immer wieder mobilisiert, also Jahrestag der Revolution, eben Aschura, dieser höchste Volkstrauertag der Schiiten im Iran, Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft, all diese Tage, diese Anlässe, bei denen die Revolution immer wieder mobilisiert, auch zu benutzen, damit einfach die Straße nicht mehr nur den Ahmadinedschad-Leuten gehört, und das ist ihnen vollends gelungen.
von Hellfeld: Was will die Bewegung?
Nouripour: Das ist eine sehr spannende Frage, die ich so nicht beantworten kann, weil die Bewegung zutiefst heterogen ist, und wenn sie morgen jetzt die Regierungsbildung vorantreiben müssten, wäre das alles andere als einfach. Aber eines eint sie doch sehr: Das ist die Ablehnung von Ahmadinedschad und dieser Regierung, die eine katastrophale Wirtschaftspolitik gemacht hat, die das Land außenpolitisch in die Isolation geführt hat.
von Hellfeld: Welche Rolle spielen die religiösen Führer, von denen heute einige die Todesstrafe für jene gefordert haben, die die Demonstration sozusagen angeführt haben oder angeleitet haben?
Nouripour: Es gibt eine große Anzahl von Geistlichen, die auf der Seite der Opposition stehen. Man kann ruhigen Gewissens sagen, die Mehrheit. Gerade die Groß-Ayatollahs, diese paar 20 höchsten Religiösen, da gibt es einen oder zwei, die auf der Seite von Ahmadinedschad stehen. Alle anderen sind es nicht. Die meisten von ihnen schweigen, aber erstens, weil viele von ihnen der Meinung sind, dass Politik und Religion getrennt gehören. Das mag überraschend klingen in einem Land wie Iran, aber da ist die Mehrheit der Geistlichkeit tatsächlich so, dass sie sich in die Politik nicht einmischen will. Andere sind aber auch der Meinung, wenn sie sich äußern würden, dass das natürlich das Feuer noch höher flammen lassen würde und noch mehr Menschen möglicherweise zu Schaden kämen. Diese wenigen Leute, die heute die radikalen Thesen vertreten haben, sind die üblichen Verdächtigen, die man kennt, die auf der Seite von Ahmadinedschad stehen, beispielsweise sein Spiritus Rektor Mesbah Yazdi. Das ist aber wirklich eine minimal kleine Minderheit der Geistlichkeit.
von Hellfeld: Sie sind zwar – wir hatten es am Anfang erwähnt – im Iran geboren, aber Sie leben schon sehr lange in der Bundesrepublik, sind auch deutscher Staatsbürger und Sie sind im Deutschen Bundestag. Die Bundesregierung hat heute gesagt, sie möchte die Oppositionsbewegung unterstützen. Ist das ein richtiges Signal?
Nouripour: Ich finde, das ist definitiv richtig, weil die Oppositionsbewegung nicht die einzelnen Führungspersönlichkeiten sind, sondern die Oppositionsbewegung im Iran ist mittlerweile wirklich eine große Mehrheit des Volkes und die gehen auf die Straße und wollen Freiheit. Wenn man sie fragt, was ist denn eigentlich der Kern der Forderung, dann ist das die Freiheit, persönliche Freiheit. Die Bundesregierung tut richtig daran, wenn sie jetzt endlich dahin kommt zu sagen, wir müssen diese Personen, diese Leute auf der Straße unterstützen, denn auch aus Eigennutz gesehen – und unser Hauptinteresse im Iran liegt ja derzeit bei der Verhinderung einer iranischen Atombombe – darf man an der Menschenrechtsfrage nicht locker lassen, sondern dort muss man härtestens auch die Iraner kritisieren, das Regime kritisieren. Das hat zwei Gründe. Der eine Grund ist, dass wenn wir das nicht tun, wir am ende mit einem Ahmadinedschad am Verhandlungstisch sitzen, der uns immer wieder sagt, was wollt ihr denn, ich kann gar nicht zurück, ich muss einfach das Atomprogramm des Iran so weiter betreiben, weil die Iraner mich dafür gewählt haben. Das Zweite ist: Alles andere spaltet einfach das Land nicht, sondern sorgt dafür, dass die Iraner nicht das Gefühl haben, im Ausland Unterstützung zu bekommen, und fühlen sich dann allein gelassen. Das wiederum senkt den inneriranischen Druck auf Ahmadinedschad. Also die Menschenrechtsfrage ist auch aus Eigennutz gesehen für uns eine zentrale Frage.
von Hellfeld: Kurz zum Schluss gefragt: Wie konkret könnte denn die Unterstützung aussehen?
Nouripour: Ich glaube, dass wir erstens sehr genau nachfragen müssen bei den Menschenrechtsverletzungen, die uns berichtet werden, zweitens aber: Wir haben Sanktionspakete geschnürt im Sicherheitsrat, wenn es ums Atomprogramm ging. Dieselbe Frage muss sich jetzt auch für die Menschenrechtsfrage stellen, genau deswegen, weil es natürlich auch die Atomfrage im Iran berührt.
Barenberg: Der Grünen-Politiker Omid Nouripour im Gespräch mit meinem Kollegen Matthias von Hellfeld.
Video-Hintergrund der Demonstrationen auf tagesschau.de
Wie sollen wir, wie soll Europa, wie der Westen insgesamt reagieren auf die Vorgänge, auf die Proteste, auf die Verhaftungen im Iran? – Vor der Sendung hatte mein Kollege Matthias von Hellfeld Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem sicherheitspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Mit Omid Nouripour hat er auch darüber gesprochen, wie sich der gebürtige Iraner in diesen Tagen überhaupt über die Lage im Iran informiert.
Omid Nouripour: Natürlich habe ich Verwandte, Freunde, Bekannte und in den letzten Jahren sind auch einige politische Arbeitszusammenhänge wirklich gewachsen, mit denen man jetzt auch wirklich gut arbeiten kann, wenn es darum geht, Informationen zu bekommen.
Matthias von Hellfeld: Haben Sie andere Informationen als die, die wir hier so veröffentlichen über die Handy-Videos?
Nouripour: Ich habe mehr Informationen, aber ich kann jetzt einige Details nennen, wo ich sagen würde, das ist vielleicht ein bisschen anders, aber die Grundmedienberichterstattung ist schon völlig richtig.
von Hellfeld: Die Führung in Teheran reagiert mit unversöhnlicher Härte. Steht das Land vor einer längeren Auseinandersetzung innenpolitisch betrachtet, oder schreckt die Androhung beispielsweise von Todesstrafen die Kritiker dann doch ab?
Nouripour: Dass das nicht passiert, hat man ja jetzt in den letzten Tagen gesehen. Diese sogenannte grüne Bewegung, die ja spätestens seit dem 12. Juni, dem Tag der gefälschten Präsidentschaftswahl im Iran, auf den Beinen ist, die ist ja nicht tot gewesen, sondern sie hat einfach versucht, den Atem anders einzuteilen, sie haben einfach versucht, dort, wo es nicht nötig ist, nicht auf die Straße zu gehen, und vor allem haben sie es geschafft, die offiziellen Anlässe, bei denen das Regime schon seit 31 Jahren immer wieder mobilisiert, also Jahrestag der Revolution, eben Aschura, dieser höchste Volkstrauertag der Schiiten im Iran, Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft, all diese Tage, diese Anlässe, bei denen die Revolution immer wieder mobilisiert, auch zu benutzen, damit einfach die Straße nicht mehr nur den Ahmadinedschad-Leuten gehört, und das ist ihnen vollends gelungen.
von Hellfeld: Was will die Bewegung?
Nouripour: Das ist eine sehr spannende Frage, die ich so nicht beantworten kann, weil die Bewegung zutiefst heterogen ist, und wenn sie morgen jetzt die Regierungsbildung vorantreiben müssten, wäre das alles andere als einfach. Aber eines eint sie doch sehr: Das ist die Ablehnung von Ahmadinedschad und dieser Regierung, die eine katastrophale Wirtschaftspolitik gemacht hat, die das Land außenpolitisch in die Isolation geführt hat.
von Hellfeld: Welche Rolle spielen die religiösen Führer, von denen heute einige die Todesstrafe für jene gefordert haben, die die Demonstration sozusagen angeführt haben oder angeleitet haben?
Nouripour: Es gibt eine große Anzahl von Geistlichen, die auf der Seite der Opposition stehen. Man kann ruhigen Gewissens sagen, die Mehrheit. Gerade die Groß-Ayatollahs, diese paar 20 höchsten Religiösen, da gibt es einen oder zwei, die auf der Seite von Ahmadinedschad stehen. Alle anderen sind es nicht. Die meisten von ihnen schweigen, aber erstens, weil viele von ihnen der Meinung sind, dass Politik und Religion getrennt gehören. Das mag überraschend klingen in einem Land wie Iran, aber da ist die Mehrheit der Geistlichkeit tatsächlich so, dass sie sich in die Politik nicht einmischen will. Andere sind aber auch der Meinung, wenn sie sich äußern würden, dass das natürlich das Feuer noch höher flammen lassen würde und noch mehr Menschen möglicherweise zu Schaden kämen. Diese wenigen Leute, die heute die radikalen Thesen vertreten haben, sind die üblichen Verdächtigen, die man kennt, die auf der Seite von Ahmadinedschad stehen, beispielsweise sein Spiritus Rektor Mesbah Yazdi. Das ist aber wirklich eine minimal kleine Minderheit der Geistlichkeit.
von Hellfeld: Sie sind zwar – wir hatten es am Anfang erwähnt – im Iran geboren, aber Sie leben schon sehr lange in der Bundesrepublik, sind auch deutscher Staatsbürger und Sie sind im Deutschen Bundestag. Die Bundesregierung hat heute gesagt, sie möchte die Oppositionsbewegung unterstützen. Ist das ein richtiges Signal?
Nouripour: Ich finde, das ist definitiv richtig, weil die Oppositionsbewegung nicht die einzelnen Führungspersönlichkeiten sind, sondern die Oppositionsbewegung im Iran ist mittlerweile wirklich eine große Mehrheit des Volkes und die gehen auf die Straße und wollen Freiheit. Wenn man sie fragt, was ist denn eigentlich der Kern der Forderung, dann ist das die Freiheit, persönliche Freiheit. Die Bundesregierung tut richtig daran, wenn sie jetzt endlich dahin kommt zu sagen, wir müssen diese Personen, diese Leute auf der Straße unterstützen, denn auch aus Eigennutz gesehen – und unser Hauptinteresse im Iran liegt ja derzeit bei der Verhinderung einer iranischen Atombombe – darf man an der Menschenrechtsfrage nicht locker lassen, sondern dort muss man härtestens auch die Iraner kritisieren, das Regime kritisieren. Das hat zwei Gründe. Der eine Grund ist, dass wenn wir das nicht tun, wir am ende mit einem Ahmadinedschad am Verhandlungstisch sitzen, der uns immer wieder sagt, was wollt ihr denn, ich kann gar nicht zurück, ich muss einfach das Atomprogramm des Iran so weiter betreiben, weil die Iraner mich dafür gewählt haben. Das Zweite ist: Alles andere spaltet einfach das Land nicht, sondern sorgt dafür, dass die Iraner nicht das Gefühl haben, im Ausland Unterstützung zu bekommen, und fühlen sich dann allein gelassen. Das wiederum senkt den inneriranischen Druck auf Ahmadinedschad. Also die Menschenrechtsfrage ist auch aus Eigennutz gesehen für uns eine zentrale Frage.
von Hellfeld: Kurz zum Schluss gefragt: Wie konkret könnte denn die Unterstützung aussehen?
Nouripour: Ich glaube, dass wir erstens sehr genau nachfragen müssen bei den Menschenrechtsverletzungen, die uns berichtet werden, zweitens aber: Wir haben Sanktionspakete geschnürt im Sicherheitsrat, wenn es ums Atomprogramm ging. Dieselbe Frage muss sich jetzt auch für die Menschenrechtsfrage stellen, genau deswegen, weil es natürlich auch die Atomfrage im Iran berührt.
Barenberg: Der Grünen-Politiker Omid Nouripour im Gespräch mit meinem Kollegen Matthias von Hellfeld.
Video-Hintergrund der Demonstrationen auf tagesschau.de